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Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten – Teil 3

Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten

Memoiren eines Scharfrichters aus den Zeiten des Mittelalters
Herausgegeben von Wilhelm von Chézy

Vom Rosental

Wenn ich es vor allem liebte, fernab der Menschen in der schauerlichen Obhut der Femstatt zu weilen und den Reden Arnulphs zu lauschen oder die Einsamkeit der Wälder und Fluren aufzusuchen, so geschah dies, wie ich oben schon sagte, vorzüglich deshalb, weil ich unter den Leuten statt Liebe und Anteilnahme nur Hass und abstoßende Verachtung fand. Doch auch das sollte sich in späterer Zeit ändern und die Stadt sollte mir ein lockendes Ziel der Wanderung werden, trotz des Hohns und aller Schmach, die mir den Weg immerdar verbitterten, sobald wir einem Menschen begegneten.

Der selige Vater ging regelmäßig jeden Samstagabend nach dem Aveläuten zur Stadt. Er wandte sich vom Marktplatz gegen das enge Gässlein, welches Zum Rosental genannt wird, krumm und düster hinter Sankt Kümmernis gegen die Frohnveste steil Weiterlesen

Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten – Teil 2

Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten

Memoiren eines Scharfrichters aus den Zeiten des Mittelalters
Herausgegeben von Wilhelm von Chézy

Arnulfs Märlein vom Diebesdaumen

Es ist schon lange, lange Jahre her, da zog ein junger Mann, seines Zeichens Schäffler und Brauknecht, von Rosenheim nach München im Bayernland. Auf dem Rücken trug er sein Wanderbündel, in der Hand hielt er seinen Knotenstock und pfiff ein Schelmenliedchen, als ihm von Perlach aus die Türme des Münsters zu Unserer Lieben Frau mit ihren runden Kuppeln über den Buchenwald hinweg sichtbar wurden. Denn so ergeht es jedem Wanderer, sei er ein Bayer oder nicht. Als er das schlanke Zwillingspaar nur erblickte, wurde ihm das Herz leicht und voller Lust. Das war eben das Wahrzeichen der edlen Stadt München am Strand der grünen Isar.

Bevor er sich weiter in den Schatten des Waldes begab, wischte Friedel den Schweiß von der Stirn, warf seinen Rucksack von den Weiterlesen

Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten – Teil 1

Zehn Geschichten aus Meister Hämmerlings Leben und Denkwürdigkeiten

Memoiren eines Scharfrichters aus den Zeiten des Mittelalters
Herausgegeben von Wilhelm von Chézy

Vorbemerkung

Das große Malefizbuch soll, wie sein altfränkischer Name schon erraten lässt, Verbrechergeschichten aus früherer Zeit enthalten. Was wir unter dem Namen von Kriminalakten zu begreifen pflegen, nannten unsere Vorfahren in vielen Gegenden Malefizbücher; Aufzeichnungen, welche teilweise auch der Scharf­richter besorgte, der in seiner Eigenschaft als Folterer in peinlichen Untersuchungen vielfach beteiligt war.

Der Grundgedanke des Buches wird sich im Voraus ziemlich klar bestimmen lassen, wenn der Leser bemerken will, dass der Verfasser ein Dichter ist, kein Gelehrter. Ich versuche meinen Stoff vom rein menschlichen Standpunkt aufzufassen und dichterisch zu ver­arbeiten; die Wahrheit, welche nach meinem Streben sich darin widerspiegeln soll, ist nicht wissenschaftlich Weiterlesen

Der Wolfsbenjamin Teil 4

Friedrich Gerstäcker
Der Wolfsbenjamin
Aus den Backwoods Amerikas

Teil 4

Weiter und weiter ging er. Immer verworrener wurde das Gestrüpp, immer wilder der Wald, und nun, nun versank die Sonne dort drüben in ihrem Blätterbett. Noch immer hatte er den Wasserstreifen nicht erreicht, der ihm als Wegweiser dienen sollte, um wieder auf den Weg zu kommen. So konnte es nicht weitergehen. Wenn er jetzt genau nach Norden ging, musste er den Weg wieder finden, und jetzt konnte er noch mit seinem Kompass die Richtung genau halten, aber wenn es erst dunkel wurde, dann half ihm auch der nicht mehr, und die Sterne waren in dem Dickicht nicht zu sehen. Da aber ging der Mond auf, und mit seinem Bewusstsein schlug er ohne weiteres Zögern die nördliche Richtung ein.

Und die Sonne ging unter, aber wie schnell! So schnell hatte er sie in seinem ganzen Leben noch nicht verschwinden sehen und Weiterlesen

Der Wolfsbenjamin Teil 3

Friedrich Gerstäcker
Der Wolfsbenjamin
Aus den Backwoods Amerikas

Teil 3

Der andere Morgen kam und mit ihm ein reges Leben in die kleine Gesellschaft, denn Scipio musste schon vor Tagesgrauen auf und die Pferde füttern. Mrs. Stuart selber bereitete das Frühstück und backte noch außerdem eine Quantität Maisbrote im Vorrat, damit die Wolfsjäger etwas davon mitnehmen könnten und nicht zu darben brauchten.

Um acht Uhr etwa war alles hergerichtet. Von Questen saß schon vollständig gerüstet und wartete auf seine Begleiter, als Benjamin, der ebenfalls neben seinem Pferd stand, zu dem gerade aus dem Haus tretenden Stuart sagte: »Habt Ihr vielleicht eine Büchse, Stuart, die Ihr mir heute Abend borgen könnt? Man weiß doch nicht, was vorfällt.«

»Haben Sie denn kein Gewehr bei sich?«, fragte von Questen aufs Äußerste erstaunt, einen solchen alten Jäger in einem solchen Weiterlesen