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Die drei Musketiere 33

Alexander Dumas d. Ä.
Die drei Musketiere
4. bis 6. Bändchen
Historischer Roman, aus dem Französischen von August Zoller, Stuttgart 1844, überarbeitet nach der neuen deutschen Rechtschreibung

XVII.

Zofe und Gebieterin

Trotz der Stimme seines Gewissens, trotz der weisen Rathschläge von Athos und der zarten Erinnerung an Madame Bonacieux, verliebte sich d’Artagnan von Stunde zu Stunde mehr in Mylady. Auch verfehlte er nicht, ihr täglich auf eine Weise den Hof zu machen, von welcher der eitle Gascogner überzeugt war, sie müsse früher oder später eine Erwiderung zur Folge haben.

Als er eines Tages, die Nase hochtragend, leichten Sinnes wie ein Mensch, der einem Goldregen entgegensieht, zum Palast von Mylady kam, traf er die Zofe unter der Einfahrt. Diesmal begnügte sich die hübsche Ketty nicht mit einem flüchtigen Lächeln, sie nahm ihn sachte bei der Hand.

»Gut!«, sprach d’Artagnan zu sich selbst, »sie ist mit einer Botschaft ihrer Herrin an mich beauftragt. Sie wird mir ein Rendezvous bezeichnen, das man mir mündlich zu geben nicht gewagt hat.« Dabei schaute er das schöne Kind mit der siegreichsten Miene an.

»Ich wünschte ein paar Worte mit Euch zu sprechen, Monsieur Chevalier«, stammelte die Kammerjungfer.

»Sprich, mein Kind, sprich«, sagte d’Artagnan, »ich höre.«

»Hier unmöglich. Was ich Euch zu sagen habe, ist zu lang und besonders zu geheim.«

»Nun! Was ist aber dann zu machen?«

»Wenn der Monsieur Chevalier mir folgen wollte«, sagte Ketty schüchtern.

»Wohin du willst, mein schönes Kind.«

»So kommt.«

Ketty, die seine Hand nicht losgelassen hatte, zog ihn nach sich auf eine düstere Wendeltreppe und öffnete eine Tür, nachdem sie etwa fünfzehn Stufen hinaufgestiegen waren.

»Tretet ein, Monsieur Chevalier, hier sind wir allein und können ruhig miteinander sprechen.«

»Was ist das für ein Zimmer, mein schönes Kind?«, fragte d’Artagnan.

»Das meine, gnädiger Monsieur. Es steht mit dem meiner Gebieterin durch diese Tür in Verbindung. Aber seid ohne Sorgen, sie kann nicht hören, was wir sprechen, da sie sich nie vor Mitternacht schlafen legt.«

D’Artagnan ließ seine Blicke umherschweifen. Das kleine Zimmer war reizend, sowohl was den Geschmack als auch was die Reinlichkeit betraf, aber unwillkürlich heftete sich sein Blick auf die Tür, von der ihm Ketty gesagt hatte, sie führe zum Zimmer von Mylady.

Ketty erriet, was in der Seele des jungen Mannes vorging, und seufzte. »Ihr liebt also meine Gebieterin sehr, Monsieur Chevalier?«, fragte sie.

»Ich weiß nicht, ob ich sie wahrhaft liebe, ich weiß nur, dass ich wahnsinnig in sie verliebt bin.«

Ketty stieß einen zweiten Seufzer aus. »Ach! Monsieur, das ist schade.«

»Was Teufels siehst du denn darin so Unangenehmes?«

»Ich meine, weil meine Gebieterin Euch gar nicht liebt.«

»Wie!«, rief d’Artagnan, »sollte sie dich beauftragt haben, mir dies zu sagen?«

»Oh! Nein, gnädiger Monsieur, aber ich habe aus Teilnahme für Euch den Entschluss gefasst, es Euch kundzutun.«

»Ich danke, meine gute Ketty, aber nur für die Absicht, denn du wirst wohl zugeben, dass eine solche Eröffnung nicht gerade angenehm ist.«

»Das heißt, Ihr glaubt nicht an das, was ich Euch gesagt habe, nicht wahr?«

»Ich gestehe, dass ich, bis du mir irgendeinen Beweis für deine Behauptung zu geben vermagst …«

»Was sagt Ihr zu diesem?« Ketty zog aus ihrem Busen ein kleines Billett ohne Aufschrift hervor.

»Für mich?«, rief d’Artagnan, sich rasch des Briefchens bemächtigend. Mit der Geschwindigkeit eines Gedankens zerriss er den Umschlag, trotz des Geschreies, das Ketty erhob, als sie sah, was er tun wollte, oder vielmehr, was er tat.

»Ach! Mein Gott! Monsieur Chevalier, was macht Ihr da?«, sprach sie.

»Ei! Bei Gott«, erwiderte d’Artagnan, »muss ich nicht von dem, was an mich gerichtet ist, Kenntnis nehmen?« Und er las.

Ihr habt auf mein erstes Billett nicht geantwortet. Seid Ihr leidend oder habt Ihr vergessen, mit welchen Augen Ihr mich auf dem Ball der Frau von Guise ansaht? Die Gelegenheit ist da, Graf, lasst sie nicht entschlüpfen.

D’Artagnan erbleichte, er war in seiner Eigenliebe verletzt, er glaubte sich in seiner Liebe verwundet.

»Dieses Billett ist nicht für mich!«, rief er.

»Nein, es ist für einen anderen. Ihr habt mir nicht Zeit gelassen, dies Euch zu sagen.«

»Für einen anderen! Sein Name! Sein Name!«, rief d’Artagnan wütend.

»Für den Grafen von Wardes.«

Die Erinnerung an die Szene in Saint-Germain trat plötzlich wieder vor den Geist des anmaßenden Gascogners und bestätigte die Eröffnung Kettys.

»Armer, lieber Monsieur d’Artagnan«, sprach diese in einem Ton voller Mitleid und drückte dem jungen Mann abermals die Hand.

»Du beklagst mich, gute Kleine«, sagte d’Artagnan. »Oh! Ja, von ganzem Herzen, denn ich weiß, was Liebe heißt.«

»Du weißt, was Liebe heißt?«, fragte d’Artagnan und schaute sie zum ersten Mal mit einer gewissen Aufmerksamkeit an.

»Ach! Ja.«

»Nun wohl! Dann würdest du, statt mich zu beklagen, viel besser daran tun, mir zu meiner Rache an deiner Gebieterin zu verhelfen.«

»Und was für eine Rache wollt Ihr nehmen?«

»Meinen Nebenbuhler aus seiner Stelle verdrängen.«

»Dazu werde ich Euch nie behilflich sein, Monsieur Chevalier«, erwiderte Ketty lebhaft.

»Und warum nicht?«

»Aus zwei Gründen.«

»Aus welchen?«

»Erstens, weil meine Gebieterin Euch nie lieben wird.«

»Weißt du dies?«

»Ihr habt sie in ihrem Innersten verletzt.«

»In welcher Beziehung kann ich sie verletzt haben, da ich doch, seit ich sie kenne, wie ein Sklave zu ihren Füßen liege? Sprich, ich bitte dich.«

»Ich werde dies nur dem Mann gestehen … der in der Tiefe meines Herzens zu lesen vermag.«

D’Artagnan schaute Ketty zum zweiten Mal an. Das junge Mädchen war von einer Frische und Schönheit, wofür manche Herzogin ihre Krone gegeben hätte.

»Ketty, ich werde in der Tiefe deines Herzens lesen, darüber beruhige dich, mein liebes Kind; aber sprich.«

»O! Nein«, rief Ketty, »Ihr liebt mich nicht, Ihr liebt meine Gebieterin. Das habt Ihr mir soeben gesagt.«

»Und das hält dich ab, mir den zweiten Grund zu nennen?«

»Der zweite Grund, Monsieur Chevalier«, sprach Ketty, durch den Ausdruck der Augen des jungen Mannes ermutigt. »Der zweite Grund heißt: In der Liebe sorgt jedes für sich.«

Jetzt erinnerte sich d’Artagnan der schmachtenden Blicke Kettys, ihres Lächelns und ihrer unterdrückten Seufzer, so oft er ihr begegnete. Aber ganz und gar von dem Verlangen beseelt, der vornehmen Dame zu gefallen, hatte er die Zofe verachtet. Wer den Adler jagt, kümmert sich nicht um den Sperling.

Aber diesmal begriff unser Gascogner blitzschnell, welchen Nutzen man aus dieser Liebe ziehen konnte, die ihm Ketty auf eine so naive Weise zugestanden hatte – Auffangen der an den Grafen von Wardes gerichteten Briefe, Einverständnis am Platz, Eintritt zu jeder Stunde durch Kettys Zimmer, welches an das ihrer Gebieterin stieß. Der Treulose opferte, wie man sieht, bereits in Gedanken das arme Mädchen der vornehmen Dame auf.

Es schlug Mitternacht und man hörte beinahe um dieselbe Zeit das Glöckchen in Myladys Zimmer ertönen.

»Großer Gott!«, rief Ketty, »meine Herrin ruft, geht, geht geschwind.«

D’Artagnan stand auf, nahm seinen Hut, als ob er zu gehorchen beabsichtigte, öffnete aber rasch statt der Treppentür die Tür eines großen Schrankes und kauerte sich mitten unter die Kleider und Mäntel von Mylady hinein.

»Was macht Ihr denn?«, rief Ketty.

D’Artagnan, der zum Voraus den Schlüssel genommen hatte, schloss sich in seinen Schrank ein, ohne zu antworten.

»Nun!«, rief Mylady mit scharfer Stimme, »schläfst du, dass du nicht kommst, wenn ich läute?«

D’Artagnan hörte, dass die Verbindungstür heftig geöffnet wurde.

»Hier bin ich, Mylady, hier bin ich!«, rief Ketty ihrer Gebieterin entgegenlaufend.

Alle beide traten in das Schlafzimmer ein. Da die Tür offen blieb, konnte d’Artagnan noch einige Zeit hören, wie Mylady ihre Kammerjungfer auszankte. Endlich beruhigte sie sich. Es kam auf ihn die Rede, während Ketty ihre Gebieterin bediente.

»Ei!«, sagte Mylady, »ich habe unseren Gascogner diesen Abend nicht gesehen.«

»Wie, Madame«, sprach Ketty, »er ist nicht gekommen! Sollte er flatterhaft sein, ehe er glücklich gewesen ist?«

»Oh! Nein, Monsieur de Tréville oder Monsieur des Essarts werden ihn abgehalten haben. Ich verstehe mich darauf, Ketty, diesen halte ich fest.«

»Was wird die gnädige Frau mit ihm machen?«

»Was ich mit ihm machen werde? Sei unbesorgt, Ketty, zwischen diesem Menschen und mir liegt ein Ding, das er nicht kennt. Er hat mich beinahe um meinen Kredit bei Sr. Eminenz gebracht. O! Ich werde mich rächen.«

»Ich glaubte, die gnädige Frau liebe ihn?«

»Ich, ihn lieben! Ich verabscheue ihn. Ein Einfaltspinsel, der das Leben von Lord Winter in den Händen hat, ihn nicht tötet und mir dadurch einen Verlust von dreimal hunderttausend Livres Rente zuzieht.«

»Das ist richtig«, sagte Ketty. »Euer Sohn wäre der einzige Erbe seines Oheims. Bis zu seiner Volljährigkeit hättet Ihr die Nutznießung seines Vermögens gehabt.«

D’Artagnan schauerte bis in das Mark seiner Knochen, als er hörte, wie ihm dieses liebreizende Geschöpf, mit der scharfen Stimme, die sie nur mit größter Mühe im Gespräch zu verbergen vermochte, vorwarf, dass er einen Mann nicht getötet habe, den sie, wie er selbst gesehen hatte, mit Freundschaftsbeweisen überhäufte.

»Auch hätte ich mich bereits an ihm gerächt«, fuhr Mylady fort, »wenn mir nicht der Kardinal, ich weiß nicht aus welchem Grund, befohlen hätte, ihn zu schonen.«

»Oh! Ja, aber Madame hat die kleine Frau nicht geschont, die er liebte.«

»Ah! Die Krämerin aus der Rue des Fossoyeurs! Hat er nicht bereits vergessen, dass sie lebte? Eine schöne Rache, meiner Treu!«

Der kalte Schweiß lief d’Artagnan von der Stirn: Dieses Weib war ein Ungeheuer.

Er horchte wieder, aber leider war die Toilette beendet.

»Gut«, sprach Mylady, »geh in dein Zimmer und suche morgen eine Antwort auf den Brief zu bekommen, den ich dir gegeben habe.«

»Für Herrn von Wardes?«, fragte Ketty.

»Allerdings.«

»Das ist ein Mann«, sprach Ketty, »der mir vorkommt, als wäre er gerade das Gegenteil vom armen Monsieur d’Artagnan.«

»Geht, Mademoiselle«, sagte Mylady, »ich liebe die Kommentare nicht.«

D’Artagnan hörte die Tür zumachen, dann vernahm er das Geräusch von zwei Riegeln, welche Mylady vorschob, um sich in ihrem Zimmer einzuschließen. Ketty drehte auf ihrer Seite, aber so sachte wie möglich, den Schlüssel einmal um. Dann stieß d’Artagnan die Tür des Schrankes auf.

»Oh! Mein Gott!« sprach Ketty mit gedämpfter Stimme, »was habt Ihr denn und wie bleich seht Ihr aus!«

»Das abscheuliche Geschöpf!«, murmelte d’Artagnan.

»Stille! Stille! Kommt heraus. Es ist nur eine dünne Scheidewand zwischen meinem Zimmer und dem von Mylady. Man hört in dem einen ganz genau, was in dem anderen gesprochen wird.«

»Schon gut; aber ich gehe nicht eher heraus, bis du mir gesagt hast, was aus Madame Bonacieux geworden ist.«

Das arme Mädchen schwur d’Artagnan auf das Kruzifix, dass sie es nicht wisse, da ihre Gebieterin ihre Geheimnisse nie mehr als zur Hälfte durchdringen lasse. Nur glaube sie, dafür stehen zu können, dass sie nicht tot sei.

Was die Ursache betraf, aus der Mylady beinahe ihren Kredit beim Kardinal verloren hatte, so wusste Ketty auch hiervon nicht mehr. Aber diesmal war d’Artagnan besser eingeweiht als sie. Da er Mylady in dem Augenblick, wo er selbst England verließ, auf einem konsignierten Schiffe gesehen hatte, so vermutete er, dass von den diamantenen Nestelstiften die Rede war.

Am klarsten trat bei allem hervor, dass der wahre, tiefe und eingefleischte Hass Myladys gegen ihn davon herrührte, dass er ihren Schwager nicht getötet hatte.

D’Artagnan kehrte am anderen Tag zu Mylady zurück. Sie war sehr übler Laune. D’Artagnan begriff, dass das Ausbleiben des Briefes ihre gereizte Stimmung veranlasst hatte. Ketty trat ein, wurde aber äußerst hart von Mylady behandelt. Ein Blick, den sie d’Artagnan zuwarf, wollte sagen: »Ihr seht, wie ich um Euretwillen leide.«

Doch am Ende des Abends besänftigte sich die schöne Löwin. Sie hörte lächelnd die zärtlichen Worte d’Artagnan’s und gab ihm sogar die Hand zu küssen.

Als d’Artagnan sich entfernte, wusste er nicht mehr, was er denken sollte. Da er aber ein Gascogner war, den man nicht so leicht den Kopf verlieren machte, so ersann er in seinem Inneren ein Plänchen.

Er fand Ketty an der Tür und ging wie am vorhergehenden Tag mit ihr hinauf, um Neuigkeiten von ihr zu erfahren. Ketty war viel gescholten worden. Man hatte sie der Nachlässigkeit beschuldigt. Mylady konnte das Stillschweigen des Grafen von Wardes gar nicht begreifen und sie hatte ihr befohlen, am Morgen um neun Uhr in ihrem Schlafzimmer zu erscheinen, um ihre Aufträge zu vernehmen.

D’Artagnan ließ sich von Ketty das Versprechen geben, am anderen Tag in seine Wohnung zu kommen, um ihm den Inhalt dieser Befehle mitzuteilen. Die Arme versprach alles, was d’Artagnan haben wollte; sie liebte wahnsinnig.

Um elf Uhr sah er Ketty kommen. Sie hielt ein neues Billett von Mylady in der Hand. Diesmal suchte es das arme Kind d’Artagnan nicht einmal streitig zu machen und ließ ihn gewähren. Sie gehörte mit Leib und Seele dem schönen Soldaten.

D’Artagnan öffnete dieses zweite Billett, das ebenfalls weder mit einer Unterschrift noch mit einer Adresse versehen war, und las wie folgt:

Ich schreibe Euch zum dritten Mal, um Euch zu sagen, dass ich Euch liebe. Hütet Euch, dass ich Euch nicht zum vierten Maleschreibe, um Euch zu sagen, dass ich Euch hasse.

D’Artagnan wurde wiederholt blass und rot, während er dieses Billett las.

»Oh! Ihr liebt sie immer noch!«, sprach Ketty, die nicht einen Moment die Augen von dem Gesicht des jungen Mannes abgewandt hatte.

»Nein, Ketty, du täuschst dich. Ich liebe sie nicht mehr, aber ich will mich für ihre Verachtung rächen.«

Ketty seufzte.

D’Artagnan nahm eine Feder und schrieb:

Madame, bis jetzt habe ich gezweifelt, ob Eure beiden ersten Billetts auch gewiss an mich gerichtet wären, so sehr wähnte ich mich einer solchen Ehre unwürdig. Heute aber muss ich an das Übermaß Eurer Güte glauben, weil nicht nur Euer Brief, sondern auch Eure Kammerfrau mir die Versicherung geben, dass ich das Glück habe, von Euch geliebt zu werden. Ich werde heute Abend um elf Uhr meine Verzeihung erflehen. Einen Tag länger zögern, wäre jetzt in meinen Augen eine neue Beleidigung.
Derjenige, welchen Ihr zum glücklichsten Sterblichen macht.

 

Dieses Billett war nicht gerade eine Fälschung – d’Artagnan unterzeichnete es nicht – aber es war eine Unzartheit, es war sogar, vom Gesichtspunkt unserer gegenwärtigen Sitten betrachtet, etwas wie eine Schändlichkeit. Man machte sich in jener Zeit weniger Bedenken, als gegenwärtig. Überdieß wusste d’Artagnan durch das eigene Geständnis von Mylady, dass sie des Verrats an wichtigeren Häuptern schuldig war, und er hegte nur eine sehr geringe Achtung vor ihr.

Auch hatte er sich an ihr wegen ihrer Koketterie gegen ihn und wegen ihres Benehmens gegen Madame Bonacieux zu rächen.

D’Artagnans Plan war ganz einfach. Durch Kettys Zimmer gelangte er in das ihrer Gebieterin. Er beschämte die Treulose, er drohte, sie durch öffentlichen Skandal zu kompromittieren, und erhielt von ihr durch den Schrecken alle Auskunft, die er über Constances Schicksal zu haben wünschte. Vielleicht konnte sogar die Freiheit der hübschen Krämerin das Resultat dieser Zusammenkunft sein.

»Hier«, sprach der junge Mann und stellte Ketty das Billett ganz versiegelt zu, »gib diesen Brief Mylady. Es ist die Antwort des Herrn von Wardes.«

Die arme Ketty wurde bleich wie der Tod. Sie vermutete, was das Billett enthielt.

»Höre, mein liebes Kind«, sagte d’Artagnan zu ihr, »du begreifst, dass all dies auf die eine oder auf die andere Weise enden muss. Mylady kann entdecken, dass du das erste Billett meinem Bedienten übergeben hast, statt es dem Bedienten des Grafen einzuhändigen und dass ich die anderen entsiegelt habe, welche Monsieur von Wardes entsiegeln sollte. Dann wird dich Mylady fortjagen, und du kennst sie, sie ist nicht die Frau, ihre Rache hierauf zu beschränken.«

»Ach«, rief Ketty, »wofür habe ich mich all dem ausgesetzt!«

»Für mich, ich weiß es wohl, meine Schönste«, sagte der junge Mann. »Auch bin ich dir in hohem Maße dankbar, das schwöre ich.«

»Aber was enthält denn Euer Billett?«

»Mylady wird es dir sagen.«

»Ach, Ihr liebt mich nicht!«, rief Ketty, »und ich bin sehr unglücklich!«

Ketty weinte sehr, ehe sie sich entschloss, diesen Brief Mylady zu übergeben. Aber endlich entschloss sie sich dennoch aus Ergebenheit für den jungen Musketier. Das war alles, was d’Artagnan in diesem Augenblick wollte.