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Elbsagen 62

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

63. Der glückliche Schatzgräber in Schönebeck

Die drei Städte Schönebeck, Großsalze und Frohse sind nicht bloß durch das in ihrer Nähe befindliche große Salzwerk, sondern auch wegen ihrer günstigen Lage an der Elbe schon frühzeitig recht lebendige Verkehrsstätten gewesen. So ist es gekommen, dass in ihnen viele Familien sich durch Wohlstand auszeichneten. Einer der Reichsten war in der Mitte des 16. Jahrhunderts der Holz- und Getreidehändler Lorenz Sauer zu Schönebeck, der eins der schönsten Häuser am Markt daselbst besaß und von dem die Leute sagten, dass er sein Geld, statt es zu zählen, nur mit Scheffeln oder nach dem Klasterstab zu messen pflege. Er führte auch einen seinem Vermögen angemessenen Haushalt und kein Fürst brauchte sich seiner Einrichtung im Haus und Garten zu schämen. Dieser Mann besaß einen einzigen Sohn, den er ebenfalls zum Kaufmann erzog und alle großen Handelsstädte besuchen ließ, um ihn für seinen Beruf gehörig auszubilden. Allein der junge Mann hatte auf seinen Reisen auch schlechte Gesellschaft kennen gelernt. Als sein Vater gestorben war, da wusste jeder, dass er mit seinem Vermögen bald fertig werden würde. So geschah es auch. Seine maßlose Verschwendung, falsche Freunde und Schmeichler halfen ihm fleißig ausräumen. Bald war von dem großen Vermögen seines Vaters auch nicht eine Scholle Erde mehr sein Eigen. Aus Scham über sein verlorenes Glück beschloss er, seine Vaterstadt, an welche ihn nichts mehr band, zu verlassen. Er wanderte zerrissenen Herzens nach Großsalze, wo ihn ein ehemaliger Diener seines Vaters, der dort kärglich sein Brot verdiente, aus Mitleid in sein Haus aufnahm. Er sah sich nun genötigt, sich seinen täglichen Unterhalt mit seiner Hände Arbeit zu suchen. Dort machte er auch die Bekanntschaft eines jungen Mädchens, das ihm aber auch nichts als seine Hand bieten konnte. Er sann nun auf Mittel und Wege, wieder zu etwas Geld zu kommen, um sich einen Hausstand zu gründen. Da fiel ihm ein, dass er unter den Papieren seines Vaters noch einige Schuldscheine von früheren Geschäftsfreunden seines Vaters habe. Er beschloss, sich auf den Weg zu machen und so viel als möglich von jenen Resten einzutreiben. So wanderte er denn manchen schönen Tag. Allein, wo er auch anpochte, nirgends fand er günstige Aufnahme. Im Gegenteil, man wies ihn überall unfreundlich ab und keiner wollte von solchen alten Schulden mehr etwas wissen. So kam er auch eines Abends in ein rings von hohen Bergen und Wald umschlossenes einsames Tal. Vor Müdigkeit sank er ins Gras und schlief, ohne es zu wollen, vor Erschöpfung ein. Im Traum erschien ihm ein Greis, der ihn aufforderte, nach Schönebeck zurückzugehen und dort in der Johannisnacht im Garten eines Hauses, welches er ihm näher bezeichnete, nach einem Stein mit der Jahreszahl 1291 zu suchen. Unter demselben liege eine große Summe durch ein schweres Verbrechen erworbenen Geldes vergraben. Dies möge er heben und dadurch auch seine Erlösung herbeiführen. Beim Erwachen erinnerte er sich, dass etwas in dem Traum auf Wahrheit begründet sei, nämlich das Vorhandensein des Steins mit der genannten Jahreszahl. Dieser befand sich in dem Garten seines väterlichen Hauses. Er hatte die Jahreszahl oft selbst gesehen, sich aber nichts dabei gedacht. Er beschloss also, sofort in seine Heimatstadt zurückzukehren, und, wenn irgend möglich, den im Traum verheißenen Schatz zu heben. Um dies aber ausführen zu können, musste er sich wieder in jenes Haus Eingang zu verschaffen suchen. Dies konnte er nur auf eine Weise: Er musste bei dem neuen Besitzer desselben als Gehilfe in seinem Handelsgeschäft in Dienst zu kommen versuchen. So schwer es ihm auch wurde, er ging zu ihm hin, bewarb sich um eine geringe Ladendienerstelle, und es gelang ihm auch, sie zu erhalten. Er bekam ein kleines Stübchen in dem Haus, das er einst sein Eigen genannt hatte, angewiesen. So verging fast ein ganzes Jahr. Da kam der Johannistag heran. Glücklicherweise war sein neuer Herr mit seiner ganzen Familie verreist. So war er allein im Haus und konnte von niemand an seinem Unternehmen gehindert werden. Mochte es nun sein, dass sein ganzer Geist mit diesen Schatzgräbergedanken angefüllt war, oder war es wirklich höhere Bestimmung. Genug, er träumte in der unmittelbar dem Johannistag vorangehenden Nacht, sein Vater erscheine ihm in ein weißes Gewand gehüllt, zeige mit der Hand auf den Boden und sei dann wieder verschwunden. Er erwachte in Schweiß gebadet, gerade als die Turmuhr zwölf schlug. Allein er hielt dies auch für einen Befehl aus höherer Hand, sprang aus dem Bett, ergriff einen Spaten und eilte damit zu jener Stelle, wo der bewusste Stein, wie er sich früher schon überzeugt hatte, noch an seiner Stelle lag. Beim Licht des Mondes fing er an, eifrig zu graben, stieß bald auf etwas Hartes, und siehe, schnell förderte er ein eisernes Kästchen zutage, das nur einfach zugeklappt war. Schnell eilte er damit auf sein Zimmer, machte Licht und öffnete es. Gleich obenauf lag ein Papier, das mit der Hand seines Vaters an ihn überschrieben war.

Dieser schrieb darin, eine innere Stimme habe ihm gesagt, dass sein Sohn das ererbte Vermögen bald leichtsinnig verschleudern werde. Deshalb habe er hier unter diesem Stein eine Anzahl wichtiger geldwerter Papiere vergraben, um ihm, wenn er einst in Not geriete, wieder aufzuhelfen. Auch war auf dem Zettel gesagt, dass im Haus selbst, unter den Dielen eines näher bezeichneten Zimmers, noch eine ansehnliche Summe Geldes in Goldstücken verborgen sei. Da nun der Sohn zufällig gerade dieses kleine Zimmer bewohnte, so gelangte er schnell und ohne Schwierigkeiten wieder in den Besitz des versteckten väterlichen Eigentums. Dieses Mal aber wandte er es besser an. Er heiratete seine Geliebte und kam auch bald wieder in den Besitz seines väterlichen Hauses, da dessen bisheriger Besitzer mittlerweile gestorben war, und gründete wieder eine geachtete Kaufmannsfamilie, die erst nach der Zerstörung Magdeburgs durch die Schweden erloschen ist.