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Der Hexer Band 39

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer, Band 39
Die Rache des Schwertes

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 30. September 1986, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: David B. Mattingly

Das Licht blendete mich; gleichzeitig drang es durch meine Haut, sickerte wie flüssiges Feuer in meinen Körper und begann ihn zu verzehren. Obwohl ich fühlte, dass dieses Licht einst ein Teil meiner selbst, etwas Vertrautes und Freundschaftliches gewesen war, brannte es jetzt unerträglich: Die Kraft, die es mir einst gegeben hatte, verzehrte mich nun. Schreiend wälzte ich mich herum und versuchte, das Feuer mit meinen Händen zu ersticken. Aber sie glitten durch die Flammen, ohne sie fassen zu können. Waren es überhaupt Hände?

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Von einer geheimnisvollen Sandrose nach Arabien gelockt, wird Robert Craven in einen Krieg verwickelt, der zwischen dem arabischen Kapitel der Tempelritter, den Beduinenvölkern der Wüste und einem gefährlichen Magier namens Nizar tobt. Nizar besitzt einen Rubin, das Auge des Satans, mit dessen Magie er sich zum Herrscher der Wüste aufgeschwungen hat. Die Beduinenstämme, die sich gegen seine Tyrannei auflehnen, macht seine Armee von Mumienkriegern blutig nieder. Die Templer sehen mit Schrecken, dass sich Nizars Macht immer weiter ausdehnt, und sie trachten danach, ihm den Rubin abzujagen. Doch Nizars Kräfte sind zu groß, und er wehrt die Templer ab. So erwecken zwei von ihnen, Renard de Banrieux und Guillaume de Saint Denis, ein Wesen, mit dessen Hilfe sie Nizar bezwingen wollen: einen Flaschengeist. Der Dschinn erscheint Guillaume in der Gestalt einer Frau – der Frau seiner Träume und verhext das Herz des Tempelritters. Doch selbst er kann gegen Nizar nicht bestehen. Aber es gibt noch eine Möglichkeit – einen fremden Zauberer, der ganz in der Nähe auftauchte: Robert Craven. Die Dschinn verspricht, Robert mit Nizar zu konfrontieren.

Derweil hat unser Hexer einiges durchgemacht: Von einer Armee-Einheit schottischer Highlanders aus den Klauen lynchwütiger Araber errettet, trifft er im Camp auf die Tochter des Kommandanten, Letitia, die sich prompt in ihn verliebt. Auf einem Ritt werden die Soldaten von Aufständischen überfallen und niedergemacht; allein Robert und Letitia überleben und treffen im Lager der Beduinen auf Ali, einen gefangenen Wüstenprinzen, dessen Volk sich gegen Nizar erhoben hat.

Nizars Vasallen tauchen auf und wollen die drei zu ihrem Herrn schaffen. Nach etlichen Wendungen, die hier nicht weiter aufgeführt werden sollen, steht Robert Nizar gegenüber. Doch der Kampf scheint hoffnungslos, Nizars Macht zu groß, da greift ein unsichtbares Wesen – die Dschinn – ein und hilft Robert. Die Quelle von Nizars Macht zersplittert, sein Zauber versagt. Der fette, sadistische Magier fällt nun seinen eigenen Kräften zum Opfer und vergeht. Der Rubin – das fünfte der SIEBEN SIEGEL DER MACHT, wie Robert nun erkennt – kann das Trugbild aus Wahnsinn und Tod nicht länger erhalten – die Festung erbebt, die Mumienkrieger zerfallen zu Staub.

Nur mit knapper Not gelingt den drei Freunden die Flucht aus Nizars einstürzender Burg, und sie kehren zu Alis Stamm zurück. Mittlerweile haben sich Ali und Letitia ineinander verliebt, und sie bleibt bei dem Wüstenprinzen. Robert verlässt mit einem Führer und dem Rubin das Lager …

 

*

 

Ich erwachte schreiend. Mein Körper war mit kaltem, klebrigem Schweiß bedeckt, und mein Herz hämmerte so schnell, als hätte ich einen Zehn-Meilen-Lauf hinter mir. In meinen Ohren war ein dumpfes, an- und abschwellendes Rauschen; bizarre Erinnerungsfetzen und Bilder schossen durch meinen Kopf, Szenen, die ich niemals gesehen oder erlebt hatte.

Es dauerte lange, bis ich dem Griff des Alptraumes weit genug entronnen war, um abermals die Augen öffnen zu können.

Diesmal war meine Umgebung so, wie sie sein sollte: Ich blickte gegen die Decke eines kleinen, nur auf zwei Stangen errichteten Zeltes, durch die das helle Licht der Sonne sickerte. Der Eingang stand offen.

Wind blies den feinen Wüstensand in das Zelt herein und hatte bereits damit begonnen, mich damit zuzudecken. Sand knirschte zwischen meinen Zähnen.

War es wirklich nur ein Alptraum gewesen?

Ich hatte … Dinge gesehen. Eine Gestalt mit schwarzen Tentakelarmen, die mir erschreckend real vorgekommen war. Aber nach allem, was ich in diesem staubigen Teil der Erde erlebt hatte, war es schließlich kein Wunder, wenn ich anfing, Gespenster zu sehen …

Ich verscheuchte die unangenehmen Bilder vollends aus meinem Bewusstsein – zumindest versuchte ich es –, setzte mich auf und tastete mit vom Schlaf verklebten Augen nach der Wasserflasche. Mein Gaumen brannte, und in meinem Mund war ein bitterer Geschmack, dass mir beinahe übel wurde. Hastig öffnete ich den Verschluss des Wasserschlauches, registrierte unbewusst, wie sonderbar leicht er sich anfühlte, und schüttelte ihn ein paarmal.

Er war leer. Sonderbar – ich hätte schwören können, dass er am Abend zuvor noch mindestens halbvoll gewesen war. Aber Wasser war nun gottlob das kleinste meiner Probleme, obgleich ich mich an einem der trockensten Orte des Erdballes aufhielt. Ich wälzte mich herum und steckte den Kopf aus dem Zelt.

»Hey, Mahmout, reich mir doch mal einen vollen Wassersack rüb…« Ich verstummte mitten im Wort, denn die Stelle, wo sich mein Begleiter gestern Abend zum Schlafen niedergelegt hatte, war ebenso leer wie der Wasserschlauch. Der Sand hatte sogar den Abdruck seines Körpers schon wieder zugeweht. Ebenso wie seine Spuren.

Noch immer nicht ganz wach, aber bereits von einem bohrenden Gefühl der Unruhe erfüllt, kroch ich aus dem Zelt, schüttelte mir den Sand aus den Haaren und rieb mit dem Handrücken über meine aufgesprungenen Lippen. Ausgerechnet jetzt meldete sich der Durst mit einer Heftigkeit, die mir sehr drastisch vor Augen führte, wie heiß es in diesem Teil der Wüste war. Und jetzt fiel mir auch auf, wie hoch die Sonne bereits am Himmel stand. Gestern Abend hätte ich Mahmout am liebsten erwürgt, als er gesagt hatte, dass wir um vier Uhr in der Frühe aufbrechen würden – einer Stunde, um die ich normalerweise zu Bett zu gehen pflegte. Jetzt war es mindestens zehn Uhr morgens, und von Mahmout war weit und breit nichts zu sehen. Von seinem Kamel übrigens auch nicht.

Ebenso wenig wie von meinem. Oder dem Packtier.

Um präzise zu sein, war unser gesamtes Lager verschwunden. Nur mein Zelt stand noch verlassen im Sand.

Ich vergaß schlagartig die letzte Spur von Müdigkeit, fuhr mit einem erschrockenen Laut herum und starrte in die Wüste hinaus. Nichts. So weit ich blicken konnte, erstreckten sich die gelbbraunen Sanddünen, nur hier und da unterbrochen von einem kantigen Felsen, der wie ein Riff aus den erstarrten Wellen eines braunen Meeres emporragte.

Es gab keinen Zweifel – Mahmout hatte sich im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Staube gemacht!

Und mich unter Umständen damit dem sicheren Tod preisgegeben.

Meine Lage war weniger spaßig, als ich im Moment bereits zuzugeben bereit war. Vier Tage waren vergangen, seit ich das Lager der Beni Assar verlassen hatte, um nach Alexandria zu reisen: Ali, der junge Scheik, hatte mir die drei Kamele geschenkt und mir Mahmout als Begleiter mitgegeben, um seine Dankesschuld für die Errettung seines Stammes aus den Klauen des wahnsinnigen Magiers Nizar abzutragen. Außerdem wollte er mich wohl aus dem Lager entfernen, bevor Letitia Mandon Trowne ihren Entschluss bereuen konnte, ihn zu heiraten.

Mir war es recht. Ich hätte wirklich nur ungern diese junge Dame in die Zivilisation zurückbegleitet. Unmittelbar nach den Ereignissen in der Festung der Dschinn hatte sie zwar Angst, ja fast schon Abscheu vor mir und meiner magischen Macht empfunden, doch mittlerweile hatte der Gedanke an mein Bankkonto diese Furcht arg gedämpft, so dass ich froh war, das Beduinenlager verlassen zu können. Und ich hatte eine ziemlich deutliche Vorstellung davon, wer die Heirat wohl eher bereuen würde als Letitia.

Jetzt bedauerte ich, so rasch zum Aufbruch gedrängt zu haben. Obwohl sich etwas in mir noch gegen diesen Gedanken sträubte, musste ich die Tatsache hinnehmen, dass mich Mahmout nicht nur führer-, sondern auch wasser- und lebensmittel- und zu allem Überfluss völlig orientierungslos in der Wüste zurückgelassen hatte. Und das war ganz und gar nicht komisch, denn ich hatte weder eine Ahnung, wo ich war, noch in welche Richtung ich zu gehen hatte, um irgendwohin zu kommen.

Die nächsten fünf Minuten verbrachte ich damit, Mahmout nach Kräften zu verfluchen und alle Schimpfworte herunterzubeten, die ich von Ali gelernt hatte. Dieses diebische Stück hatte wirklich keine Zeit verloren. Selbst wenn der Wind nicht gemeinsame Sache mit ihm gemacht und seine Spur bereits verweht hätte, hätte es wenig Sinn gehabt, ihm zu folgen. Die Wüste zu Fuß zu durchqueren, war vollkommen aussichtslos. Die Temperaturen pflegten hier gegen die Mittagszeit um vierzig oder fünfzig Grad Celsius zu liegen.

Im Schatten. Aber es gab keinen.

Als wäre dieser Gedanke ein Anstoß gewesen, spürte ich plötzlich, wie stark die Sonne schon jetzt vom Himmel brannte. Die Wüste war bereits so aufgeheizt, dass die Hitze durch die Sohlen meiner Schuhe drang. Ich war in Schweiß gebadet, obgleich ich mein Nachtlager erst vor wenigen Augenblicken verlassen hatte.

Ich stolperte zum Zelt zurück und kroch auf Händen und Knien hinein. Aber auch hier fand ich keinen Schutz gegen den Biss der Sonne, die durch die dünne Leinwand hindurchbrannte, als wäre sie gar nicht vorhanden. Die Luft hier drinnen war so stickig und heiß, dass jeder Atemzug schmerzte. Verzweifelt öffnete ich die Schnur des Wasserbeutels und sog die wenigen Tropfen, die noch in ihm waren, gierig heraus. Es reichte nicht einmal aus, meine Lippen zu benetzen.

Ich fragte mich, welchen Grund Mahmout für seinen Verrat gehabt hatte. Im Normalfall ließ ein Beduine niemanden, der ihm anvertraut war, im Stich. In meiner ersten Überlegung unterstellte ich ihm Habgier. Mein Stockdegen, der ihn vielleicht hätte reizen können, lag jedoch halb vom Sand verdeckt neben der Decke, auf der ich geschlafen hatte. Rasch tastete ich den kleinen Beutel ab, in dem ich meine persönliche Habe verstaut hatte. Es war noch alles vorhanden, auch das Siegel, dessen magische Energien ich selbst durch den Stoff und das Leder hindurch spürte.

Damit blieben nur die Kamele übrig. Drei Dromedare stellten für einen armen Araber sicherlich eine Verlockung dar. Aber sie gegen den Zorn Scheik Alis einzutauschen, der ihn um die halbe Welt jagen würde, wenn er von seinem Verrat erfuhr – nein, so dumm konnte Mahmout nicht sein.

Angst?

Es war möglich. Obgleich ich ihren Scheik gerettet und ihr Volk vor der Knechtschaft bewahrt hatte – zumindest hatte ich mitgeholfen, es zu tun –, hatte ich die Furcht gespürt, mit der die Beni Assar mich anblickten, wenn sie glaubten, ich merkte es nicht. Mahmout konnte in mir … irgendetwas eben gesehen haben. Vielleicht einen Abgesandten des Schejtan. Vielleicht einen Dschinn. Vielleicht auch nur einen Narren, den er getrost in der Wüste zurücklassen konnte, ohne dass sein Fehlen irgendjemandem auffiel. Dazu war ich noch ein Ungläubiger für ihn, ein Giaur. Somit würde ihm der Verrat, den er mir gegenüber begangen hatte, nicht den Eintritt in das Paradies verwehren.

Allerdings war ich zu diesem Zeitpunkt dem Paradies weit näher als Mahmout. Ich war mir alles andere als sicher, ob ich den heutigen Tag ohne Wasser überhaupt überstehen würde. Ich würde mich frühestens am Abend auf den Weg machen können, und bis dahin hatte mich die Hitze wahrscheinlich schon so ausgelaugt, dass ich nicht mehr in der Lage war, ein Bein vor das andere zu setzen.

Die verschiedensten Ideen schossen mir durch den Kopf, wie ich meine Kräfte erhalten konnte. Die meisten von ihnen waren von vornherein sinnlos, da mir die Möglichkeiten fehlten, sie in die Tat umzusetzen. Die einzige Chance, die ich noch sah, war, mich wie ein Skorpion im Sand einzugraben. Ich raffte meine Decken zusammen, legte sie griffbereit neben mich und begann zu schaufeln. Der Sand fühlte sich unter meinen Händen so heiß an, dass ich mein Vorhaben beinahe aufgegeben hätte. Außerdem rutschte er immer wieder in das Loch zurück, so dass ich große Mühe hatte, mir die Grube zu graben, die hoffentlich nicht mein Grab werden würde.

Meine Muskeln begannen sich schon bald zu schmerzhaften Stricken zusammenzuziehen. Wahrscheinlich war es nur noch meine Wut auf Mahmout, dem ich die Pest auf den Hals wünschte, die mir die Kraft gab, weiterzumachen. Schließlich behauptete mein überanstrengter Körper, dass das Loch groß genug sei. Ich legte mich hinein und schaufelte den Sand über mich, so dass nur mein Gesicht freiblieb. Zu meiner Überraschung fühlte sich der Sand in der Grube angenehm kühl an. Erleichtert schloss ich die Augen, schickte Mahmout noch einen lautlosen Fluch hinterher und fiel in einen Dämmerzustand, der halb zwischen Schlafen und Wachen lag, um meine Kräfte zu schonen.