Heftroman der

Woche

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Sagen und alte Geschichten der Mark Brandenburg 6

Der Kobold auf der Mühle

Wenn jemand früher reich wurde, ohne dass man ihm nachrechnen konnte, wie dies zugehe, dann meinte man, er habe einen Kobold, der ihm alles zutrüge. Noch heute herrscht stellenweise dieser Aberglaube. Der Kobold wird immer als ein kleiner Kerl beschrieben, der allerhand Gestalt annimmt, auch Tiergestalt, zum Beispiel die eines dreibeinigen Hasen, eines Kalbes mit feurigen Augen. In der Gegend von Müncheberg behauptet man noch besonders, er zeige sich oft in der Gestalt eines Rebhuhns.

Oft treibt er, heißt es, auch seinen Schabernack mit den Leuten und will sich dann ausschütten vor Lachen, wenn er jemand angeführt hat. Daher stammt noch der alte Ausdruck wie ein Kobold lachen. So erscheinen denn auch die Kobolde in manchen Geschichten als lästige Gäste, welche man gern aus dem Haus los werden möchte, aber schwer los wird. Einen solchen Kobold gab es nun auch einmal im Havelland oder war es im Ruppinschen, mit dem ist Folgendes dort passiert.

Auf einer einsamen Wassermühle, heißt es, wohnte ein Müller ganz allein. Bei dem klopfte es an einem stürmischen und regnerischen Abend an das Fenster.

Als der Müller fragte, wer da wäre, antwortete eine Stimme: »Um Gottes Willen lasst mich ein, ich habe mich verirrt und komme sonst um in dem furchtbaren Wetter!«

Der Müller nahm die Lampe und öffnete die Haustür, fuhr aber erschrocken zurück, denn vor ihm stand neben einem Mann ein schwarzes Ungetüm.

»Ach, erbarmt Euch«, sagte der Mann, »ich bin ein Bärenleiher (Bärenführer) und weiß mit meinem Tier nicht mehr, wo aus und ein. Gönnt mir ein Plätzchen zum Nachtquartier!«

Der Müller kratzte sich hinter die Ohren und sagte: »Ja für Euch hätte ich wohl einen Platz auf der Ofenbank in meinem Stübchen, wenn Ihr damit zufrieden sein wollt. Aber wo soll ich mit Eurer wilden Bestie hin? Einen Stall habe ich nicht und in die Stube können wir das Tier doch nicht nehmen!«

»I«, antwortete der Mann, »könnten wir ihn nicht in die Mühle bringen? Schaden am Korn und Mehl könnte er Euch ja nicht tun, und übrigens lege ich ihn ja auch an die Kette!«

»Das ginge wohl«, sagte der Müller, »aber ich muss Euch sagen: Dort ist es nicht richtig. Es spukt in der Mühle ein Kobold umher, der mir seit Jahren gebranntes Herzeleid angetan hat. Er rumort dort die ganze Nacht herum, schüttet die Kornsäcke aus, streut das Mehl umher und treibt noch sonst allerlei Unfug und Mutwillen!«

»Ei«, rief der Bärenführer, »was schadet das? Meinem Bären wird der Kobold nichts anhaben, der wird sich schon seiner Haut wehren. Nehmt uns nur auf, ich bitte Euch!«

Gesagt, getan. Der Bär wurde in die Mühle gebracht und dem Führer bereitete der Müller ein Lager auf der Ofenbank. Mitten in der Nacht erwachten die beiden Männer von einem furchtbaren Rumoren in der Mühle. Es ging dort kopfüber und kopfunter, dazwischen hörte man das tiefe Brummen des Bären und hie und da ein Quieken und jämmerliches Grunzen.

»Horch«, sagte der Müller, »da hat der Kobold sich an den Bären gemacht.« »Das wird allein sein eigener Schade sein«, gab der Bärenführer lachend von sich.

»Ja, wollte Gott«, seufzte der Müller, »dass der Bär meinem Plagegeist recht ordentlich den dicken Kopf zurecht setzte!«

Noch ein heller Schrei, dann war alles still, und die Männer schliefen wieder ein.

Am Morgen fand man den Bären wohlbehalten in der Mühle. Nachdem der Müller seine Gäste noch mit Speis und Trank erquickt hatte, zog der Fremde mit seinem Bären unter herzlichem Dank von dannen. Und siehe, von Stunde an ließ sich kein Kobold mehr in der Mühle sehen. Der Bär musste es ihm verleidet haben.

Wer war glücklicher darüber als der Müller?

So ging wohl ein ganzes Jahr hin. Da, an einem dunklen Abend, als der Müller still in seiner Stube saß, öffnete sich leise die Tür. Zum Schrecken des Müllers steckte der Kobold seinen unförmlichen Kopf in die Stube und sagte: »Möllä, Möllä, lewet juwe jeote schwarte Katt’ noch?«

Rasch fasste sich der Müller und rief: »Jo, deh lewet noch und hett sewen Jungen!« Da schlug der Kobold entsetzt die Tür zu und ist seitdem nie wiedergekommen.