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Porterville – Folge 11

Porterville – Folge 11
Der Hudson-Code

Die 18-teilige Mystery-Serie Porterville ist keine normale Serie, wie du sie kennst. Denn sie funktioniert wie eine Art Puzzle: So ist jede Folge von Porterville wie ein neues Puzzle-Teil. Das bedeutet, die Geschichten beginnen nicht unbedingt da, wo du bei der letzten Folge aufgehört hast. Doch mit jeder neuen Folge erhältst du tiefere Einblicke in die Stadt und ihre Bewohner, bis sich das rätselhafte Gesamtbild immer mehr zusammensetzt und am Ende die Frage geklärt wird: »Was ist das dunkle Geheimnis der Stadt Porterville?«

Raimond Weber
Porterville – Folge 11
Der Hudson-Code
gelesen von Norbert Langer
Prolog: Udo Schenk

Mystery, E-Book/Hörbuch, Folgenreich

»Die wochenlangen Verhöre, verbunden mit mehr oder weniger ausgefeilten Folterungen, haben ihn einen Großteil seines Verstandes gekostet. Er trägt eine hellgraue Hose und ein abscheuliches Hemd mit aufgedruckten Papageien. Während ich dem alten Mann bei seiner absurden Betätigung zuschaue, bildet sich in seinem Schritt ein größer werdender Fleck.« (Howard K. Brenner / Porterville, Jahr 0048)

Hörbuch: MP3, 7 Tracks, 1:32:17 Stunden, 3,99 Euro
E-Book: 82 Seiten, 1,49 Euro

Über den Autor

Geboren in Unna. 1998 legte Raimon Weber seinen ersten Kurzgeschichtenband vor. Bis 2005 als Autor der Jugendhörspielreihe Point Whitmark und der Hörspielserie Gabriel Burns. Heute ist er als Autor, Medientrainer und Produzent tätig. Außerdem bearbeitet er als Storydoktor Fremdtexte wie Drehbücher oder Prosa. Natürlich anonym. 2003 startete Raimon Weber mit Wir waren unsterblich die erfolgreiche Krimireihe Ruhr.Tod.Roman. Seit dem Start im Jahre 2002 ist Raimon Weber an Europas größtem Krimifestival Mord am Hellweg beteiligt. Seine Recherchen treiben ihn in die geschlossene Forensische Psychiatrie, auf hohe Fabrikschornsteine oder in Verbrennungsanlagen für amputierte Gliedmaßen. 2010 verfasste er mit einem Autorenkollektiv die mehrfach preisgekrönte Hörbuch-Thrillerserie Darkside Park. Die wegen des großen Erfolges auch als dreibändige Print-Ausgabe erschien. Seit Februar 2013 erscheint als Fortsetzung der Serie Darkside Park die E-Book-Reihe Porterville.

Hörprobe
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Leseprobe

Kein noch so modernes Hochhaus verlässt sich allein auf Aufzüge. Selbst wenn sie so sicher sind wie die im Sato-Tower. Zusätzlich existieren zwei voneinander getrennte Treppensysteme, die von der Spitze bis in den untersten Kellerbereich führen.
Der ehemalige Bürgermeister Angus Hudson, ohnehin ein leidenschaftlicher Freund von Geheimgängen, hat aber noch ein drittes Treppenhaus einbauen lassen. Es ist so eng, dass keine zwei Personen nebeneinander gehen können. Das wäre aber ohnehin kaum der Fall gewesen. Hudson hätte sich in einer Notsituation allein abgesetzt. Nur er und wenige seiner engsten Vertrauten, zu denen ich mich aufgrund meiner glaubhaft vorgelebten Loyalität zählen konnte, wussten von dem Fluchtweg.
Allerdings lehrt uns die Geschichte, dass selbst überaus raffinierte Vorkehrungen das Ende eines Despoten nicht verhindern können. Hudsons Zeit war irgendwann abgelaufen und die Revolution verlangte nach seinem Kopf.
Heute genieße ich Takumi Satos Vertrauen. Es gehört zu meinen Fähigkeiten, mich jeder neuen Lage blitzschnell anzupassen. Mich unentbehrlich zu machen.
Ein Politiker formulierte es einmal so: »Man schüttet kein schmutziges Wasser weg, solange man kein sauberes hat.«
Ein Howard K. Brenner hat die Fähigkeit, stets wie frisches Quellwasser zu erscheinen.
Hudsons Fluchtweg endet im tiefsten Bereich des Gebäudes. Doch es existieren vier weitere Zugänge. Einer davon befindet sich im 45. Stock. Genauer gesagt, in meinem weitläufigen Apartment.
Ich begebe mich in das Gästezimmer, das ich für die Besuche meiner Enkelin Tori herrichten ließ. Tori verbringt jetzt die Wochenenden bei mir. Außerdem habe ich dafür gesorgt, dass sie eine andere Schule besucht. Leider ist sie auch dort einer dauerhaften Manipulation ausgesetzt.
Ich drücke in der korrekten Reihenfolge drei verschiedene Punkte an einer Wand. Es gibt keinerlei Markierungen, nur winzige Unebenheiten, die selbst der Neugierigste ohne einen Hinweis übersieht.
Der Zugang öffnet sich lautlos. Schwaches bläuliches Licht erhellt die schmalen Stufen hinter der Wand. Sie sind nicht an die Energieversorgung des Towers angeschlossen und werden von Batterien gespeist, die ihre Reserven fast aufgebraucht haben.
Hinter mir verschließt sich die Wand in Toris Zimmer.
Der Aufstieg führt über elf Stockwerke. Genug, um mich meine miserable Kondition spüren zu lassen.

Ich schwitze und schnaufe. Als ich mir den Schweiß aus dem Gesicht wische, bleibt eine warme Flüssigkeit an meinem Handrücken kleben, die im blauen Schimmer der Lampen schwarz aussieht. In Wirklichkeit ist sie rot. Ich blute wieder aus der Nase.
Ich bin auf solche Fälle vorbereit und säubere mich mit einem extra saugfähigen Taschentuch.
Ein paar Minuten vergehen, ehe ich mich in der Lage fühle, die drei Punkte zu drücken, die den Zugang zum obersten Stockwerk des Towers ermöglichen.
Eine schmale Tür schwenkt auf. Es ist erstaunlich, dass es hier noch immer nach dem Brand stinkt, der damals einen Teil des 56. Stockwerks verwüstet hat. Ein bitterer Geruch nach verbranntem Holz, verkohlten Teppichen und versengtem Kunststoff.
Ich blicke in einen langen Flur mit rußgeschwärzten Wänden. Der Lack auf den Türen und Rahmen hat in der Hitze Blasen geworfen.
Das Feuer war bei Hudsons Verhaftung ausgebrochen, aber man hatte ihm schnell Einhalt gebieten können, sodass nur ein Teil des Stockwerks Schaden genommen hat.
Ich öffne eine Tür, die bis auf ein paar Brandflecke unversehrt geblieben ist, und betrete einen Raum von den Ausmaßen eines Saals. Alles sieht beinahe absurd sauber aus. Der hellblaue Teppich unter meinen Schuhen ist weich und federnd wie ein mit Tannennadeln bedeckter Waldboden.
Das Sonnenlicht dringt gedämpft durch die riesige Fensterfront. Die Glasscheiben sind getönt und von außen nicht einsehbar.
Wie immer, wenn ich hier oben bin, verharre ich für einen Moment und blicke auf Porterville hinab.
Der höchste Punkt der Stadt! Einst das Zentrum allumfassender Macht.
Die sichtbare Welt endet an der Stadtmauer. Dahinter verschwindet alles in einem grauen Nebel. Eine Täuschung, um Neugierigen den Blick auf das Draußen zu verwehren. Hervorgerufen durch eine punktuelle Trübung des Schutzschirms.
Wände und Decken sind mit einem hellen und fein gemaserten Holz vertäfelt. An eine Wand sind Greybugs genagelt worden. Der Nagel durchbohrt sie immer exakt in der Körpermitte. Es sind Hunderte. Sie bilden mittlerweile vier lange Reihen. Es sieht so aus, als wären seit meinem letzten Besuch keine neuen Exemplare hinzugekommen.
Die nächste Tür führt in die Bibliothek. Einer der wenigen Orte in Porterville, an denen es noch Bücher gibt, die nicht von Sato oder seiner Frau verfasst worden sind.
Ich frage mich, wann sich der Bürgermeister und seine Gattin die Zeit nehmen, um Traktate zu Themen wie Die 483 Fehler der Französischen Revolution oder Angewandte Sozialhygiene zu verfassen.
Vermutlich lassen sie den Mist schreiben.
Der alte Mann, der an einem großen Tisch inmitten der Bibliothek sitzt, hört mich kommen. Er grunzt etwas Unverständliches, hebt kurz die Hand zum Gruß und fährt fort, etwas in ein aufgeschlagenes Buch zu kritzeln. Dabei drückt er den Stift so fest auf, dass ich höre, wie das Papier zerreißt.
»Wie geht es Ihnen heute?«, frage ich freundlich und gehe langsam auf ihn zu.
Der Alte reagiert nicht. Als ich über seine Schultern blicke, erkenne ich, dass er wahllos einzelne Wörter in dem Buch – es ist der Roman Haben und Nichthaben von Ernest Hemingway – durchstreicht.
Dahinter steckt weder ein Sinn noch irgendein System.
Die wochenlangen Verhöre, verbunden mit mehr oder weniger ausgefeilten Folterungen, haben ihn einen Großteil seines Verstandes gekostet. Er trägt eine hellgraue Hose und ein abscheuliches Hemd mit aufgedruckten Papageien. Während ich dem alten Mann bei seiner absurden Betätigung zuschaue, bildet sich in seinem Schritt ein größer werdender Fleck. Der ehemaliger Bürgermeister Angus Hudson nässt sich vor meinen Augen ein. Es ist nicht das erste Mal.

Quellen:

Eine Antwort auf Porterville – Folge 11