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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hessische Sagen 3

Der wilde Jäger

Mit erschrecklichem Lärm zog vor Zeiten vom Vo­gelsberg her der wilde Jäger durch das Tal der Nidda in Richtung der Berge. Da kam jedes Mal aus dem Turm in der alten Burgmauer zu Staden, auf der Seite nach dem Win­gertsberg zu, eine lange, lange Stange heraus und an deren Spitze hing eine Leuchte, die wie ein Klumpen Feuer aus­sah. Die leuchtete dem wilden Jäger, während er vor­beizog.

Bei nächtlichem Sturmgetöse sagt man noch in der Wetterau: »Man meint, es wäre der wilde Jäger.«

In der Gemarkung von Brandoberndorf ist ein Ort, der heißt die Streitheck. Da wandert des Nachts ein Jäger mit Hund, Gewehr und Ranzen. Er hat aber keinen Kopf und heißt der wilde Jäger. Auch an vielen anderen Orten um Bodenrod hört man ihn zu Zeiten des Nachts über die Köpfe der Leute hinweggehen.


Der umgehende Förster

Es gibt im Vogelsberg einen gestifteten Wald, wel­cher von drei Gemeinden zusammen benutzt wird. Ein al­tes Testament, welches über diese Schenkung besteht, sagt dabei, dass er nie geteilt werden dürfe und schließt mit den Worten:

Wer das Testament bricht,

Mit dem halt’ ich Vorstand am jüngsten Gericht.

Es fiel aber einmal einem Forstinspektor ein, sich über das Testament lustig zu machen und zum Trotz den Wald teilen zu wollen. Er ließ ihn darum in drei gleiche Teile abmessen und Grenzschnei­sen hauen. Doch das bekam ihm schlecht, denn er starb plötzlich und ritt seitdem jede Nacht spukend durch die Schneisen. Als man das gewahrte, beschloss des Forst­inspektors Sohn, den Geist abzufangen. Er ging um Mit­ternacht zu einer der Schneisen, und als der Spuk daher­geritten kam, fragte der Sohn: »Wo hast du das verschuldet?«

Der Geist antwortete: »Da ich das Testament brach.«

Da rief der Sohn: »Du hast es gewusst, darum sollst du ewig reiten.«

Und so reitet der Forst­inspektor noch immer herum und wird bis zum jüng­sten Tag reiten.­


Der Mann auf dem Dreimärker

Ein Mann in Oberkainsbach saß eines Abends mit seiner Frau beim Kartoffelschälen, als es plötzlich an seinem Fenster klopfte. Anfangs achtete er nicht darauf, doch als es zum zweiten und dritten Mal klopfte, ging er hinaus. Draußen fand er drei Herren in seltsamer Tracht vor. Der eine von ihnen, welcher ein Jäger zu sein schien, sprach zu dem Bauern, er solle am nächsten Abend mit einem Sack, den ein Mädchen nicht älter als sieben Jahre gesponnen, einer neuen Hacke und einem noch ungebrauchten Grabscheit auf den Schnellerts hinaufgehen und sich auf den oben stehenden Dreimärker setzen, so werde er sein Glück machen. Der Mann willigte ein und die drei verschwanden. Am folgenden Tage verschaffte sich der Bauer die drei erforderlichen Dinge. Als es zu dämmern anfing, ging er damit hinauf und setzte sich auf besagten, unweit der Burgtrümmer befindlichen Stein. Er hatte lange gesessen und wollte schon wieder heimgehen, da kam plötzlich drüben vom Rodenstein etwas gleich einer Wolke herangezogen. Es kam näher und näher und ließ sich endlich auf die Ruinen nieder. Da stand auf einmal eine große, schöne Burg da. Aus dem Tor trat jener Jäger und hieß den Bauern aufstehen und mit ihm hineingehen. Sie stiegen eine schöne Schlosstreppe hinauf und kamen in einen großen hell erleuchteten Saal, wo auf einer mit allerlei Geschirr beladenen Tafel eine Menge fröhlicher Herren in altertümlichen Kleidern und Rüstungen saßen. Sie aßen und tranken und verursachten mit Schreien, Reden und Singen einen großen Lärm. Der Jäger sagte, das wären die Herren vom Rodenstein und Schnellerts. Sie hielten Verspruch zu einem Handstreich. Er setzte sich mit dem Bauern unten an die Tafel, warnte ihn aber, er solle von Speis und Trank ja nichts anrühren.

Als die Herren nach der Tafel noch eine Weile gezecht hatten, standen sie auf und eilten immer fröhlicher lärmend zum Saal hinaus. Der Jäger sagte zu dem Mann, er solle ihm in den Schlosshof folgen. Es gehe auf die Jagd. Er, der Bauer, müsse auch mit hinaus, solle sich nur immer bei ihm halten und ihm folgen, was auch geschehen möge, sich jedoch wohl hüten, ein Wort zu sprechen. Sie gingen hinab und fanden unten im Hof die ganze Gesellschaft mit dem Jagdgerät und eine Menge großer, schneeweißer Windspiele, welche mit lautem Gebell um die Herren herumsprangen. Der Jäger wurde von allen willkommen geheißen, zu dem Bauern aber sprach keiner etwas. Es war, als sei er gar nicht da. Es ging lustig zum Tor hinaus und in den mondhellen Wald hinein.

Voran sprangen die Hunde und ließen vor Gier die Zunge aus dem Halse hängen. Dicht hinter ihnen folgte der Jäger mit zwei schön gekleideten Prinzen, welche dem Mann schon bei der Tafel aufgefallen waren und von denen er später sagte, es seien wohl dieselben Männer gewesen, die an jenem Abend mit dem Jäger an seinem Fenster geklopft hätten. Es ging so schnell, dass dem Bauern fast der Atem stockte, doch hielt er sich immer dicht hinter dem Jäger, welcher beständig die Hunde anfeuerte und hetzte. Plötzlich schlugen sie ein wütendes Gebell an und aus dem Gebüsch drang ein herzzerreißendes Jammergeschrei. »Sie werden doch keinen Menschen angefallen haben«, rief der eine Prinz und wollte hinzueilen, doch der andere hielt ihn zurück, indem er sprach: »Sei es Mensch oder Vieh, das gilt mir alles gleich.« Als sie näher kamen und der Jäger die Hunde auseinander trieb, lag an der Erde der blutige und zerrissene Leichnam eines Kapuziners in einer braunen Kutte. Nun hob der eine Prinz ein großes Wehklagen an, der andere aber lachte und ließ den Leichnam durch ein paar Jäger forttragen. Die Jagd hatte ein Ende, der gute Prinz hörte jedoch nicht auf, dem bösen Vorwürfe zu machen. Das tat er auf dem ganzen Heimweg. Als er es aber auch im Schlosshof nicht aufgab, ward der andere wild, zog seinen Hirschfänger, stieß ihm denselben in die Brust und lief dann in den Stall. Einen Augenblick darauf kehrte er wieder zurück, auf einem stolzen Pferd sitzend, dem gab er die Sporen und sprengte mit einem gewaltigen Satz über die Schlossmauer. Da hörte man einen dumpfen Fall, der Jäger aber sprach: »Er hat das Genick gebrochen, jetzt müssen wir fort in das Schloss und den Kapuziner suchen.« Sie gingen nun miteinander in die Burg zurück. Der Jäger schloss ein Zimmer nach dem andern auf und stellte dabei immer ein Licht innen und eins außen an die Thür, aber sie konnten den Kapuziner nicht finden. Endlich kamen sie in einen dunklen kalten Keller, da lag die blutige Leiche des armen Mönchs. Nun befahl ihm der Jäger, den Leichnam in den Sack zu stecken. Der Bauer griff zu und hatte ihn schon mit den Füssen im Sack. Da hörte er hinter sich: »Hau! Hau! Hau!« Er drehte sich um und sah die großen Windhunde, welche die Leiche packen wollten. »Geht ihr los, oder …«, rief er und schlug mit dem Grabscheit nach ihnen, doch da war mit einem male alles verschwunden – Jäger, Hunde, Keller und Schloss. Und der Mann fand sich im Mondschein allein auf dem Dreimärker.

Das alles hat er viele Male erzählt und dabei gesagt, so möge es einmal wirklich vorgefallen sein, und wenn er sich nicht durch die Hunde hatte irremachen lassen und die Leiche hinausgetragen und begraben hätte, dann brauchte er jetzt keine Kartoffeln mehr zu essen.


Das wilde Heer in der Küche

Die Hofreite in Brensbach, durch welche der Geist aus dem Schnellerts seinen Zug genommen haben soll, liegt im oberen Teil des Orts. Diese Hofreite und noch zwei andere, welche noch vor Jahren standen, waren im ältesten Baustil der Bauernhofreiten aufgebaut und schienen den ehemaligen Herren von Brensbach angehört zu haben.

Ein älterer Besitzer der Hofreite, durch dessen Scheune der Berggeist zog, war Willens, in aller Frühe aufs Feld zu fahren. Er sagte daher seiner Frau, sie solle früh aufstehen, um ihm sein Frühstück zu bereiten. Am Morgen, als er aufstand, um seine Pferde zu füttern, ging er durch die Küche und sah zu seiner Verwunderung noch ein großes Feuer im Herd brennen. Nachdem er das Vieh gefüttert hatte, ermahnte er seine Frau, aufzustehen, da sie noch genug Feuer genug im Herd habe. Als aber die Frau aufgestanden war und die Morgensuppe kochen wollte, fand sie keinen Funken Feuer weder im Herd noch in der Asche. Das Feuer rührte aber von dem wilden Heer, welches in der Nacht in der Küche gewirtschaftet hatte. Denn es war gar nichts Seltenes, dass die Geister nachts in diese Küche einkehrten, die Kessel über das Feuer hingen und kochten, endlich auch Schüsseln und Teller nahmen und Mahlzeit hielten. Im Jahr 1804 hat man dies zum letzten Mal wahrgenommen.


Die Totenhöhe

Bei Frankenberg liegt eine Hochebene, die Totenhöhe genannt. In grauer Vorzeit wurde hier eine Schlacht geschlagen. An jedem Jahrestag erheben sich in der Nacht die Gebliebenen und wiederholen von Neuem das blutige Spiel. Als einst in einer Winternacht Holzhauer über die Höhe gehen wollten, sahen sie die Geisterschlacht. Ganze Scharen von Bewaffneten zu Ross und zu Fuß kämpften in wildem Streite, dass dumpf der Boden davon dröhnte. Da ergriff sie Schrecken und Angst und ihre Äxte wegwerfend, eilten sie zu ihrer heimischen Hütte zurück. Als sie des Morgens wiederkamen, ihre Äxte zu suchen, sahen sie nichts als ihre eigenen Fußspuren im Schnee.


Der Schnellertsgeist

Ich bin gar kurzatmig und spare die Worte. Zudem habe ich es nicht weit mehr bis ans Grab. Darum spreche ich gern die Wahrheit und was ich erzähle, das kann mir jeder glauben. Ich habe einmal auf dem Schnellerts gearbeitet und mein Kamerad war nicht weit von mir, sodass wir zusammen über Dies und Jenes plauderten. Da hörte ich plötzlich, wie es da, wo man jetzt die alten Mauern sieht, raschelte und rauschte, als ob ein Reh in einem Haufen dürrer Blätter herumspränge. Ich werfe rasch die Hacke weg und eile auf die Stelle zu, aber da war nichts zu hören noch zu sehen. »Du«, sagte ich zu dem anderen, »hier stimmt etwas nicht.«

Da kam er und sah selbst nach.

Ich sah ihm an, dass er Angst hatte, und sprach darum: »Lass ihn rascheln, wir wollen wieder an die Arbeit.«

Nach einer Weile hörte es sich an, als ob ein Wagen, aus dem ein Dutzend Kerle kleine Steine würfen, vorbeifahren würde. Wir hörten ganz deutlich die Räder über den Boden rollen und die Steine fliegen.

»Da ist der Spitzbub schon wieder!«, rief ich, als der Lärm vorüber war, und mein Kamerad hatte es auch gehört, denn er war totenblass und sprach kein Wort.

Ich aber, ein mutiger junger Bursche, schrie keck, so laut ich konnte: »Oh, du Teufel, so komm auch zum dritten Mal, dreimal ist Bubenrecht!«

Da aber fuhr ein Wirbelwind daher, der packte uns, dass wir nicht anders glaubten, als würden wir mit fort in die Luft gerissen und schrien, als stecke uns schon ein Messer in der Kehle. Wir ließen die Hacken und Beile liegen und liefen, so schnell wir konnten, ein Stück des Weges bergab, wo andere arbeiteten, denen wir alles erzählten. Diese hatten auch alles gehört und es dauerte lange, bis sich wieder einer auf die Spitze de Berges wagte.