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Nick Carter – Band 12- Eine gestörte Hochzeit – Kapitel 4

Nick Carter
Amerikas größter Detektiv
Eine gestörte Hochzeit
Ein Detektivroman

Patsys Erfolg

Nach der Aussprache mit dem Millionär kehrte Nick kopfschüttelnd zu seiner Behausung und seinen vertrauten Mitarbeitern zurück.

Verschiedenes wollte ihm durchaus nicht in den Kopf.

Mr. Sanborn war nicht imstande gewesen, ihm auch nur einen kleinen Anhaltspunkt zu geben.

»Boys«, sagte Nick, in seinem geliebten Armstuhl sitzend und eine Pfeife stopfend, »so etwas ist tatsächlich bis jetzt noch nicht vorgekommen – ich stehe vor einem vollkommenen Rätsel. Alles, was wir wissen, ist, dass ein Mann geheimnisvoll verschwand – zu einer Zeit, da man nicht daran gedacht hätte, und diejenigen, die ihn am besten kennen, haben keine Idee, was die Ursache sein könnte.«

»Wir stehen vor einer hohen Mauer«, äußerte Patsy weise, »möchten gern hinüber und stoßen uns dabei die Nasen ein.«

Patsys drolliger Vergleich entlockte allen ein herzliches Lachen.

Endlich fragte Chick den Meister: »Weißt du denn alles über Ellisons Leben hier in New York?«

»Vielleicht nicht so gut«, antwortete Nick, »wie ich es wissen würde, wenn mir eine sorgfältige Untersuchung möglich gewesen wäre. Aber ehe Herr Sanborn die Zustimmung zur Heirat seiner Tochter gab, zog er Erkundigungen ein, welche vollständig befriedigend ausfielen.«

»Well«, meinte Chick, »es ist nicht möglich, dass zum Beispiel ein Mann stiehlt, ohne einen Grund zu haben.«

»Das ist wahr«, fiel Ida ein. »Wäre er zu einer anderen Zeit entflohen, hätte es nicht so viel Aufsehen erregt.«

»Was ist deine Meinung?«, fragte Nick, vor Ida stehenbleibend.

»Was ich meine, ist das: Wenn Mr. Ellison in seinem Zimmer gewesen wäre, sagen wir vor Monaten, seine Zeit mit Lesen oder Rauchen vertreibend, und hätte ihn jemand besucht, mit dem er fortgegangen wäre, ohne zurückzukehren, dann könnten wir sagen, er wäre von selbst gegangen, ohne irgendwelche schwerwiegenden Gründe. Aber das Haus unter den Umständen zu verlassen, wie es Ellison tat, zwei Stunden nach seiner Vermählung, das Haus gefüllt mit Hochzeitsgästen, zeigt, dass er sehr wichtige Gründe gehabt haben musste, an jenem Tag zu flüchten.«

Nick stimmte dem bei, und Chick sagte: »Ein solches Verbrechen kann doch nur aus gewissen Gründen verübt worden sein!«

Nick drehte sich um und fragte: »Was vermutest du?«

»Ich vermute gar nichts«, antwortete Chick, »ich versuche nur, dir plausibel zu machen, dass nichts anderes als ein Verbrechen einen Mann wie Ellison forttreiben konnte.«

»Dieser Schluss ist gut«, sagte Nick. »Sehen wir uns die Angelegenheit einmal von dieser Seite an. Das Wichtigste, was ihn dazu veranlassen konnte, ist die etwaige Nachfolge in Namen und Besitz seiner Familie. Der Graf von Kerleigh lebt noch, und Ellison würde erst an fünfter Stelle kommen. Angenommen zum Beispiel, dass all die vier Vordermänner zu Grunde gegangen wären, etwa auf einem Schiff und zu gleicher Zeit, würde dies Ellison zum Grafen von Kerleigh machen und seine unbedeutende Person zu einer sehr wichtigen in England, mit anderen Worten, die ganze Richtung seines Lebens ändern. Wir können kaum etwas Wichtigeres annehmen. Nehmen wir an, der Fremde mit dem großen Mantel hätte ihm diese Nachricht gebracht. Und wenn es ihn noch so sehr erschüttert hätte, wäre es doch kein Grund gewesen, es seiner Braut und deren Familie zu verschweigen, sogar wenn er deshalb das Haus sogleich hätte verlassen müssen.«

»Und das«, sagte Ida, »zwingt uns zu der Annahme, dass dieser hastigen Abreise doch ein Verbrechen zu Grunde lag.«

»Ist heute nach zwölf Uhr noch ein Schiff abgegangen?«, fragte Patsy dazwischen.

Chick nahm die Morgenzeitung zur Hand und sah nach.

»Nein!«, sagte er.

»Wann fährt das nächste?«, meinte Nick.

»Jedes Schiff, das morgen absegeln will, muss wegen der Ebbe den Hafen vor neun Uhr verlassen haben.«

»Du hast uns einen guten Wink gegeben«, fuhr Nick fort. »Ich wünsche, Patsy, du veranlasst, dass jedes Schiff, welches morgen den Hafen verlässt, sorgfältig bis zur Abfahrt bewacht wird.«

Patsy lächelte vergnügt, denn Nick hatte anerkannt, dass er den ersten praktischen Vorschlag in dieser Sache gemacht hatte.

»Wir müssen herausbekommen, ob etwas Schlechtes, eine Ehrlosigkeit oder eine dunkle Tat in Ellisons Leben besteht, welche nicht einmal seine besten Freunde wissen.«

»Ich glaube«, sagte Ida, »dass wir das nicht hier, sondern nur in England herausfinden können.«

»Da er hier ein so solides Leben geführt hat, scheint es so zu sein«, erwidert Nick. »Ich muss mich wieder mit meinem Freund, dem Inspektor Mostyn von Scotland Yard, in Verbindung setzen. Chick, sende ihm ein Telegramm und bitte ihn, uns über alles Unklare von Ellison zu informieren. Füge auch hinzu, zu welcher Familie dieser Mann gehört.«

Nun wandte er sich an Ida: »Ich vermute, dass niemand in England über etwaige dunkle Vorgänge in den adligen Familien besser unterrichtet ist als Mostyn.«

»Wenn du noch keinen Anhaltspunkt haben solltest«, entgegnete Ida, »so wirst du ihn in Mostyns Antwort finden, und …«

Ida hielt einen Augenblick inne, und Nick fragte: »Und was?«

Ida lachte schelmisch und antwortete: »Ich fürchte, du wirst finden, dass eine meines Geschlechts mit in den Fall verwickelt ist. Ich habe gemerkt, dass beinahe alle Angelegenheiten, in welche die vornehmen Herren geraten, durch Frauen entstanden sind.«

Es klopfte.

Patsy öffnete und nahm dem dienstbaren Geist einen Brief ab, welcher an Nick gerichtet war.

Der Detektiv öffnete ihn, sah sich das Schreiben an und fragte trocken: »Ist das dieselbe Handschrift?«

»Dieselbe wie welche?«, fragte Chick betroffen.

»Die Schrift des Warnungsbriefes von heute Morgen.«

Er reichte den Brief Chick und bat ihn, denselben laut vorzulesen.

Chick las: Vor einen berühmten Juristen wurde ein Mann gebracht, und nachdem der Richter die Anklage gehört hatte, fragte er: ›Wer ist die Dame?‹ Wenn Sie klug sind, werden Sie das als einen Fingerzeig für Ihre beginnende Untersuchung benutzen.

Die vier Detektive sahen einander an, dann nahm Nick den heute Morgen erhaltenen Brief aus der Tasche, und zusammen verglichen sie nun die Handschriften der beiden Briefe.

»Es ist dieselbe!«, sagte Nick bestimmt.

»So ist es also von demselben Mann geschrieben!«, sagte Chick.

»Es ist nicht die Schrift eines Mannes, sondern einer Frau«, bemerkte Ida.

Nick trug die beiden Briefe an das Fenster, wo das Licht ungedämpft darauf fiel, und prüfte sie sorgfältig.

»Du hast recht, Ida«, sagte er, als er zum Tisch zurückkehrte. »Obwohl die Schrift schwer und männlich aussieht, ist es doch klar, dass eine weibliche Hand beide Briefe schrieb.«

Nun sah auch Chick sich die Schreiben genau an.

»Ida«, meinte Chick, »während du zweifellos recht hierin hast, scheint es mir, als ob wir deine Behauptung, dass wir den Grund für das geheimnisvolle Verschwinden in dem Vorleben Ellisons in England zu suchen haben, verwerfen müssen.«

Ida nahm den Umschlag des letzten Briefes auf, und, die Marke untersuchend, antwortete sie: »Eine Frau ist mit eingeschlossen, wie diese Briefe zeigen, und zwar hält sie sich sogar hier in der Stadt auf. Dieser Brief ist gegen drei Uhr nachmittags aufgegeben.«

»Um drei Uhr?«, fragte Nick erstaunt. »Weißt du das sicher?«

Ida gab ihm den Umschlag und sagte: »Sieh es dir selbst an, es ist auf der Hauptpost aufgegeben.«

»Dann«, sagte Nick, »wusste der Schreiber dieses Briefes von dem Verschwinden dies Bräutigams ebenso schnell wie wir.«

»Ich denke, sogar noch eher«, fiel Patsy ein.

»Meinst du, dass sie davon gewusst hat?«, fragte Nick.

»Vielleicht«, antwortete Patsy.

»Jedenfalls wusste sie, dass die Hochzeit stattfinden sollte, und ich denke«, sagte Ida, »dass es eine Dame ist, welche Mr. Ellison liebt und ihrer Rivalin Kummer bereiten möchte.«

»Wie in aller Welt fandest du das heraus?«, fragte Chick bewundernd.

»Ich fand gar nichts heraus, ich rate nur, wie Patsy.«

Sie lachte, als sie, zu Nick gewendet, fortfuhr: »Es ist eine Vermutung, welche sich auf das Verständnis für mein eigenes Geschlecht stützt.«

»Dem müssen wir auch unsere Aufmerksamkeit zuwenden«, sagte Nick. »Besonders in einem so dunklen und schwierigen Fall. Aber wenn wir erst einmal anfangen zu raten, könnten wir das noch eine ganze Zeit fortsetzen.«

»Wie zum Beispiel?«, fragte Ida.

»Wir können annehmen, da es ihr nicht gelungen ist, die Heirat zu verhindern, möchte sie die Gattin Ellisons verletzen.«

»Die Hauptsache ist jetzt«, sagte Chick, »dass wir den Schreiber des Briefes ausfindig machen.«

»Meister«, meinte Patsy, »verlieren wir nicht das eine ganz aus dem Auge, wenn wir immer an das geheimnisvolle Verschwinden denken?«

»In welcher Weise?«, fragte Nick.

»Well«, antwortete Patsy, »womit fing die Geschichte an? War es nicht eine Warnung, dass Sanborns Haus heute beraubt werden sollte? Ich kann es mir denken, wo der Anfang zu suchen ist.«

Mit Interesse wandten sich die drei zu Patsy, und Chick sagte lustig: »Teile uns deine Weisheit mit, mein großer Denker.«

Patsy wandte sich zu Chick mit einem lustigen Augenzwingkern: »Verletzt es dich so sehr, dass ich auch etwas weiß?«

»Komm«, sagte Nick, »erzähle uns, was du denkst.«

»Nun, Meister«, fing Patsy an, »Sie behaupten, beide Briefe sind von einer Person geschrieben.«

»Gewiss.«

»Well, die Frau, wenn es eine solche ist, wie Ida sagt, hatte vollständig recht, wenn sie schrieb, dass es versucht werden sollte.«

»Du meinst den Versuch, die Hochzeitsgeschenke zu rauben?«, fragte Nick.

»Ganz recht«, rief Patsy begierig. »Es wurde doch versucht. Nicht wahr?«

»Jawohl!«

»Dann musste aber die Person, welche die Briefe schrieb, alles vorher genau wissen. Ist dem nicht so?«

»Aber gewiss«, antwortete Nick lächelnd.

»Gut«, fuhr Patsy fort, »muss sie dann nicht auch die Leute kennen, welche die Arbeit bewerkstelligen sollten?«

»Ja«, gab Nick zurück, denn er sah, dass Patsys Ausführungen zu einem Ziel führten.

»Und die Person hat dir auch eine Andeutung gemacht, dass eine Frau der Grund zu Ellisons Flucht ist?«

»Stimmt!«

»Folglich muss sie auch wissen, wer diese Frau ist.«

»Ebenso richtig!«

»Wir müssen nun die Schreiberin des Briefes ausfindig machen«, fiel Chick ein.

»Das ist es ja, was ich sagen will«, fuhr Patsy fort. »Wir wissen, dass Lannigan, der bekannte Einbrecher aus Philadelphia, bei dem versuchten Diebstahl die Hand im Spiel hatte, und es ist klar, dass Lannigan die Schreiberin kennt, folglich müssen wir bei Lannigan den Anfang machen.«

Nick schlug vor Vergnügen die Hände zusammen und sagte: »Du hast uns gezeigt, Patsy, wonach wir so lange schon gesucht haben, nämlich einen Anfang für unser Unternehmen. Nun sollst du, Chick, mit Patsy gehen und Lannigan suchen, um ihn und seine Gesellschaft zu beobachten. Lasst nicht eher nach, bis ihr alles wisst, was sie unternehmen wollen.«

Ohne weitere Weisungen abzuwarten, gingen Chick und Patsy sofort an ihre Arbeit.

»Ich denke, Ida«, meinte Nick, »du wirst in diesem Fall sehr viel zu tun haben, darum ist es das Beste, du gehst nach Hause und ruhst dich diese Nacht gut aus. Was du zu tun haben wirst, wird sich danach richten, was die beiden diese Nacht ausfindig machen.«

Ida ging, und Nick beschäftigte sich damit, eine neue Verkleidung anzulegen.