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Dreizehn Jahre im Wilden Westen – Kapitel XXII

Dreizehn Jahre im Wilden Westen
Oder: Abenteuer des Häuptlings Sombrero
Nürnberg, 1877

XXII. Ablösung. Flanigans Gefecht mit Indianern. Wie man in Texas Neger begräbt. Prärieratten. Verkleidete Indianer. Überfall der Post durch Indianer.

Als ich zurück nach Fort Concho kam, bezogen wir ein großes Haus als Kompaniequartier, wo die Flöhe eine furchtbare Größe erreichten, sodass ich einen an einer Kette bei meinem Bett befestigte, welcher als Wachhund Dienste tat und die kleinere Art nicht beikommen ließ.

Bald mussten wir wieder für einige Tage nach Indianern, die Kiowa Springs angegriffen und sechzig Maultiere genommen hatten, umschauen. Dort war nämlich eine kleine Schnapshütte, von einem alten Mann, Flanigan, bewohnt, der allerhand Kleinigkeiten wie Tabak, Schnaps, Zündhölzer, Mehl, Speck usw. zu verkaufen hatte. Dabei war es viele Meilen weit das einzige Wasser und wurde deshalb von Frachtzügen und Reisenden zum Halteplatz gemacht. Diese Nacht kampierte ein Wagenzug, mit Brettern für Fort Concho geladen, gerade vor Flanigans Tür. Die Maultiere waren alle an den Wagen festgebunden, die Treiber (Fuhrleute) hatten ihr Bett von den Wagen weg ins Gebüsch gemacht, außer einem Mexikaner, der in seinem Wagen schlief. In der Stille der Nacht kamen ungefähr einhundert Indianer, deren Gebiet in Mexiko lag, geschlichen und fingen an, in aller Ruhe die Maultiere loszuschneiden. Der Mexikaner im Wagen hörte sie, gab den Alarm und wurde für seine Mühe sogleich getötet und skalpiert; doch war alles wach geworden und der Kampf begann. Die Fuhrleute, von ihren Wagen abgeschnitten, mussten sich vor der Übermacht ins Gebüsch zurückziehen. Flanigan, der viele Waffen im Hause hatte und immer betrunken war, eröffnete das Feuer. Bald wurde das Haus stark angegriffen. Flanigan ließ sich jedoch nicht stören. Er hatte eben zwei Häuptlinge vor der Tür erschossen. Als die Indianer hervorsprangen, um sie wegzutragen, sprang auch Flanigan zur Tür hinaus, ergriff einen der toten Häuptlinge beim Kopf, zog ihn schnell ins Haus und fing dann mit doppelter Wut den Kampf aufs Neue an. Die Fuhrleute hatten sich wieder hergemacht und eröffneten von der Seite ein tödliches Feuer auf die Indianer, die sich bald zurückzogen, die noch lebenden Maultiere mitnehmend; denn etliche dreizehn lagen tot umher, während des Kampfes erschossen. Auch verloren die Indianer viele Krieger. Da sie aber ihre Toten immer mit fortnehmen, so kann man ihren Verlust nur beiläufig schätzen. Flanigan skalpierte seinen Häuptling, nahm seine Waffen und schleppte den Körper hinaus, wo ihn seine Schweine bald auffraßen. Darauf feierte er den Sieg mit einem Fässchen Schnaps derartig, dass, als wir am nächsten Tag dort ankamen, wir ihn im Hof liegend in einem heftigen Anfall von Delirium tremens fanden. Nachdem wir zehn bis zwölf Eimer Wasser über ihn gegossen hatten, kam er zu sich. Dann trugen wir ihn ins Haus, wo er den Skalp am Fenster in der Sonne zum Trocknen hängen hatte, und verließen ihn.

Wir ritten einhundert englische Meilen in zwei Tagen, was unsere neuen Rekruten, die das Reiten nicht gewohnt waren, für acht Tage unzurechnungsfähig machte, mussten aber, da die Indianer in mexikanisches Gebiet übergegangen waren, die Verfolgung aufgeben. Drei Mann, die zur Bewachung der Station Kiowa Springs da waren, fand man am Morgen nach dem Kampf vier Meilen von der Ranch auf einem großen Eichbaum sitzend, wo sie sich sicherer hielten als auf dem Kampfplatz.

Da in der Nähe des Lagers ein alter Neger gestorben war, der allein gelebt, weder Freunde noch Angehörige hatte und doch begraben werden musste, so wurden einige von unseren Sträflingen unter Wache hingeschickt, um das Nötige zu besorgen. Es hatte ihm jemand ein neues Hemd und Unterhosen angezogen, doch war ihm während der Nacht von den Ratten die Nase abgefressen worden, sodass der alte schwarze Kerl ganz eklig aussah. Als Brethen, einer der Sträflinge, die neue Wäsche an dem Neger sah, erinnerte er sich, dass die seinige alt und schmutzig war, ging gleich an die Arbeit und tauschte Unterkleider mit dem toten Neger. Nachdem sie ihn hinausgetragen hatten, fanden sie, dass es zu viel Arbeit koste, um ein Loch groß genug für den Sarg zu graben, nahmen daher den Leichnam heraus, verkauften die Bretter des Sarges für eine Flasche Schnaps und scharrten den Toten in etwas losen Sand ein, wo ihn während der Nacht die Wölfe und Kojoten wieder ausgruben und verzehrten.

Die Jungen brachten wieder einen kleinen Bären herein und übergaben ihn mir zur Erziehung. Auch hatte ich kurz zuvor einen jungen Wolf bekommen, der schon ganz zahm im Lager herumspazierte, wurde mir aber ein Jahr später, da er nächtliche Visiten in Hühnerhäusern anstellte, erschossen. Auch kamen eines Nachmittags bei einem fürchterlichen Sturm zwei Rebhühner in das Haus spaziert, die ich sogleich fing, einsperrte und fütterte. Nach vier Tagen ließ ich sie wieder heraus, sie gingen aber nicht mehr fort, sondern blieben im Haus, fraßen jedem aus der Hand und flogen bei schönem Wetter oft meilenweit in die Prärie, kehrten aber regelmäßig nach Hause zurück, bis einer bei einem solchen Ausflug vom Geier aufgefangen wurde, worauf das andere nicht mehr fraß, fortwährend lockte und nach einigen Tagen verschwand.

Unsere Pferde wurden jeden Tag einige Meilen vom Lager auf die Weide getrieben. Es kam an mich zwei Mal die Woche die Reihe, mit drei Mann an Herde zu gehen, wo ich mich den Tag über mit Ratten fangen, Schlangen totschlagen und anderen naturwissenschaftlichen Künsten amüsierte. Es gibt in Texas und in Südamerika eine Ratte, die etwas größer als die europäische Ratte ist, einen kürzeren Schwanz hat und einen kurzen Kopf, der mit Backentaschen ver­sehen ist. Sie bauen ihr Nest hauptsächlich unter großen Kaktuspflanzen, deren Blätter ihnen zur Nahrung dienen. Ihr Nest besteht aus einigen Gängen in der Erde, worauf ein zwei bis drei Fuß hoher Haufen von trockenem Holz, Knochen, Steinen und was sie sonst noch finden können, gebaut ist. Man findet oft Sachen darauf, welche herzuschleppen eine sehr große Kraft beansprucht, die man bei einem so kleinen Tier nie suchen würde. Da es in Texas sehr viele Nussbäume gibt, ja sogar ganze Waldungen davon, so sammeln diese Tiere im Herbst die abgefallenen Nüsse. Wir hatten einmal schon einen Wassereimer voll in einem einzigen Nest gefunden. Darunter wird man auch nicht eine schlechte finden, welche sie ganz genau kennen und liegen lassen.

Als sich einer von unseren Leuten, der sehr betrunken war, unter einen Baum legte und den Schlaf des Gerechten, das heißt, wie ein Mann, der für seinen Schnaps bezahlt hat, schlief, krochen ihm einige Mücken in die Nase, wo sie ihre Eier legten. Die Würmer fraßen sich in sein Gehirn hinein, sodass er gegen Abend bereits wahnsinnig wurde und trotz aller Bemühungen des Arztes nach vierundzwanzig Stunden starb.

Büffel waren nun sehr zahlreich in der Nähe des Forts. Beinahe jeden Tag gingen Jagdzüge hinaus und kehrten mit großen Ladungen Fleisch zurück. Eine Partie von fünf Mann machte sich einmal auf den Weg, einen einspännigen zweirädrigen Wagen mitnehmend, um darauf das Fleisch heimzubringen. Kaum waren sie fort, als eine andere Partie sich fertig machte, deren Vorsatz war, jener auf dem Heimweg nachts aufzulauern und sie, als Indianer verkleidet, anzugreifen. Dabei wurde vorausgesetzt, dass beim ersten Feuer und Kriegsgeschrei die erste Partie die Flucht ergreifen und ihren Wagen stehen lassen würde, welchen dann die Scheinindianer im Triumph nach Hause zu bringen gedachten.

Es war gegen acht Uhr abends, als der Jagdzug langsam im dichten Wald daher fuhr, den Ufern des North Concho River entlang, wo es schon ganz finster war, als auf einmal vom Gebüsch her das Kriegsgeschrei der Comanchen ertönte und ein Kugelregen über ihre Köpfe dahinsauste. Anstatt nun davonzulaufen, wie das Programm es hatte, sprangen die Jäger vom Wagen, nur einen Mann zurücklassend, der das Pferd zu halten hatte, und gingen im Sturmlauf auf das Dickicht los, einen solchen Kugelregen hineinwerfend, dass sich unsere Indianer beinahe den Hals brachen, um ihr Leben zu retten. Einer sprang in den Fluss und schwamm ein Stück weit, wobei er seinen Hut verlor. Ein anderer zog seine Stiefel aus und warf sie weg, um schneller laufen zu können. Ein Dritter verlor in der Eile die Richtung, lief die ganze Nacht in der Wildnis herum und erreichte das Camp erst am nächsten Tag. Kurz, sie erlitten eine große Niederlage und durften nur froh sein, dass sie mit heiler Haut davongekommen waren, mussten aber noch oft schlechte Witze über ihren Angriff hören.

Da die Kompanie sehr viele Speiseabfälle hatte, wurde beschlossen, eine Anzahl Schweine damit zu mästen. Ein Trupp ging fort und kehrte bald mit einem Dutzend Schweine, die sie gekauft hatten, zurück. Der Wagen wurde zum Schweinestalle gefahren und das Ausladen begann, woran die ganze Kompanie teilnahm. Da die edlen Tiere aber sehr mager und wild waren, gingen einige derselben durch. Ein Wettrennen über die Prärie, wie wir es nach diesen Schweinen hatten, sieht man nicht oft. Einem liefen wir fünf Meilen weit nach und dann kam es noch durch. Wir verloren ungefähr vier Stück trotz allem Laufen, doch in kurzer Zeit vermehrten sich die übrig gebliebenen so stark, dass wir jede Wochen ein paar fette Schweine schlachten konnten. Als wir Fort Concho verließen, verkauften wir noch zweihundert Stück.

Eines Tages mussten wir alle unsere Schimmel hergeben und bekamen dagegen Füchse und Rotschimmel, um die Pferde einer Kompanie so einfarbig wie möglich zu haben. Ich musste daher mein gutes Pferd Tom, das ich so lange geritten hatte, abgeben, welches dann unser Hauptmann für sich selbst kaufte. Doch hatte ich das Recht der ersten Wahl bei den neuen Pferden. Ich suchte mir einen großen Fuchs, der ein sehr gutes, aber störrisches Pferd war. Schon beim ersten Beschlagen schlug er den Hufschmied derartig auf den Mund, dass er einige Zähne dabei verlor und ihm nicht mehr nahe ging, sodass ich ihn immer selbst beschlagen musste.

Jeden Sonntag hatten wir Inspektion zu Pferd, was allerliebst mit anzusehen war, denn da die Pferde nicht daran gewöhnt waren und auch die Mannschaft sich nur selten in voller Uniform bewegte, so ging es besonders mit dem Aufsitzen etwas hart her. Sobald das Kommando gegeben war und das Säbelgeklapper begann, wurden die jungen Pferde unruhig, fingen an zu springen und sich zu bäumen, sodass das Aufsteigen mit großen Schwierigkeiten verknüpft war. Wenn einem nicht gewandten Reiter der Säbel dabei zwischen die Beine kam und der Karabiner das Pferd an der Seite berührte, so wurde er gewöhnlich abgeworfen, besonders wenn sich gute Freunde zudem das Vergnügen machten, die Pferde der Rekruten mit Sporen oder Säbel etwas aufzustacheln.