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Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 23

Die drei Linden auf dem Heiligen Geist-Kirchhof in Berlin

Auf dem Kirchhof des Hospitals zum Heiligen Geist in Berlin haben vor vielen Jahren, wie das bejahrtere Leute noch immer von ihren Eltern gehört haben, drei gewaltig große Linden gestanden, die mit ihren Ästen den ganzen Raum weithin überdeckten.

Das Wunderbarste an diesen Bäumen war, dass sie mit den Kronen in die Erde gepflanzt waren und dennoch ein so herrliches Wachstum erreicht hatten; aber dieses Wun­der hatte auch die göttliche Allmacht gewirkt, um einen Un­schuldigen vom Tode zu erretten. Vor vielen, vielen Jahren lebten nämlich in Berlin drei Brüder, die mit der herz­lichsten Liebe einander zugetan waren und mit Leib und Leben füreinander standen. So lebten sie glücklich und zufrieden, bis dieses Glück plötzlich durch einen Vorfall ge­stört wurde, den wohl keiner hätte ahnen können. Denn so unbescholtenen Wandels auch alle drei bisher gewesen waren, wurde doch der eine derselben des Meuchelmordes angeklagt und sollte, obwohl er noch kein Geständnis abgelegt hatte, da alle Umstände die ihm zur Last gelegte Tat wahr­scheinlich machten, den Tod erleiden.

Noch saß er im Ge­fängnis, als eines Tages seine beiden Brüder vor dem Richter erschienen und jeder derselben sich des begangenen Mordes schuldig erklärte. Kaum hatte dies der zum Tode Verurteilte vernommen, als auch er, indem er erkannte, dass seine Brüder ihn nur retten wollten, der Tat gestän­dig wurde und so statt eines Täters auf einmal drei vor Gericht standen, von denen jeder mit gleichem Eifer behaup­tete, dass er allein jenen Mord begangen.

Da wagte der Richter nicht den Urteilsspruch an dem Ersten zu voll­strecken, sondern legte den Fall zuvor noch einmal dem Kurfürsten vor, welcher verordnete, dass hier ein Gottesur­teil entscheiden solle. Er befahl daher, ein jeder der drei Brüder solle eine junge, gesunde Linde mit der Krone in das Erdreich pflanzen, sodass die Wurzeln nach oben stün­den. Wessen Baum dann vertrocknen würde, den hätte Gott selbst dadurch als den Täter bezeichnet. Dieses Urteil wurde auch sogleich beim Anbruch des Frühlings vollzogen, und siehe da! Nur wenige Wochen vergingen, und alle drei Bäume, die man auf dem Heiligen Geist-Kirchhof gepflanzt hatte, bekamen frische Triebe und wuchsen bald zu kräftigen Bäumen heran. So wurde denn die Unschuld der drei Brü­der erwiesen, und die Bäume haben noch lange in üppiger Kraft an der alten Stelle gestanden, bis sie endlich verdorrt sind und anderen Platz gemacht haben.