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Der Middle-Temple-Mord

J. S. Fletcher
Der Middle-Temple-Mord
The Middle-Temple-Murder, England 1918

Krimi, Taschenbuch, Tally-Ho! Verlag, Berlin, April 2013, 228 Seiten, 12,80 Euro, ISBN: 9783942316033, Titelgestaltung von Patrick Brandt
www.tallyho-verlag.de

Frank Spargo macht sich nach einem langen arbeitsreichen Tag, um halb drei in der Frühe auf den Weg nach Hause. Als Junggeselle ist er es gewohnt, derart lange in der Redaktion zu bleiben. Als er auf dem Nachhauseweg von der Fleet Street aus, durch die Middle-Temple-Lane schlendert, trifft er dort auf den Polizisten Driscoll, der gerade zu einem Mordfall hinzugerufen wurde. In einem der Hauseingänge wurde ein unbekannter Mann erschlagen aufgefunden. Der einzige Hinweis ist ein Zettel in der Hand des Ermordeten, auf dem der Name eines jungen Rechtsanwalts namens Ronald Breton vermerkt ist. Frank Spargo ist von dem Fall derart fasziniert, dass er seinen Chefredakteur bittet, diesen Mord vorrangig bearbeiten zu dürfen und gleichzeitig als Berichterstatter zu fungieren. Mehr noch, Spargo beabsichtigt selbst in dem Fall zu ermitteln, was den behäbigen Scotland Yard-Beamten Detective-Sergeant Rathbury keineswegs zu stören scheint. Im Gegenteil der Polizist scheint über jede Unterstützung erfreut zu sein und bietet dem Journalisten sogar einen Informationsaustausch an. Spargos erster Weg führt ihn logischerweise zu Breton, wo er nicht nur dessen Braut kennenlernt, die der junge Anwalt demnächst zu ehelichen gedenkt, sondern auch deren überaus attraktive Schwester. Auch mit Bretons Ziehvater, dem älteren Anwalt Mr. Elphick, wird Spargo schließlich bekannt gemacht. Breton begleitet Spargo ins Leichenschauhaus, um den Toten zu identifizieren, muss aber zugeben, den Ermordeten noch nie zuvor gesehen zu haben. Er kann sich auch beim besten Willen nicht erklären, wie dieser an seine Adresse gekommen ist. Doch es gibt bereits zwei weitere Spuren, denn zufälligerweise kennt Mr. Elphick jemanden, der in der Middle Temple Lane, unweit des Tatortes, wohnt, und zum anderen hat Scotland Yard herausgefunden, dass die Reisemütze des Toten von einem bestimmten Hutmacher in London stammt, der die Kopfbedeckung zu Händen eines gewissen Mr. Marbury ins Anglo-Orient-Hotel geschickt hat. Damit scheint die Identität des Toten geklärt zu sein, doch noch ist Spargo weit entfernt davon, die Lösung des Rätsels in Händen zu halten. Glücklicherweise gibt es aber genügend Hinweise, denen er nachgehen kann und sogar vereinzelte Zeugen, die aufgrund des Artikels, den Spargo im Watchman veröffentlicht hat, sich an Mr. Marbury erinnern können. So gelingt es dem Journalisten nach und nach, die letzten Stunden im Leben des Ermordeten zu rekonstruieren. Noch ahnt Frank Spargo nicht, welch schreckliches Drama er im Begriff ist aufzudecken …

Der Tally-Ho!-Verlag von Robert Schulze hat es sich auf die Fahnen geschrieben, in seiner Krimi-Auslese längst vergessene Schätze zu bergen und den heutigen Lesern so originalgetreu wie möglich zur Verfügung zu stellen. So geschah es bereits mit dem Detektiv Joe Jenkins, dessen elf Abenteuer das Herz eines jeden Krimi-Fans höher schlagen lassen. Mit Der Middle-Temple-Mord erscheint nun der zweite Band der Krimi-Auslese und bietet dem Leser einen kniffligen Mordfall (wie der Titel bereits unschwer erkennen lässt) zum Enträtseln. Protagonist des Romans ist Frank Spargo, seines Zeichens Redaktions-Assistent beim Watchman, einer bekannten Londoner Zeitung. Die Geschichte stammt aus dem Jahr 1918, spielt aber im Juni 1912.

Faszinierend ist vor allen Dingen die stete Konzentration auf den Fall selbst. Fletcher schweifte in keiner Sekunde vom Thema ab, hat es aber auch nicht für nötig erachtet, den Leser mit billiger Effekthascherei bei der Stange zu halten. Der Mord ist nicht unnötig brutal geschildert worden und es werden auch keine weiteren Menschen getötet. Natürlich liegt das Hauptaugenmerk des Romans auf den Hinweisen und den Fakten zur Tat, sodass die Figuren, mit Ausnahme des Protagonisten und der unmittelbar betroffenen Personen, recht oberflächlich charakterisiert worden sind. Besonders Detective-Sergeant Rathbury teilt hier das Schicksal vieler Scotland Yard-Ermittler seit Inspektor Lestrade (siehe Sherlock Holmes). Zwar gelingt es ihm den einen oder anderen Hinweis an Land zu ziehen, die Hauptarbeit leistet allerdings der Journalist Frank Spargo. Wer anhand des Klappentextes befürchtet, zugleich mit einer kitschigen Liebesschnulze belästigt zu werden, der darf beruhigt sein, denn die sich anbahnende Romanze mit der Schwester von Bretons Braut ist absolute Nebensache und für den Plot der Geschichte völlig ohne Belang. Der Roman ist an keiner Stelle langweilig und in sich vollkommen schlüssig und nachvollziehbar.

Fazit:
Ein kleines Meisterwerk der Kriminalliteratur, wie man es heute leider nur noch selten zu lesen bekommt.

(fh)