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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 37

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Der eiserne Mann

Ein Soldat hatte lange Zeit dem König gedient, war tapfer und brav gewesen und hatte dadurch denn auch viel Wunden bekommen. Als der Krieg zu Ende war, musste er wieder hingehen, wo er hergekommen war und zusehen, wie er sich sein bisschen Brot bettelte. Arbeiten konnte solch ein Krüppel nicht und Pension gab es damals nicht. Er ging also von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt und fand so sein kärgliches Auskommen. Einstmals musste er durch einen großen Wald, denn damals gab es viele und große Wälder. Er verlief sich, musste drei Tage darin bleiben und sich von Wurzeln und Beeren so lange ernähren, bis er endlich zu einem Köhler kam, der ihn aufnahm und freundlich bewirtete. Es gefiel dem Soldaten da recht in der Einsamkeit und er und der Köhler wurden recht gute Freunde, sodass er dem Köhler Holz zutrug und bei allem, was er zu tun hatte, mithalf und beide in der Röte des Abends sich ihr Leid klagten und von ihren Schicksalen erzählten.

Der Köhler sagte einmal: »Höre, Freund, du bist mutig und tapfer. Du kannst uns beide glücklich machen, wenn du meinem Rat folgst. Nicht weit von hier ist ein tiefer Schacht. Darin sind ungeheure Schätze vergraben. Hast du nicht Lust dazu, dass ich dich an einem Seil hinunterlasse? Mir sollst du nur ein Bund Wachslichter mitbringen. Das andere, was du dann noch mitbringst, kannst du behalten. Du sollst sehen, dann haben wir genug.«

Der Soldat war gleich bereit dazu. Am folgenden Morgen nahm der Köhler ein langes Seil und beide gingen zu dem Schacht. Eins, zwei, drei, hatte der Soldat das Seil um den Leib, und der Köhler ließ ihn ins Loch hinein. Unten auf der Sohle machte er das Seil ab, steckte ein Licht an und fand einen Stollen. Darin ging er fort, kam vor eine eiserne Tür, die mit vielen Riegeln verschlossen war, machte sie auf und trat in einen großen Saal, der durch einen silbernen Kronleuchter ganz erleuchtet wurde. Es war so hell wie am Tage. Da saß mitten auf einem Thron ein großer eiserner Mann, am Thron standen drei Kisten, die aber verschlossen waren, über der Tür hing das Bund Wachslichter. Er griff zunächst nach den Wachslichtern, der Mann sah dies, rührte sich aber nicht. Dann ging der Soldat zu der einen Kiste, die vorher nicht offen gewesen war und sah, dass lauter blanke Taler darin liegen. Er packte seine Taschen sackvoll. Da sprang die zweite Kiste auf und daraus leuchteten die schönsten und größten Goldstücke. Er warf seine Taler wieder in die Talerkiste und machte seine Taschen voll Gold. Kaum war er damit fertig, so öffnete sich die dritte Kiste und darin glänzten die kostbarsten Edelsteine und Perlen. Nun legte er das Gold wieder hin und füllte feine Taschen mit Perlen und Diamanten. Der Mann rührte sich nicht. Der Soldat ging wieder weg, und der eiserne Mann rührte sich nicht. Am Schacht machte sich der Soldat das Seil wieder um den Leib und zog daran. Da wurde er hinaufgezogen. Oben gab er dem Kühler die Lichter und zeigte ihm seine Schätze. Beide freuten sich und begaben sich zur Ruhe auf die Bank. Am anderen Morgen war der Köhler tot.

Was sollte da nun noch der Soldat. Er nahm also seine Schätze, aber auch die Wachslichter, seinen Stab in die Hand und fort ging es in die weite Welt hinein. Er kahm bald aus dem Wald, danach in eine große Stadt, lebte da herrlich und in Freuden lange Zeit und dachte, dass seine Reichtümer kein Ende nahmen. Sie gingen aber endlich doch zu Ende, ja er hat nicht einmal so viel, dass er sich Öl auf seine Lampe kaufen konnte. Da fielen ihm die Wachslichter ein, die er aus dem Schacht mitgebracht hatte. Er nahm eins davon, steckt es an. In dem Augenblick stand der eiserne Mann vor ihm und fragte, was er solle. Es war der gewesen, der auf dem Thron in dem Schacht gesessen hatte.

Nun wusste der Soldat Bescheid und sprach, er möge ihm einen Sack voll Gold bringen. Im Nu hatte er das Gold, das Wachslicht ging aus, und der Mann war verschwunden. Nun hatte der Soldat wieder genug.

Wenn’s alle ist, muss der eiserne Mann wieder her und Neues bringen, dachte er bei sich.

Von da an reiste der Soldat weg zu der Stadt, wo sein König wohnte, dem er gedient hatte. Hier hörte er, dass die Tochter davon wunderschön war, keiner bekam sie aber zu sehen. Weil er nun weiter nichts zu tun hatte und sonst ein schönes, vornehmes Leben führte, so kam ihm der Gedanke, er wolle die Prinzessin einmal sehen. Deshalb steckte er ein Wachslicht an, es war des Abends zehn Uhr gewesen, und gleich kam der eiserne Mann zur Tür herein und fragte, was er wünsche.

»Hole mir die Königstochter aus dem Schlosse hier her.«

Der mächtige Bote verschwand und in kurzer Zeit war er mit der Prinzessin da. Der Soldat ließ nun die Tochter entgelten, was ihr Vater ihm zugefügt hatte. Sie musste ihm aufwarten, Stiefel putzen, die Stube fegen …, kurz, die Dienste einer gemeinen Magd tun. Am andern Morgen vor Tag trug sie dann der eiserne Mann wieder in ihre Schlafkammer im Schloss. Als sie dann da aufwachte, ging sie zu ihrem Vater und erzählte, sie wisse nicht, ob es wirklich so gewesen sei oder ob es ihr geträumt habe, sie sei in das Zimmer eines Soldaten gebracht worden und habe dem aufwarten müssen. Der König betrachtete seine Tochter und sah schwarze Flecke in ihrem Gesicht. Da merkte er, dass es so gewesen sein konnte und sagte, sie möge diesen Abend ein Stück Kreide in die Tasche stecken und an die Haustür, in die sie hineingetragen würde, einen Strich und ein Kreuz machen, damit man das Haus wieder fände. Das tat sie auch. Der eiserne Mann hatte es aber bemerkt und machte an alle Türen der Stadt einen Strich und ein Kreuz. Am anderen Morgen erzählte sie wieder ihrem Vater, wie es ihr gegangen wäre. Da befahl der König seinen Leuten, sie sollten das Haus aufsuchen, an welchem ein Kreuz und ein Strich mit Kreide gemacht wäre. Die Leute kamen aber unverrichteter Dinge zurück, denn an allen Häusern stand das Zeichen. Der König wurde ärgerlich und befahl den Soldaten, sie sollten diesen Abend das ganze Schloss umzingeln, dass keine Maus hinein und heraus käme. Auch vor die Stubentür seiner Tochter sollte eine starke Wache gestellt werden. Er selbst wolle bei seiner Tochter bleiben. Aber dessen ungeachtet wurde sie am Abend doch weggeholt, denn den eisernen Mann konnte niemand sehen.

Am anderen Morgen erzählte sie wieder ihre Begebenheit; auch dass sie den Abend eine derbe Ohrfeige von dem Soldaten gekriegt habe, wovon sie noch die Finger auf der Backe sitzen hätte. Das war dem König zu arg und er sagte seiner Tochter ganz leise ins Ohr und machte drei Kreuze dazu, sie möge diesen Abend seinen goldenen Ring anziehen und denselben unter das Bett des Soldaten legen. Das tat sie auch.

»Ach«, sagte sie am anderen Morgen, »diese Nacht hat mich der Soldat fürchterlich geschlagen, weil ich ihm nicht ordentlich dienen wollte.«

Da befahl der König, jedes Haus in der Stadt nach dem Soldaten und dem versteckten Ring zu durchsuchen, und wo sie den Ring unterm Bette fänden, den Mann mitzunehmen und zu ihm zu bringen, dem das Bett gehörte. Es dauerte nicht lange, da wurde der Ring bei dem Soldaten gefunden, denn er hatte es nicht gemerkt, dass die Prinzessin den Ring da versteckt hatte. Unser Soldat wurde zum Strange verurteilt, und der Tag dazu angesetzt. Drei Tage hätte er noch, sich zum Tode vorzubereiten. In der Zeit bekam er Gelegenheit, einen Boten in seine Wohnung nach den Wachslichtern zu schicken. Der Bote brachte sie, erhielt dafür Geld genug und nun musste der eiserne Mann her und dem Soldaten aus der Not helfen. Der eiserne Mann sagte: »Warte so lange, bis du auf dem Brett unter dem Galgen stehst. Dann kannst du noch eine Bitte tun, die muss dir gewährt werden. Du hast dann dein Wachslicht mit, steckst es an und ich bin da. Ich werde dann meine Schuldigkeit tun. Wen ich treffe, dem tut der Kopf nicht mehr weh.«

So kam es auch. Der Soldat war fröhlich und guter Dinge, worüber sich der Gefangenenwärter nicht wenig wunderte, aß und trank und schlief die Zeit hindurch so ruhig, als ob ihm gar nichts darum wäre, dass er sterben müsse. Als er nun auf dem Brett stand und der Henker ihm das neumodische Halsband umtun wollte, sagte der Soldat: »Halt, so weit sind wir noch nicht. Ich habe noch eine Bitte, die wird mir gewiss noch gewährt.«

»Jawohl«, sagte der König, der mit seiner Tochter auch hingekommen war, damit sie sah, wie es dem Bösewicht erging, der sie so gelohnt hatte. »Jawohl, die Bitte soll dir gewährt sein, wenn sie nicht unbillig ist.«

»Nein«, sagte der Soldat, ich will nur noch einmal mein Wachslicht anstecken und brennen sehen.«

»Das kann geschehen«, sagte der König.

Nun wurde das Wachslicht angesteckt. Gleich war der eiserne Mann mit einem dicken Knüppel da, schlug zunächst den Henker und dann die zunächst stehenden Leute tot und mähte fürchterlich dazwischen, dass sie wie die Fliegen fielen und keiner konnte von der Stelle. Nun wurde dem König angst, wie der eiserne Mann mit seinem Knüppel näher und näher rückte. Da schrie er hin zu dem Soldaten, er möge dem eisernen Mann befehlen, dass er aufhöre zu schlagen. Der Soldat solle auch die Prinzessin zur Frau haben. Da blies der Soldat das Licht aus und weg war der eiserne Mann. Der Soldat bekam seine Frau und hatte alles heillos in Respekt, selbst seinen Schwiegervater, und wenn der so einmal nicht wollte, wie er, brauchte er nur zu sagen: »Na, soll der eiserne Mann kommen?«

Dann geschah alles, was der Soldat wollte. Später war er noch König geworden. In großer Not oder Krieg hatte er noch bisweilen den eisernen Mann kommen lassen, und der half ihm jedes Mal. Als der Soldat aber gestorben war, da waren auch die Wachslichter weg gewesen.