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Der Welt-Detektiv Band 6

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Elbsagen 68

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

69. Der heilige Norbert und die weiße Kutsche

Der heilige Norbert, der dreizehnte unter den Erzbischöfen zu Magdeburg, war in seiner Jugend ein leichtsinniger Mensch. Er war in der Nähe des Niederrheins geboren und lebte dort in Saus und Braus, bis ihn einst, als er gerade von einem Zechgelage kam, ein Donnerschlag vom Pferd stürzte. Über eine Stunde lang lag er bewusstlos am Boden, da rief ihn eine Stimme aus der Wetterwolke an und ermahnte ihn, sich zu bessern. Er wachte auf, aber zu einem besseren Leben, zog als Barfüßermönch im Jahre 1118 nach Rom und wurde im Jahre 1127 vom Kaiser Lothar zum Erzbischof von Magdeburg erhoben. Hier führte er unter den verwilderten Geistlichen eine strenge Kirchenzucht ein, wäre aber beinahe von Meuchelmördern bei einem Volksauflauf getötet worden. Nachdem er noch das Kloster Unserer Lieben Frauen mit Prämonstratensermönchen besetzt und das Kloster Gottes Gnaden bei Calbe gestiftet hatte, zog er als Kanzler des Kaisers mit nach Rom und starb im Jahre 1133. Sein Leichnam wurde in der Kirche Unserer Lieben Frauen in einem steinernen Sarg begraben. Seine Gebeine galten stets für ein Heiligtum der Stadt, die man für unbezwingbar hielt, solange sie dieses in ihren Mauern bewahre. Allein die Stadt ließ sich im Jahre 1626 vom Kaiser bewegen, ihm die Gebeine auszuliefern, und am 1. Mai 1627 hatte der Abt zum Strahof bei Prag, Kaspar von Questenberg, sie übernommen und auf einem von sechs weißen Pferden gezogenen weißen Wagen nach Prag geführt. Auch der Kutscher war weiß gekleidet und das Geschirr der Pferde von schneeweißem Leder, sogar die Räder am Wagen waren weiß angestrichen gewesen. Ehe noch die Nachricht von dieser feierlichen Prozession, mit welcher Norberts Gebeine in Prag eingezogen waren, nach Magdeburg gelangte, hatten aber einige Bürger und Scharwächter auch hier einen weißen Leichenzug, der vom Kloster Unserer Lieben Frauen über den Alten Markt hinter der Münzstraße weg zur Bank zu fuhr, bemerkt. Später hatte sich dieser Zug – und zwar jedes Mal in der Walpurgisnacht – noch öfters sehen lassen, und allemal folgte dieser nächtlichen Erscheinung ein Krieg oder sonstige Not. Namentlich war dies auch im Jahre 1631 geschehen, wo dann am 10. Mai die schreckliche Zerstörung der Stadt selbst erfolgte. Daher ist die weiße Kutsche stets zu Magdeburg als eine Unheilverkünderin angesehen worden. Das letzte Mal war diese Erscheinung am 30. April des Jahres 1806 in der Mitternachtsstunde von zwei Bürgern in der Weise gesehen worden, dass ein weißer mit vier Pferden bespannter Kutschwagen, auf dessen hohem Bock ein weißgekleideter Kutscher saß, langsamen Schrittes von der Regierungsstraße bis zur Tischlerbrücke fuhr, sich dann rechts wandte und durch die Schwibbogen über einen Teil des Alten Marktes fuhr, dort einige Minuten anhielt, gerade als ob er einen Reitertrupp an sich vorüber lassen wolle, hierauf quer über den Breiten Weg nach der Münzstraße bog, an der Bank haltmachte und dann verschwand. Bekanntlich ist nachher im Herbst desselben Jahres die Schlacht bei Jena verloren und bald darauf Magdeburg von den Franzosen ohne Mühe erobert worden.