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Ein Ostseepirat Band 2 – Kapitel 22

Carl Schmeling
Ein Ostseepirat
Historischer Roman, Zweiter Band
XXII. Eine Invitation

Jacobson hatte, als er die hohe See bei Kol­berg gewonnen hatte, seine vier Schiffe sich trennen lassen, um einzelne gewisse Schlupfwinkel der Pommerschen Küste zu erreichen.

Als dies geschehen war, entsendete er einen Boten zu dem Obersten von Belling mit einem Vorschlag, der diesem im Grunde genommen etwas gewagt schien, obwohl er nicht eben leicht von einem Wag­nis zurücktrat.

Belling beriet dasselbe indessen mit seinen Stabsoffizieren, wobei der Oberstleutnant von der Grieben dadurch den Ausschlag gab, dass er den Freischiffer als einen zwar überaus kühnen, doch auch zugleich besonnenen und glücklich kalkulierenden Menschen schilderte.

Der Mann, welcher mit der Baronin so uner­wartet zusammentraf, war der Bote des Kapitäns, und Belling hatte ihn mit der Antwort zurückgesen­det, dass er auf den Vorschlag Jacobsons eingehe.

Inzwischen war leichter Frost eingetreten und die schwedischen Schiffe eilten, die Häfen aufzu­suchen, um nicht von denselben ausgeschlossen zu werden.

Dies war dem Projekt des Freischiffers gün­stig und machte möglich, dass er sich ruhig mit sei­nen Schiffen nach Swinemünde begeben konnte, um von hier aus, solange das Wasser es noch erlaube, kleinere Unternehmungen in Booten zu machen, die bis zu dem offenen Wasser über das Eis getragen wurden.

Der Bote Jacobsons musste zugleich das Ge­schäft des Spions übernehmen und war zu diesem Zweck in Stralsund anwesend, welches er jedoch noch an dem Tage verließ, als er den Auftrag der Frau von Staelswerd erhalten hatte.

Er traf seinen Kapitän in der Peenemünder Schanze und richtete neben anderen Bestellungen den Auftrag der Baronin aus. Der Kapitän las den Brief und steckte ihn einstweilen lächelnd ein , um zuvörderst einige Anordnungen zu treffen, dann be­gab er sich in seine Wohnung an Land, sandte einen Kurier an König Friedrich ab, um diesen mit dem Anschlag, dessen Ausführung Belling zu unter­stützen versprochen hatte, zu unterrichten und nahm dann wiederum das Schreiben hervor.

Dasselbe lautete:

Mein Herr!

Ihr Ruf, der Sie nur ehren kann, hat mich aufmerksam auf Ihre Person gemacht, und die Be­ziehungen , in denen Sie zu meinem jetzigen Gemahl standen, macht Sie interessant genug in meinen Augen, Sie kennenzulernen. Weshalb? Das ist eine Frage, die sich bei diesem von mir ausgesprochenen­ Wunsch Ihnen aufdringen muss, und meine Ant­wort darauf lautet: Es ist vielleicht Laune, die Caprice eines mit nichts Interessantem beschäftigten Frauenzimmers. Doch wenn Sie der Mann sind, als welchen Ihre Handlungen Sie bezeichnen, und ich Sie mir vorstelle, so werden Sie gewiss so galant sein, dieser Laune einer Dame ein Affair zu brin­gen, da dasselbe auch für Sie nicht ohne gewissen Reiz sein dürfte. Die Noblesse der Stadt wird am Freitag eine Eispartie bis zum Palmer Ort machen. Ich denke, Sie werden sich bei dieser Gelegenheit mir nähern können. Vier Federn auf meinem Hut, die schwedischen und preußischen Farben darstellend, mögen Ihnen als Kennzeichen dienen. Ihrer Kühn­heit darf ich wohl zumuten, dass Sie sich rücksichts­los unter die ganze Sippschaft Ihrer Gegner mischen, die Sie zu verachten alle Ursache haben.

Der Brief war mit dem vollen Namen der Schreiberin unterzeichnet.

Jacobson ließ die Hand, welche denselben hielt, sinken, als er den Brief gelesen hatte, und begann nachzudenken.

»Soll das eine Falle sein?«, fragte er sich dabei und antwortete sofort. »Nein, dann würde nicht die Frau Staelswerds schreiben. Die Frau dessel­ben! Nur einen Fleck auf die Ehre dieses Menschen zu werfen, dürfte mir wohl anstehen. Ich werde der Einladung nachkommen!«

Am Morgen des Tages, der zu der Eispartie bestimmt war, verließ Jacobson ganz allein und auf Schlittschuhen seinen Aufenthalt, um in den bereits mit Eis belegten Greifswalder Bodden zu laufen.

Ein paar Stunden genügten dazu, und er kam zeitig genug an das Ziel, um dort einige Stunden zu ruhen und sich vollständig so auszustaffieren, dass er nicht so leicht zu erkennen war. Jacobson hatte die Uniform eines schwedischen Artillerieoffiziers ge­wählt, weil diese es ihm möglich machte, durch ihren hohen Kragen die Wurstlocken der Haartour und der breitrandige Hut sein Gesicht fast gänzlich zu verbergen.

Die Gesellschaft kam näher und erreichte das Ziel ihres Ausfluges zwischen drei und vier Uhr, einer Tageszeit, zu der es im Herbst schon bedeutend zu dunkeln beginnt.

Das Gewirr um das damals hier stehende Fähr- und Gasthaus war so bedeutend, dass es einem ganz Fremden leicht werden musste, sich in dasselbe zu mischen, was denn auch Jacobson, der sich ein Zimmer genommen hatte, sofort tat, das Erkennungszeichen zu entdecken.

Es hielt nicht schwer, die Dame mit den vier Federn in schwarz, weiß, blau und gelb herauszufinden. Jacobson prüfte zuvörderst die Umgebung derselben, in der er jedoch nichts Verdächtiges be­merkte.

Wohl aber entdeckte er, dass auch Staelswerd mit wahren Luchsaugen alle Bewegungen der Dame beobachtete und namentlich alle Personen, die sich derselben näherten, aufmerksam prüfte.

»Also so weit schon!«, murmelte der Kapitän, »ich muss vorsichtig sein, wenn dies dennoch eine plumpe List wäre, mich zu ergreifen. Offenbar sind die Burschen dort in der Umgebung des Ober­st so etwas wie seine Adjutanten oder Handlan­ger. Herr Oberst, wenn Sie pfiffig sind, bin ich schlau!«

Der Kapitän drängte sich mit in das Haus hinein, versuchte aber an der Tür zu bleiben, bis die Damen, in deren Kreis die Baronin noch immer weilte, ebenfalls das Haus betraten.

Jacobson hatte richtig vermutet, dass hier ein Moment eintreten müsse, in dem der Oberst seine Gemahlin aus den Augen verlieren müsse und in denen er einige Worte an die Dame richten könne.

Als dieselbe an ihm vorüberschritt, flüsterte er: »Das Zimmer Nr. 1 eine Treppe!«

»Ah …«, machte die Baronin, fügte aber sofort hinzu: »In einer Sekunde!«

An Zimmern war in dem für eine so zahlreiche Gesellschaft viel zu kleinen Haus bedeutende Not; nur die bevorzugten Damen konnten, und zwar auch nur immer mehrere zusammen, besondere Zimmer zur Veränderung der Toilette erlangen.

Jacobson hielt sich nun nicht weiter an der Haustür auf, sondern eilte, das von ihm mit Beschlag belegte Zimmer zu erreichen, das gleich darauf auch die Baronin betrat. »Kapitän Jacobson?«, fragte dieselbe kurz.

»Ihr gehorsamer Diener, gnädige Frau!«, sagte der Kapitän, seine Flachstour abnehmend.

Die Frau betrachtete ihn aufmerksam. »Sie werden meinen Wunsch sonderbar fin­den!«, fuhr dieselbe fort.

»Nicht im Geringsten!«, antwortete der Kapitän, »ich begreife sogar recht gut, dass die Gemahlin des Oberst Staelswerd seinen ärgsten Gegner kennenzulernen wünscht.«

»Keine derartigen Schlüsse, mein Herr, ich wollte hauptsächlich sehen, ob eine Dame, wie Fräu­lein Clara von der Grieben, einen guten Geschmack gezeigt.«

»Nun, wie urteilen Sie darüber, meine Dame?«

»Sie sind nicht hübsch, doch interessant, und Ihr Ruf gibt Ihnen einen Nimbus!«

»Ich danke für dies Kompliment.«

»Es soll keins sein, aber dachten Sie bei meiner Einladung nicht an Verrat?«

»Nicht von Ihrer Seite; doch an Zufälligkeiten. Es sind zweihundert gut bewaffnete flinke Schlittschuh­läufer in der Nähe. Bin ich beim Aufbruch der Ge­sellschaft nicht bei ihnen eingetroffen, wird diese Stralsund nicht wieder erreichen, sondern ihre Mit­glieder samt und sonders Gefangene des Königs von Preußen sein!«

»Ich wünsche dies nicht!«

»Ich beabsichtigte es sonst auch nicht, doch Ihr Gemahl beobachtete sie scharf. Ich glaube, er ahnt etwas!«

»Das glaube ich selbst!«

»Es dürfte deshalb gut sein, unsere Zusammenkunft abzukürzen.«

»Ja – werden Sie Clara von der Grieben zu Ihrer Gemahlin wählen?«

»Ich glaube wohl – wenn die Eltern sonst mir diese Verbindung gestatten wollen!«

»So darf ich wohl nur um Ihre Freundschaft bitten?«

»Ich habe nur diese zu gewähren!«

»Ich bitte darum und hoffe, Ihnen nützlich sein zu können.«

»Sie sind sehr gütig!«

»Ich darf dies Zimmer nach Ihrer Entfernung behalten!«

»Es ist für Sie bestimmt!«

»Sehr aufmerksam, mein Herr. Wann sehen wir uns wieder?«

»Wann und wo Sie wollen!«

»Also in Stralsund?«

»Ich werde mich einstellen. Sie wünschen vielleicht von dem Oberst befreit zu sein?«

»Eigentlich nicht – ich ertrage ihn wie ein notwendiges Übel.«

»So darf ich mich empfehlen?«

»Nehmen Sie dies als Andenken an unsere Be­kanntschaft!«

Die Baronin löste ein Medaillon von ihrer Brust, welches ihr Portrait enthielt. Der Kapitän nahm es, küsste ihre Hand und entfernte sich.

Inzwischen hatte sich der Oberst so wie seine Gehilfen vergeblich nach der ihnen aus den Augen gekommenen Dame umgesehen.

Im Saal war sie nicht zu finden, in der Um­gebung des Hauses ebenfalls nicht, und der Oberst, sich ganz richtig für überlistet haltend, wurde wütend.

Es war während dieser Zeit noch finsterer als bisher geworden. Jacobson trat unbemerkt aus dem Haus, ging an das Ufer, holte seine verborge­nen Schlittschuhe hervor und befestigte sie an seinen Füßen.

Als er sich aufrichtete, erregte wahrscheinlich der Umstand, dass er sich derselben bediente, den Verdacht eines der Leute des Oberst, welcher sich beeilte, diesen von seinen Vermutungen in Kenntnis zu setzen.

Der Oberst eilte herbei und sah, wie die ver­dächtige Person davonlief. »Feuer!«, rief er seinen Leuten zu. Zwei Schüsse fielen. Die Person Jacobsons verschwand in den Schatten der Dunkelheit.

Dagegen alarmierten die Schüsse die Gesellschaft. Alles stürzte heraus.

»Meine Herrschaften«, rief der Oberst, »der Freibeuter Jacobson ist unter uns gewesen. Die Schlittschuhe unter, vielleicht gelingt es uns, ihn zu ergreifen.«

Viele, besonders die Militärpersonen der Gesellschaft, kamen dieser Aufforderung nach und setzten sich in den Stand, einen Wettlauf zu beginnen. Die Baronin sah diesen Anstalten ruhig lächelnd aus dem Fenster zu.

Es wäre nicht übel, wenn die Herren den Pi­raten in die Hände fielen!, dachte sie.

Die Verfolgung begann, musste jedoch bald auf­gegeben werden, da es sich zeigte, dass das Eis von einer Anzahl verdächtigen Gestalten wimmelte. Man gab die Verfolgung auf.

Als der Oberst später mit seiner Gemahlin zusammentraf , warf er ihr einen scharfen Blick zu und sagte: »Sie waren lange abwesend!«

»So lange, wie mir beliebte!«, antwortete dieselbe, sich wegwendend.

»Gut!«, murmelte der Oberst, »du selbst sollst mir dienen, den Burschen in meine Gewalt zu be­kommen – und dann sprechen auch wir ein Wort untereinander.«

Ehe er wieder das Haus und den Saal, wo man sich über die Kühnheit des Freibeuters sprechend zu Tisch setzte, betrat, befahl er seinen Leuten, Wache zu halten. Eintretend teilte er der Gesellschaft mit, dass er für deren Sicherheit gesorgt habe.