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Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand

Ronald M. Hahn
Sherlock Holmes – Neue Fälle 3
Sherlock Holmes und die geheimnisvolle Wand

Krimi, Taschenbuch, Blitz Verlag, Windeck, Januar 2013, 192 Seiten, 12,95 Euro, ISBN: 9783898403375, Coverillustration von Mark Freier
www.blitz-verlag.de

»Serin Gerede war in der Tat sonderbar. Ich meine damit, dass es der Interpretation bedarf. Es klang wie das Geschwafel eines zerrütteten Geistes, aber irgendwie hat es auch den Eindruck erweckt, als sein jemand, den er kennt, für unser Missgeschick verantwortlich. Als hätte jemand magische Kräfte eingesetzt, um uns daran zu hindern, nach Dunwich hinunterzugehen.«

Während seiner Zeit als Schauspieler in William Sasanoffs Tournee-Theater bietet sich Sherlock Holmes die Gelegenheit, seinen Studienfreund Basil Bishop in Dunwich zu besuchen. Bishop Mansion, das nahe des Sentinel Hill mit seinen geheimnisvollen Ruinen steht, beherbergt bereits bei Holmes Ankunft eine illustre Schar von Gästen. Noch am selben Abend wird den Anwesenden der Rückweg nach Dunwich von einer unsichtbaren Barriere verwehrt. Haben die Vorgänge etwas mit den Legenden zu tun, die sich um den Sentinel Hill ranken und die von Wesen aus anderen Dimensionen berichten? Einer der Anwesenden, Mr. Whateley, soll sogar ein Nachfahre jener Familie sein, die einst ein solches Wesen in ihrem Haus beherbergte. Dann geschieht ein Mord und der undurchsichtige Whateley lässt seine Maske fallen. Noch immer warten die Wesen in der »Kalten Dimension« auf die Möglichkeit ihrer Rückkehr. Und die Ruinen auf dem Sentinel Hill bilden einen Übergang in unsere Welt.

»Die silberfischige Meute raste vorbei und verlor sich zwischen den Gebäuden. Aus der Ferne wirkte sie halbwegs menschlich, doch nur insofern, dass ihre Angehörigen einen Kopf und vier Gliedmaßen hatten. An einer Freitreppe saßen sie ab. Ihre Bewegungen waren so unmenschlich, wie ihre monströsen, aus Rost gehämmerten Gesichter. Die mir braunen Fetzen verhüllten Reittiere hatten Hörner Fangzähne und blökten nervtötender und schriller als Esel. Ihre Köter – Hunde wollte Violet sie nicht nennen – sabberten und grunzten schweinisch.«

Neben einem jungen Sherlock Holmes – lange vor seiner Profession als Meisterdetektiv – fährt Autor Ronald M. Hahn hier die Nachfahren einiger Figuren aus H. P. Lovecrafts Das Grauen von Dunwich auf. Die Zusammenkunft der Figuren in Bishop Mansion ist dabei recht gut gelungen. Auch wenn man sich hier einem ganz und gar untypischen Sherlock Holmes – humorvoll, gesellig, durchaus eloquent im Umgang mit dem anderen Geschlecht und einem amourösen Abenteuer mit Violet Armitage nicht abgeneigt – gegenübersieht, hätte eine eher auf Holmes Detektivfähigkeiten zugeschnittene Geschichte diesen Umstand aufwiegen können.

Da jedoch im Fall Geheimnisvolle Wand mit trockener Logik nicht weiterzukommen ist, bestehen kaum Möglichkeiten, Sherlock Holmes als den Kopfarbeiter zu präsentieren, den die Leser kennen und schätzen. Stattdessen bleibt der (noch nicht-)Detektiv weitestgehend ein Beobachter. Auch die Lovecraft-Verbindung erweist sich als dem Original wenig verpflichtet. Hier werden lediglich einige Namen und Orte aus Lovecrafts Werk zum Zwecke eines oberflächlichen Budenzaubers geliehen, ohne je die Intensität des Originals zu erreichen.

Einen Protagonisten namens Sherlock Holmes auftreten zu lassen, macht noch lange keine Sherlock Holmes-Geschichte und die Verwendung einiger Namen aus dem Lovecraft-Kosmos macht noch lange keinen guten Horrorroman. So ist Die geheimnisvolle Wand zwar flott und stimmungsvoll geschriebene Unterhaltung, die allerdings besser in einem Groschenroman aufgehoben wäre. Und am Ende ist der Kurzroman weder für die Sherlock Holmes-Anhänger noch die Lovecraft-Aficionados wirklich befriedigend.

Der Titel erweist sich leider als wenig aussagekräftig und irgendwie am Ziel vorbeigeschossen, da die geheimnisvolle Wand lediglich ein Symptom der Ereignisse ist.

Autor Ronald M. Hahn gibt hier seinen Sherlock Holmes-Einstand, obwohl er ein bereits langjährig aktiver und mehrfach ausgezeichneter (Kurd-Laßwitz-Preis) Autor und Herausgeber ist. Als Autor gehen diverse Heftromane (Maddrax, Gespenster-Krimi, Die Terranauten) und Romane (auch bereits im Blitz Verlag) auf sein Konto. Als Herausgeber war er für das Magazine of Fantasy and Science Fiction und für Nova verantwortlich. Außerdem ist Ronald M. Hahn (Co-)Autor zahlreicher vorwiegend phantastischer Sachliteratur.

Das eigens gefertigte Covermotiv von Blitz-Hausgrafiker Mark Freier zeigt das dicht eingeschneite Bishop Mansion. Das Taschenbuch ist gewohnt gut gearbeitet und auch Schriftbild und Satz überzeugen.

Fazit:
Kurzroman, der besser am Kiosk aufgehoben wäre. Weder Sherlock Holmes noch die Lovecraft-Figuren werden auf eine Art und Weise benutzt, die den Vorbildern gerecht wird.

(eh)