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Schinderhannes – Zwölftes Kapitel

Leben und Taten des berüchtigten Johann Bückler, genannt Schinderhannes
Für Jung und Alt zur Lehre und Warnung aufs Neue geschrieben von W. Fr. Wüst, Reutlingen 1870
Druck und Verlag von Fleischhauer & Spohn

Zwölftes Kapitel

Die letzten Unternehmungen des Schinderhannes auf dem linken Rheinufer

Zwei Einbrüche sind es, die Schinderhannes noch auf dem linken Rheinufer ausführte, ehe er sich auf die rechte Seite begab, um nie wieder dorthin zurückzukehren. Er hatte einige neue Gesellen angeworben, auf deren Unerschrockenheit und Geistesgegenwart er sich verlassen konnte. Mit diesen machte er einen Einbruch bei dem Pächter Zürcher auf dem Neudorfer Hof bei Lettweiler. In der Nacht vom 12. auf den 13. Februar 1802 erschien er vor dem Hoftor und verlangte Einlass. Der Pächter ahnte nichts Böses und ließ das Tor öffnen. Schinderhannes trat mit drei Mann ein; die Übrigen blieben an der Tür. Der Bauer musste aufstehen und Speisen und Getränke herbeischaffen. Dann rückte Schinderhannes mit seiner Geldforderung heraus, worauf jener ihm die Schlüssel zum Schrank überreichte. Die 10 Gulden, die sich hier fanden, befriedigten die Räuber nicht. Der Mann wurde nun zu Boden geworfen, gebunden und gefragt, wo er das Gelb habe, das er vor Kurzem in Lettweiler eingenommen habe. Man band ihn los und er führte die Räuber an den Platz, wo die eingenommenen 100 Gulden und noch überdies 12 Karolin lagen, die er aus verkauften Ochsen gelöst hatte. Nun brachte man ihn wieder in die Stube, knebelte ihn abermals und drohte ihm, dass man ihm alle seine Pferde fortnehmen werde, wenn er nicht alles Geld hergebe, das er habe. Einer der rohen Gesellen setzte dem unglücklichen Mann ein brennendes Licht an die Brust, um ein Geständnis zu erzwingen, wo er sonst noch Geld habe. Er bat, ihm einige Tage Zeit zu lassen, dann wolle er ihnen Geld geben, so viel er zusammenbringen könne. Die Räuber verlangten 400 Gulden, begnügten sich aber nach langem Feilschen endlich mit 300 Gulden. Nun fing die Plünderung des Hauses an. Es wurden eine silberne Uhr, eine Flinte, ein Paar Stiefel, eine Menge anderer Kleidungsstücke, ein Fernrohr, Fleisch usw. fortgeschleppt. Ehe die Räuber sich wieder entfernten, sagte einer derselben zu dem Pächter, er müsse viel Feinde haben, die ihnen alles gesagt hätten, was bei ihm zu finden sei. Wenn er die 300 Gulden vollends bezahlt habe, so wolle man ihm alle seine Feinde nennen.

Es war wirklich sehr auffallend, dass Schinderhannes genau wusste, wie viel Geld und welche Sorten der Pächter eingenommen hatte. Dieser erkannte unter den Räubern nur den Schinderhannes.

Sieben Tage nach diesem Vorfall erhielt der Pächter eine Mahnung wegen der 300 Gulden. Er war aber nicht zu Hause. Abends kam schon die zweite Erinnerung, verbunden mit Drohungen. Der Pächter hatte aber nur die Hälfte zusammenbringen können, die er ihm schickte und wobei er zugleich um Nachlass des Restes bat. Schinderhannes ließ mit seinen Forderungen nach.

Der fernere Einbruch geschah bei einem Müller in Merxheim. Auch hier wurden die Hausbewohner auf eine höchst brutale und empörende Weise misshandelt. Der Raub betrug an Geld und Kleidungsstücken gegen 200 Gulden. Eilends machten sich nun die Räuber aus dem Staub. Schinderhannes suchte auf dem rechten Rheinufer seine Frau auf und hausierte einige Zeit. So ging der Winter vorüber.

Die letzten Räubereien und die dabei ausgeübten Gewalttätigkeiten hatten zur Folge, dass Schinderhannes überall auf Steckbriefen verfolgt wurde und sich der Ruf von seinen Übeltaten immer mehr und mehr verbreitete. Da wurde freilich auch gar vieles auf seine Rechnung geschrieben, was er nicht getan hatte. Räubereien und Mordtaten, auf dem rechten Rheinufer begangen, sollten ihn zum Urheber haben, während er vielleicht 10 Stunden von dem Ort des Verbrechens in dieser Zeit entfernt war. Er galt als der wahre Überall und Nirgends, und weit und breit in der Gegend hielt ihn das Volk für einen Hexenmeister, den man gar nicht einfangen könne, weil er sich zur Zeit der Gefahr augenblicklich unsichtbar zu machen imstande sei. So abergläubisch zeigte sich das Volk noch in jenen Zeiten, wie einige Jahrzehnte früher, wo es dem Sonnenwirtle und dem Konstanzer Hans dieselbe übernatürliche Kraft zuschrieb.