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Jack Lloyd Folge 36

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Ein Geheimnis

Elena und Jack sahen sich einen Moment in dem Raum um. Er wirkte behaglich eingerichtet. Da war eine Sitzgruppe, ein Kamin, in dem ein Feuer brannte, und ein großer Tisch, um den eine Reihe von Stühlen wie bei einer Essenstafel standen. Jack, der das Gefühl hatte, dass der Boden unter seinen Füßen langsam immer heißer wurde, wusste nicht, was er von der Situation halten sollte. Elena hatte dem Comte vorgeschlagen, ihm die ganze Geschichte zu erzählen. Wenn das die Geschichte war, an die auch Jack sich erinnerte, dann würde es dem jungen Kapitän bald schlecht ergehen. Wenn Elena versuchen wollte, dem alten Mann ein weiteres Lügenmärchen aufzutischen, dann war die Gefahr da, dass sie sich immer weiter verstrickte und schließlich ihr ganzes Lügengebilde in sich zusammenbrach. Wie man es auch drehte, es war eine schier ausweglose Situation. Seine mangelhafte Bewaffnung und die Wachen im Raum taten ihr Übriges, den jungen Mann vollends nervös zu machen. Der Comte, bei dem Jack das Gefühl hatte, er würde jeden seiner Gedanken lesen, sah den jungen Kapitän mit einem freundlichen Lächeln an.

»Ich habe gehört, Ihr kommt aus der alten Heimat? Aus welcher Ecke unseres geliebten Heimatlandes genau?«

»Aus Toledo«, log Jack, in der Hoffnung nichts Falsches zu sagen. Der Comte nickte langsam und die Tatsache, dass Elena nicht zusammenzuckte, gab Jack das Gefühl, noch keinen Fehler gemacht zu haben.

»Und warum wurden wir uns in der Vergangenheit nicht vorgestellt, de Mendoza?«

»Diese Frage, mein lieber Comte, kann ich Euch nicht beantworten. Ich nehme an, es könnte daran liegen, dass ich mein Leben eher dem Kaufmannshandwerk gewidmet habe, als dem Leben eines Adligen.«

De Canero sah seinen Gegenüber für einen Moment prüfend an.

»Ich kenne Euren Onkel, mein Junge. Wenn Ihr der seid, für den Ihr Euch ausgebt, dann ist er ein sehr fähiger Mann. Bislang geben Eure Worte mir keinen Anlass, daran zu zweifeln. Viel mehr ist der Comte de Mendoza schon oft an seinem Neffen verzweifelt, der lieber auf Handelsfahrten rund um die Welt gehen wollte, als bei Hofe eine einflussreiche Stellung einzunehmen, wie es seine Möglichkeiten gewesen wären. Aber dieser Neffe nannte seinem Onkel immer wieder einen und denselben Grund für seine Liebe zum großen Abenteuer. Ihr werdet sicher nichts dagegen haben, wenn ich Euch nach diesem Grund frage?«

Elena warf Jack einen Blick zu, von dem sie hoffte, dass der Comte ihn nicht sah. Dass der echte Comte de Mendoza einen Neffen hatte, der bislang genau auf die Beschreibung Jacks passte, konnte nur ein absoluter Zufall sein. Aber Elena war sich sicher, dass ihr Glück in diesem Augenblick aufgebraucht sein würde. Es sei denn … was, wenn es gar kein Glück war? Aber woher hätte Jack wissen sollen …?

»Ich pflege meinem lieben Herrn Onkel zu sagen, dass es nichts Besseres gibt, als den weiten Himmel über dem Kopf und das ungezähmte Meer unter den Planken zu meinen Füßen. Wo könnte ich meinem Herrn und Gott näher sein?«

Das Lächeln auf den Zügen des Comte wurde tiefer. Dann streckte er Jack eine Hand entgegen.

»Verzeiht mein Misstrauen, junger Freund. Ich glaube, Ihr wüsstet nicht, was Ihr wisst, wäret Ihr nicht, wer Ihr zu sein vorgebt.«

»Es gibt nichts zu verzeihen, Comte. In diesen Tagen kann man nicht vorsichtig genug sein.«

De Canero nickte. Dann wandte er sich an die beiden Wachen.

»Ich glaube, ich werde euch heute Abend nicht mehr brauchen, Seniores. Verseht Euren Dienst wieder in der Halle.«

Die Männer deuteten eine Verbeugung an und verschwanden ohne ein weiteres Wort aus dem Raum.

Elena, die noch immer nicht glauben konnte, was sie gerade gesehen und gehört hatte, schaute völlig verduzt von Jack zum Comte und zurück. Der Engländer hatte schon für einen Augenblick Angst, de Canero könnte durch ihre Reaktion erneut misstrauisch werden. Doch den alten Comte schien Elenas Erstaunen gar nicht zu interessieren. Er deutete mit den Händen auf die Sitzecke vor dem Kamin.

»Wollen wir nicht Platz nehmen? Ich bin begierig darauf, Eure Geschichte zu hören, Elena.«

Die drei setzten sich in die schweren Sessel, und Elena starrte einen Moment in die Flammen. Sie hatte Einiges erwartet, aber nicht, dass sich das Blatt so wenden würde. Der Comte ließ der jungen Frau einen Moment Zeit, um sich zu sammeln. Dann räusperte er sich vernehmlich.

»Elena?«

»Ja, Comte?«

»Eure Geschichte? Warum behauptet man, Ihr wäret tot, wenn dem gar nicht so ist?«

»Eine interessante Frage, Comte«, murmelte Elena leise, während sie Jack von der Seite ansah. »Eine wirklich interessante Frage. Wenn ich die Antwort darauf wüsste, glaubt mir, dann würde ich mich schon wesentlich wohler fühlen.«

Fortsetzung folgt …

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