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Elbsagen 88

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

90. Isern Hinrik

Isern Hinrik war ein Graf von Schaumburg-Holstein, Gerhard des Großen Sohn, ein ritterlicher Mann von ungemeiner Kraft und Festigkeit, dessen Kriegsmut ihm schon in jungen Jahren, als er gegen die Dänen und unter dem König von Schweden zu Felde zog, berühmt gemacht hatte; wegen welcher Eigenschaften er auch den Namen Heinrich der Eiserne oder auf Plattdeutsch Isern Hinrik davontrug.

Diesen Beinamen soll er zuerst bekommen haben, als er in Kriegsdiensten des Königs von England in der Schlacht bei Eressy unter anderen Heldentaten auch den König von Frankreich gefangen nahm, indem er mit zwei Rittern in den feindlichen Haufen sprengte, mit der Linken den König bei dessen goldener Halskette fasste und herauszog, während er mit der Rechten die Begleiter niederhieb.

Wegen solcher Tat wurde er einer der obersten Kriegshauptleute und mit Ehren überhäuft, als er nach England heimkehrte. Darüber bekam er viele Neider und Feinde unter den Engländern, die ihm Hinterhalte stellten, aus denen er sich aber immer durch unerschrockene Kühnheit glücklich herauszukämpfen verstand.

Des Königs Ohr war zwar gegen die Verleumdungen taub, die Isern Hinriks Neider gegen ihn ausstreuten. Aber die Königin gewannen sie damit, dass sie ihr vorredeten, er sei nicht von hohem Adel, sondern ein gewöhnlicher denutscher Abenteurer. Sie ließ deshalb in des Königs Abwesenheit eine Probe zu, von der die Neider hofften, dass sie ihn verderben sollte. Man glaubte nämlich, dass ein Löwe keinen echt und recht geborenen Fürsten und Herrn verletze. Deshalb ließen sie heimlich in der Nacht den großen Löwen des Königs aus dem Zwinger, dass er im königlichen Burghof frei umherlaufen konnte.

Als nun Isern Hinrik des Morgens in der Dämmerung, wie er zu tun pflegte, aufstand, um frische Luft zu schöpfen, und nur im Mantel ohne Wehr und Waffen in den Hof trat, da sprang ihn der Löwe ingrimmig an und brüllte fürchterlich. Isern Hinrik aber, unerschrocken wie immer, blickte ihn fest an, hob die Faust etwas gegen ihn und sprach mit ernster Stimme: »Bis stille, bis stille, du frevelhafter Hund!«

Und alsobald legte sich der Löwe still und stumm demütig zu des Grafen Füßen, der ihn dann in seinen Zwinger gehen ließ. Darüber entsetzten sich seine Widersacher, die heimlich aus den Verlauf der Sache Acht gegeben hatten, und von nun an hatte der Graf Frieden vor ihnen.

Andere sagen, er wäre einst, als er mit vielen vornehmen Engländern vor dem Gitter gestanden hatte, freiwillig zu dem Löwen in den Käfig gegangen, sprechend »Ist jemand unter euch von so gutem Adel wie ich, der tue es mir nach«, hätte dann dem Löwen sein Kränzlein, das er des Hoffestes wegen getragen hatte, aufs Mähnenhaupt gesetzt, sei dann langsam und ungefährdet wieder herausgetreten und hätte gesagt: »Wer von euch meines Adels ist, der hole mir mein Kränzlein wieder!« Aber keiner hätte es sich getraut.

Isern Hinrik aber mochte nicht länger bei den Engländern bleiben, und der König, so lieb er ihn hatte, musste ihn ziehen lassen. Er hatte dann dem Papst Urban als Feldherr gedient und auch in Italien viele herrliche Taten verrichtet und ist der römischen Hinterlist so tapfer entgegen getreten wie der englischen und endlich, der Plackereien müde, nach Holstein heimgezogen, wo er sein Land regierte mit kräftiger, starker Hand. Die Schweden trugen ihm nachmals die Königskrone an, er aber hat sie nicht gemocht.

Die Städter, nämlich die Lübecker und Hamburger, hat er anfangs nicht gut leiden können. Denn ihm war es verhasst, dass diese Mauerhocker und Krämer, wie er sie nannte, zu so großer Macht und Herrschaft gekommen waren, weshalb er auch den räuberischen Edelleuten seines Landes auf die Finger sah, wenn sie die hansischen Wagen plünderten. Die Städter griffen, um sich zu verteidigen, auch wohl hie und da ein bisschen zu weit. Als sie, um nach Räubern zu fahnden, einst zweihundert Reiter in die Stadt Segeberg legten, da kam Isern Hinrich über Nacht hinzu, nahm die Reiter und alle hansischen Bürger, die er traf, gefangen, bis sie sich lösten, woraus eine langwierige Fehde entstand, die endlich von Kaisers und Reichs wegen vermittelt wurde.

Inzwischen hatte Isern Hinrik der Städter Tapferkeit und ihre Rechte besser kennen gelernt. Darum versprach er, sie zu schützen gegen die Straßenräuber und Buschklepper, wie gegen seine beutelustige Ritterschaft. Deshalb wurde zu Lübeck ein Vertrag geschlossen, daran auch außer Isern Hinrik noch mehrere andere Grafen teilnahmen. Später vereinigten sich dieselben nochmals mit dem Hamburger Rat zur Vertilgung und Ausrottung der Raubgesellen, namentlich derer an der Alster. Infolgedessen eroberten und schleif ten die Hamburger sogleich das feste Haus zu Wohldorp, das mit seinen schönen Ländereien und Forsten ihnen noch heute gehört. Die Burg Linen nahmen und brachen sie ebenso.

Seitdem lebte Isern Hinrik mit den Hamburgern in gutem Vernehmen, bis auf die Zwistigkeiten wegen der vergebens von ihm verlangten Huldigung. Er kam zuweilen zur Stadt und wurde hoch geehrt, denn seine herrlichen Kriegstaten waren bekannt, und das Volk hielt ihn wert und erzählte sich viel von seinen Ritterfahrten und Heldenstücken.

Als später vor dem Dammtor, welches dazumal hart an der Alster unweit der Reesendammbrücke gelegen hat, ein neuer Zwingturm gebaut wurde, da nannte man diesen Turm, dem starken Granen zu Ehren, Isern Hinrik.

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