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Sherlock Holmes – Der Geist des Architekten

John H. Watson, David Gray
Sherlock Holmes – Der Geist des Architekten

Selbst verlegt über Amazon CreateSpace, Taschenbuch im Großformat, 184 Seiten, 6,31 Euro, ISBN: 9781495222092
david-gray.blogspot.de

»In Sherlocks Wohnung explodierten Bomben, der arme Lestrade wurde fast zu Tode erschreckt, Mycroft tauchte höchst selbst in der Baker Street auf, außerdem erschien ein Gentleman, der sich vor Geistern fürchtete – alles in allem kein gar so ungewöhnlicher Nachmittag im Leben des Sherlock Holmes. So sehr die Kälte und Arroganz meines alten Freundes mir zuweilen auch auf die Nerven fallen mochte, ich hätte in jenem Augenblick an keinem anderen Ort der Welt sein wollen, als gerade hier in Holmes Wohnung.«

Auf die Vermittlung von Sherlock Holmes Bruder Mycroft hin, wendet sich der Architekturkritiker Sir Archibald Pennyworth an den Detektiv. Zwei Monate nach dem Umzug in ein neu errichtetes Haus kam es zu seltsamen Vorfällen, bei denen nicht nur die Papiere in seinem verschlossenen Arbeitszimmer durchwühlt, sondern auch Möbel verrückt wurden, ohne dass etwas gestohlen wurde. Sherlock Holmes kommt der Lösung des Rätsels bald auf die Spur und kann den »Geist« überführen, doch was das Motiv angeht, irrt der Detektiv. Und so erfährt der Fall bald eine unvorhergesehene Wendung.

»Ich erreichte meine Praxis in einem Zustand fiebriger Nachdenklichkeit. Und des Nachts bestand ich darauf, meinen Revolver griffbereit neben mir auf dem Nachtschränkchen bereitzuhalten. Am Morgen steckte ich ihn sogar zu mir, bevor ich nach dem Frühstück hinunter ging, um meine Praxis zu öffnen.«

Wieder einmal wird per Zufall ein Dokument entdeckt, dass der gute Dr. John Hamish Watson verfasst haben soll und das aus Gründen der Geheimhaltung seinerzeit nicht an die Öffentlichkeit gelangte. Das versiegelte Dossier, das David Gray in der Rahmenhandlung im Zuge seiner Recherchen über den irischen Unabhängigkeitskrieg zufällig entdeckt, enthält gleich drei unbekannte Fälle des Meisterdetektivs und wurde sogar von Winston Churchill höchstpersönlich abgezeichnet.

Wo sich viele Holmes-Geschichten gegenseitig mit immer absurderen Ideen überbieten wollen, kommt Selbstverleger David Gray daher und serviert ein herrlich bodenständiges Holmes-Abenteuer klassischen Zuschnitts. Ohne phantastische Effekthascherei oder absurde Cross-over-Zutaten bietet Der Geist des Architekten (der Titel bedeutet sinngemäß Der Geist im Haus des Architekten) solide Holmes-Kost, die sich auch stilistisch sehr nahe an Arthur Conan Doyle bewegt. Dass David Gray dann doch noch Einiges mehr mit Sherlock Holmes vorhat, zeigt die Ankündigung zweier weiterer neuer Abenteuer des Meisterdetektivs sowie des zugehörigen Sammelbands Sherlock Holmes – Eine Studie in Angst an. Zwar kann Der Geist des Architekten durchaus alleine gelesen werden, doch im Hintergrund deutet sich etwas weit Größeres an, das in den Folgeepisoden erzählt werden soll. So ist dann wahrscheinlich auch das Interesse Winston Churchills an dem geheimen Dossier zu erklären.

Ganz ohne Popkulturreferenzen geht es dann doch nicht ab und so schickt David Gray einen kollegialen Gruß an »Professor« Alan Moore und seine Liga der außergewöhnlichen Gentlemen, deren Geschicke ebenfalls ein mysteriöser »M« leitet. Weitere Auftritte haben u.a. die Regisseure Blake Edwards und Terence Young.

David Gray verfügt als Filmkritiker und Buchautor – sowohl als Selbstverleger (u.a. Wolfswechsel, Glashaus) wie demnächst auch als Verlagsautor – über spürbare Professionalität im Schreiben. Sein Stil ist hier – in Anlehnung an die Originalgeschichten – strikt und pragmatisch, ohne dass die Charaktere auf der Strecke bleiben. Für die Anhänger der originalen Sherlock Holmes-Geschichten ein absoluter Tipp.

Die Präsentation des Ganzen ist leider ein Paradebeispiel dafür, warum die Selbstverleger vom Großteil der Leserschaft noch immer belächelt werden. Obwohl David Gray selbst sagt »Jeder Kollege, der immer noch nicht verstanden hat, dass sein eigentlicher Kunde nicht irgendein Verlag ist, sondern der Leser, der befindet sich auf dem Holzweg«, ist hier davon nicht viel zu sehen. Schon das Covermotiv wirkt – gemessen an den heutigen Möglichkeiten – nicht gerade fachmännisch. Das verwaschene Hafenbildnis, vor das die schwarze Silhouette eines Zylinder tragenden Gentlemans sowie Titel und Autorennamen in einem Standard-Word-Art-Effekt gesetzt wurden, erweist sich nicht gerade als Blickfang. Dass die Schriftausrichtung nicht vollständig mittig ist, verstärkt den dilettantischen Eindruck noch. Auch Schriftart und -satz sind mehr als unglücklich geraten (serifenlose Schrift, viel zu große Zeilenabstände, Seitenzahlen sind auf jeder Seite rechts). Ein normales Taschenbuchformat mit geringeren Zeilenabständen wäre absolut ausreichend gewesen. Außerdem ist der Satzspiegel der jeweiligen Doppelseiten nicht spiegelbildlich. In der vorliegenden Form kann dieser Kurzroman nicht dazu beitragen, »das dumme Vorurteil vom unprofessionellen Indie-Autor zu überwinden« (Zitat David Gray). Zumal sich über die optischen Mängel hinaus noch einige Rechtschreib- und Interpunktionsfehler eingeschlichen haben.

Fazit:

Großartige Sherlock Holmes-Geschichte, die sich weder abstruser Ideen bedient noch zum Roman aufgebläht wurde. Story Top, Präsentation dagegen mangelhaft.

(eh)