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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 45

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Der weise Mann und der Handwerksbursche

Ein frommer und weiser Mann wanderte da aus, wo er gewohnt hatte, denn die Leute waren ihm alle nicht recht gewesen. Der eine hatte gelogen, der andere betrogen. Der Dritte war falsch, der Vierte ein Dieb gewesen und so fort. Er hatte an jedem etwas auszusetzen gehabt. Kaum war er aus seiner Vaterstadt heraus, so kam er zu einem Handwerksburschen und beide reisten miteinander. Am Abend kamen sie müde und marode in ein Dorf und wollten bei einem reichen Bauer bleiben und da schlafen. Der Bauer aber sprach, ob sie sich denn denken könnten, dass er jeden Landstreicher, der aus der weiten Welt daherkäme, ein Nachtlager geben könnte. Da hätte er viel zu tun. Sie möchten weitergehen.

Sie gingen auch weiter und waren betrübt über den Geizhals, der sie so angefahren und von seiner Tür gewiesen hatte. Da klopften sie an eine kleine Hütte an, darin wohnten recht arme Bauersleute. Dem Bauer hatten sie kaum ein Wort gesagt, dass sie die Nacht gern bei ihm bleiben möchten, so zog er sie gleich herein, setzte ihnen Abendbrot vor. Es war aber nur dicke Milch und Erdäpfel gewesen und machte ihnen ein weiches Strohlager zurecht. Nun gingen alle zur Ruhe und schliefen recht sanft die Nacht. Des Morgens stand der Handwerksbursche auf, es war noch halb dunkel gewesen und suchte im Zimmer umher. Da fand er einen silbernen Becher, welchen er gleich in seine Tasche steckte. Nachher stand der Bauer mit seiner Familie auf, alle taten ihr Dankgebet und bereiteten für sich und die Fremden das Morgenbrot. Nachdem das verzehrt war, gingen die Reisenden weiter.

Der weise Mann machte dem Handwerksburschen Vorwürfe darüber, dass er den Becher mitgenommen habe, da sie doch so gastfreundlich aufgenommen und nach Verhältnis gut bewirtet wären. Der Handwerksbursche sagte aber, er kümmere sich nicht um ihn, er möge auch über das nicht richten, was er nicht verstände. Darauf gingen sie weiter. Da kamen sie zu einem reichen Gutsbesitzer, wurden auch da gut aufgenommen und bewirtet. Beim Weggehen zog der Handwerksbursche den Becher heraus und sagte, er wolle seinem Wirt diesen Becher aus Dankbarkeit und zum Andenken schenken. Er möge den Mittag auf der Reisenden Wohl daraus trinken. Dann gingen sie fort. Das war dem Weisen aber auch nicht recht, er musste aber schweigen. Hierauf kamen sie wieder des Nachts schon sehr spät in eine kleine Hütte, die ganz abgelegen im Felde stand, und fanden darin bei herzensguten alten Bauersleuten Speise und Obdach. Kaum hatten sie sich aber hingelegt und waren alle in tiefen Schlaf verfallen, da stand der Handwerksbursche auf, machte leise Feuer und zündete die Hütte an. Das sah der Weise, erhob sich gleich von seinem Lager, weckte die alten Bauersleute und rettete mit dem Handwerksburschen nicht allein den alten Bauer mit seiner Frau, sondern auch ihr bisschen Armut, was sie im Hause gehabt hatten. Dann gingen die Reisenden weiter.

Als sie nicht mehr von den Bauersleuten gesehen werden konnten, sprach der Weise zu dem Handwerksburschen, er bliebe nicht mehr bei ihm, er möge hingehen, wohin er wolle. Er wäre zu gefährlich. Sein ganzes Tun wäre schlecht.

»O nein«, sagte der Handwerksbursche.

Und in dem Augenblick stand ein Engel vor dem Weisen, der sprach: »Sieh du, Kurzsichtiger, der Becher, den ich den guten Bauersleuten wegnahm, war ein Giftbecher. Wer daraus trinkt, muss sterben. Die guten Alten aber sollten noch leben bleiben, darum nahm ich ihnen den Becher. Der reiche Gutsbesitzer, welchem ich das Kleinod schenkte, sog die armen Bauern aus. Er musste von der Welt, wenn es die Bauern wieder gut haben sollten. Darum gab ich ihm den Becher. Gestern Nachmittag lag der Gutsbesitzer auf dem Stroh. Die Hütte, die ich ansteckte, war bestimmt, diese Nacht von der ruchlosen Hand eines Mordbrenners angesteckt zu werden, wobei die armen Bauersleute umkommen sollten. Der Mordbrenner war der Sohn des Abgebrannten. Darum steckte ich die Hütte an, damit sie der nicht anstecken konnte. Jetzt sind die Alten mit samt ihrem Eigentum gerettet, und der Plan des Bösewichts zerstört. Sieh, du Mensch, der du ein Weiser sein willst, richte nicht die Taten Gottes, sondern sprich stets: Was Gott tut, das ist wohlgetan.«

Danach war der Engel verschwunden.