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Sir Henry Morgan – Der Bukanier 28

Kapitän Marryat
Sir Henry Morgan – Der Bukanier
Aus dem Englischen von Dr. Carl Kolb
Adolf Krabbe Verlag, Stuttgart 1845

Achtundzwanzigstes Kapitel

Beginn des gefährlichen Marsches. Man findet nichts, um davon zu leben, als den Ruhm. Die Mannschaft wird angefallen. Symptome von Meuterei, welche diesmal durch Worte beschwichtigt wird. Viele Scharmützel und Spiele mit Bogen und Pfeilen.

Nachdem der Admiral Morgan seinem Freund und seinen Kameraden die letzte Ehre erwiesen hatte, begann er ernstlich das mühsame Unternehmen zu betreiben. Er hatte bereits die Festungswerke von Chagre, namentlich aber den Graben und die Palisaden wiederhergestellt. Sobald sich alles in einem geeigneten Wehrstand befand, setzte er eine Garnison von dreihundert Leuten unter dem Kommando des Kapitän Richard Norman in das Fort und über trug weiteren hundertfünfzig die Obhut über die Schiffe, welche er im Hafen zu lassen gedachte.

Um die Zeit, als Morgan in Chagre eintraf, bemächtigte er sich vier kleiner spanischer Schiffe, die er an Ort und Stelle vorfand, und mehrere kleine Fahrzeuge, Chatten genannt, welche dem Zweck von Küstenschiffen und dem Flusstransport von Kaufmannsgütern entsprachen. Diese Boote waren gewöhnlich mit zwei großen eisernen Kanonen und vier messingenen von kleinerem Kaliber bewaffnet. Die vorgefundenen erwiesen sich in dem gegenwärtigen Fall sehr nützlich.

Nachdem er seine Streitkraft, aus tausendvierhundert kühnen erfahrenen Kriegern bestehend, in sieben von diesen Fahrzeugen und sechsunddreißig Booten eingeschifft hatte, begann er am 9. Januar flussaufwärts gen Panama zu fahren – die Truppen wohlgemut und ruhmesdurstig, aber noch weit mehr auf Beute erpicht.

Am ersten Tag kamen sie auf dem ihnen unbekannten Fluss nur sechs Stunden vorwärts und langten an einem Platz, de los Bracos genannt, an, wo sie die erste feindliche Verschanzung zu Bestreitung ihrer Fahrt zu finden erwarteten, denn sie hatten Kunde erhalten, dass sie durch zahlreiche Barrikaden und Hinterhalte gehemmt werden würden. Sie fanden zwar keinen Feind, aber auch keine Mundvorräte. Indessen schifften sich doch die Truppen aus, um ihre verkrampften Glieder zu strecken und ein bisschen auszuruhen, während einzelne Abteilungen vergeblich die benachbarten Pflanzungen durchstöberten, ob sie nicht etwa Erfrischungen auftreiben könnten. Morgan, der in dem fruchtbaren Land eine kleine Armee wohl erhalten zu können hoffte, hatte es verabsäumt, Mundvorräte mitzunehmen. So wurden sie schon am ersten Tag ihres Marsches fast ausgehungert, denn sie fanden nichts, um ihren Bukanierappetit zu befriedigen, als Wasser und Tabak, den sie entweder rauchten oder kauten.

Den ganzen nächsten Tag setzten sie die Fahrt flussaufwärts fort und litten jämmerlichen Hunger. Mit Einbruch der Nacht erreichten sie einen Platz, Cruz de Jan Gallego genannt, welcher völlig verlassen und aller Lebensmittel bar war. An diesem Ort fanden sie den Fluss infolge der langen Dürre fast ganz ausgetrocknet. Das Treibholz, welches im Schlamm eingebettet lag, bildete ein weiteres unübersteigbares Hindernis. Sie sahen sich daher genötigt, ihre Boote und Kanus zu verlassen und an Land zu gehen.

Die Kundschafter teilten ihnen mit, dass sie zwei Stunden weiter oben das Land für den Marsch praktikabel finden würden. Morgan befahl daher am nächsten Tag Kapitän Robert Delander, mit einer Wache von zweihundert Mann bei den Booten zu bleiben, damit dieser Rückzugsposten im Falle eines Unglücks gewahrt bleibe.

Zugleich erteilte er Kapitän Delander die Weisung, er solle unter keinem Vorwand einem seiner Leute erlauben, an Land zu gehen, damit sie nicht durch einen Hinterhalt in den nahegelegenen dichten und augenscheinlich undurchdringlichen Wäldern abgeschnitten würden. Den Hunger sollten sie ertragen, so gut sie konnten, und mit ihrem kleinen Vorrat an Lebensmitteln möglichst lange auszureichen versuchen. Ihre Kameraden würden ihnen Vorräte zuschicken, sobald sie selbst deren aufzutreiben vermochten.

Als jedoch Morgan in den Wald eindrang, fand er den Grund so sumpfig und schlammig, desgleichen das Gebüsch so dicht, dass er glaubte, er werde besser vorwärtskommen, wenn er einen Teil seiner Armee in einigen der leichtesten Kähne noch höher flussaufwärts bis zu einem Platz, Cedro Bueno genannt, fahren lasse.

Letzteres geschah in drei Abteilungen. Mit Einbruch der Nacht fand sich der ganze Heerhaufen wieder mit denen zusammen, welche sich durch das Gebüsch Bahn gemacht hatten. Die Kähne kehrten wie der nach Cruz de Juan Gallego zurück.

Da die wenigen Mundvorräte, welche sie besaßen, in den Booten geblieben waren, so hatte die Armee einen zugäblichen Hunger zu erstehen, oder vielmehr – es steigerte sich derjenige, dem sie schon so lange ausgesetzt waren. Sie durchspürten das Land, so weit sie es wagen durften, konnten aber weder Spanier noch Indianer treffen, sondern mussten eben Kräuter, Blätter und Beeren verzehren, deren Beschaffenheit ihnen unbekannt war.

Am vierten Tag ihres Vorrückens stießen sie auf einige sehr leichte Indianerkanus, in welche sie so viel Mannschaft setzten, wie anging, während der größere Teil zu Land weiterzog. So rückten sie unter der Weisung sorgfältiger Führer auf dem Fluss und zu Lande vor, bis sie gegen Mittag Perna Cavallos erreichten.

Hier kündigte einer der Vorhut einen Hinterhalt an – zur großen Freude der Engländer, welchen die Kunde so willkommen war, als würde ihnen ein Mittagsmahl angesagt. Aber zu ihrem großen Verdruss fanden sie den Platz verlassen und nichts vor, als einen Haufen leerer lederner Säcke und einige Brotkrumen, die auf dem Boden umhergestreut lagen.

Trotz des Ungestüms ihres Hungers und der Bitterkeit der getäuschten Erwartung taten sie doch in ihrer kläglichen Lage ihr Bestes. Sie rissen die Häuser nieder, wandelten sie zu Brennstoff um, sotten die Säcke und warfen in den Kessel diejenigen vegetabilischen Stoffe, welche ihnen essbar dünkten. Von diesem Gericht hätten sie wohl ein weit gemächlicheres Mahl halten können, wenn es nicht über der Verteilung desselben zu schrecklichen Händeln gekommen wäre. Morgan und seine Offiziere erklärten später, die Mannschaft sei ihnen so gierig vorgekommen, dass sie wahrscheinlich jeden Spanier oder Indianer, den sie erwischt hätte, gekocht und verspeist haben würde.

Nach diesem Mahl rückten sie gegen Torna Munni vor, wo die Spanier gleichfalls einen Hinterhalt gebildet hatten. Indessen musste Letzteren doch der Mut entsunken sein, da sie vermutlich ein Ahnung vom Zustand der englischen Magen hatten. Der starke Posten waren verlassen und allen Proviants bar. Wie glücklich schätzten sich jetzt diejenigen, welche sich heimlich zum Nachtessen ein kleines Stück Leder aufbewahrt hatten. Wir wollen nun die eigenen Worte eines der Leidensbrüder anführen.

»Leute, welche nie aus den Küchen ihrer Mütter hervorgekommen sind, können wohl fragen, wie die Piraten so harte und trockene Lederstücke essen, schlucken und verdauen konnten. Ich antworte ihnen darauf bloß, dass sie sich dies leicht erklären könnten, wenn sie aus Erfahrung wüssten, was ein rechter Heißhunger ist. Wir zerschnitten zuvörderst das Leder in Stücke, schlugen es zwischen zwei Steinen, rieben es und tauchten es dabei oft in das Wasser des Flusses, um es auf diese Weise geschmeidiger zu machen. Endlich schabten wir die Haare ab, rösteten es oder kochten es über dem Feuer. Dann wurde es in kleine Stücke geschnitten und mit häufigen Schlucken Wassers hinuntergewürgt.«

Was unser Gewährsmann Leder nennt, muss wohl aus nichtgegerbten Häuten bestanden haben – eine sehr nahrhafte Substanz, wenn man nur die Verdauungsorgane bewegen kann, sie zu assimilieren.

Am fünften Tag des Marsches kam die Armee zu Barbacoa an. Hier fanden sich gleichfalls die Spuren eines Lagers, aber wieder nichts zu essen – nicht einmal lederne Säcke. Die Lage der Eindringlinge wurde nach und nach verzweifelt. Man schickte nach allen Richtungen starke Haufen aus, um Lebensmittel herbeizubringen.

Es scheint fast, als ob diese Unternehmung unter dem besonderen Schutz der Vorsehung stand, denn während die Verzweiflung jedem aus dem Gesicht starrte, wollte es der reinste Zufall, dass zwei Säcke Mehl, unterschiedliche Mundvorräte, zwei Krüge Wein und mehrere Bündel jener nahrhaften und füllenden Früchte, welche man Paradiesfeigen nennt, aufgefunden wurden. Man setzte augenblicklich eine starke Wache über diesen Schatz und reichte zuerst denen Nahrung, welche der Hunger beinahe aufgerieben hatte.

Nachdem dies geschehen war, blieb immerhin noch genug übrig, um jedem ein spärliches Mahl zu verabreichen. Man brachte sodann die Schwächsten in die Kanus. Da das Heer wieder bedeutend erfrischt war, so brachen sie mit erneuertem Mut und in der zuversichtlichen Hoffnung eines endlichen Erfolges wieder auf. Abends erreichten sie eine sehr ausgedehnte Pflanzung, welche alle Bequemlichkeit bot, nur kein Nachtessen. Mit sämtlichen Lebensmitteln war aufgeräumt worden.

Der Leser bemerkt, dass der größte Feind, mit welchem Morgan zu kämpfen hatte, der Hunger war. Am sechsten Tage rückten die Piraten nur wenig vor. Die Stärkeren, welche durch die Wälder zogen, fanden das Land unerträglich bergig und sahen sich genötigt, alle Vegetabilien zu verzehren, die sie kauen oder verschlucken konnten. Hier hätten sie umkehren oder zu Grunde gehen müssen, wenn sie nicht gegen Mittag eine Scheune voll Mais entdeckt hätten. Wie wilde Bestien stürzten sie darauf los und verzehrten es trocken, indem sie zugleich die Türen einschlugen und die Mauern niederwarfen. Nachdem die erste Wut des Hungers vorüber und die Ordnung wiederhergestellt war, wurde der Rest des Maises auf die ganze Armee verteilt.

Sie rückten dann vor, waren aber noch nicht weit gekommen, als sie auf einen Hinterhalt von ungefähr hundert Indianern trafen. Nun warfen die Piraten törichterweise ihr Korn weg und traten es, während sie diese schnellfüßigen Feinde verfolgten, in den Schlamm. Aber trotz ihrer Eile konnten sie doch nur ihre Feinde auf der anderen Seite des Chagre-Flusses sehen. Mehrere Engländer sprangen ins Wasser, wateten oder schwammen zur anderen Seite hinüber, um etwa einen einzelnen Gefangenen zu machen, welcher aufdecken konnte, wo die Lebensmittel des Landes verborgen lägen. Indes führte dieser Versuch zu nichts, sondern wurde im Gegenteil für drei von Morgans Leuten verhängnisvoll. Sie fanden ihren Tod unter den Pfeilen der sich zurückziehenden Indianer, welche ihre Verfolger auszischten und ihnen zuriefen: »Nach der Ebene, nach der Ebene, ihr Hunde!«

Der Tag war nun schon zu weit vorgerückt, um über den Fluss zu setzen, was an dieser Stelle geschehen musste. Sie biwakierten daher für die Nacht auf dem nördlichen Ufer. Nun brach ein Teil der Truppen in offene Meuterei aus. Die verhungerten und ausgemergelten Elenden schmähten bitter über Morgan, aber er, den nichts schrecken konnte, ging, von seinen Kapitänen und Lieutenants begleitet, von Gruppe zu Gruppe, um den Mut der Leute neu zu beleben.

Die Aufgabe war schwierig. Sie verlangten Brot, und er gab ihnen schöne Worte. Die Sachlage hatte eine beunruhigende Gestalt gewonnen. Sie begannen, ihn und sein Gefolge beiseite zu stoßen, und riefen stets, sie wollten gerne in der Schlacht sterben, aber nicht wie elendes Gewürm in einer Wildnis verhungern. In dieser gefährlichen Krise stellte er sich an einen erhabenen Ort, wo er von allen gut gehört werden konnte, und sprach sie mit dem freundlichsten Gesicht folgendermaßen an: »Kameraden – tapfere Herzen! Es ist wahr, wir sind wirklich ein Rudel hungriger Hunde. Ich zählte auf die Kraft eures Mutes und vergaß die Schwäche eurer Mägen. Ich hatte unrecht. Lasst uns der Sache so gut Abhilfe leisten, wie wir können.

Diejenigen, welche zurückzukehren wünschen, mögen auf die linke Seite treten. Tut es wohlgemut, meine Jungen.«

Ungefähr ein Drittel der Schar machte sich beiseite. Es war eine wahrhaft kläglich anzusehende Gruppe.

»Gut also, dies sind meine gezwickten Füchse, welche dem Ziel den Schwanz zuzudrehen gedenken. Ich wünsche ihnen alles Glück auf den Weg, denn ich ziehe nicht mit ihnen. Wohlan, meine Brüder Feueresser, wir setzen morgen über den Fluss, um in ein Land zu ziehen, wo Milch und Honig fließt, wo die Dublonen haufenweise vor der Tür liegen und die Juwelen nach Scheffeln gemessen werden. Ich will nichts sagen von den fetten Ochsen, den edlen Weinen, den leckeren Früchten und den noch süßeren Lippen der holden Señoritas. Was meint ihr, meine Jungen? Wer ist mit Harry Morgan für Panama? Sie mögen zur Rechten treten!«

Ein fröhlicher Haufen, sich auf ein weiteres Drittel belaufend, trat nun lachend und Hurra rufend auf die rechte Seite, und das letzte Drittel, abgemagerte, todmüde Leidende mit langen Gesichtern und elenden Körpern, blieb in der Mitte.

»Und was ist mit euch, Brüder, die ihr weder vorwärts noch zurück wollt? Ihr seht aus wie ein Haufen erbärmlicher Galgenhunde, was wollt ihr – rechts oder links? Sprecht ihr windvolle Memmen!«

Nun erhob sich ein Gemurmel unter diesen schwachen und kranken Elenden, des Inhalts, dass sie niederliegen und sterben wollten, wo sie seien, denn sie schämten sich, umzukehren, und konnten aus Schwäche nicht vorwärts. Sie sagten, es sei noch einige Religion unter ihnen; sie wollen sich gegenseitig den letzten Dienst erweisen und sterben, wo sie wären.

Obwohl Morgan nichts davon blicken ließ, war er doch von tiefem Mitleid gegen diese letzte Abteilung ergriffen, welche nur das physische Leiden besiegt hatte. Er unterdrückte jedoch alle Merkmale seiner Gefühle und machte ihnen den scherzhaften Vorschlag, da der Haufen, welcher umzukehren und der, welcher zu bleiben wünsche, fast gleich wäre, so sollten sie in Schlachtordnung gegeneinander aufziehen und fechten, solange noch auf jeder Seite ein Mann am Leben sei. So würden sie wenigstens einen ehrenhaften Tod finden und der indianischen Folter oder einem langsamen Hinsterben unter Büschen oder in Löchern, wo Schlangen und Insekten sie aufzehren würden, ehe das Leben erloschen sei, entgehen. Er versprach ihnen, während des Kampfes mit seinen lustigen Vorwärtsleuten das Schlachtfeld zu wahren, und erbot sich, seine Güte soweit auszudehnen, dass er die Verwundeten jeder Seite, denen ein langsamer Tod bevorstehen dürfte, auf den Kopf schlagen wolle. Dann ließ er von seinem scherzenden Ton ab und berief sich auf ihr Urteil, auf ihre bessere Gefühle, auf seine brüderliche Sorgfalt für ihr Leben und ihre Gesundheit, zuletzt aber auf die Männlichkeit des englischen Charakters.

Um die Wirkung seiner Rede zu verstärken, ließ nun Morgan einen der Führer vortreten, welcher die Versicherung abgab, sie hätten jetzt das Schlimmste ihrer Reise überstanden und würden bald im Überfluss schwelgen. Die Meuterer schämten sich vor sich selbst und fassten wieder Muth, durch ihre Hurrarufe die Rückkehr zur Pflicht und ihr Vertrauen auf ihren herrlichen Kommandeur an den Tag legend.

Am siebten Tag ihres Marsches waren sie vormittags emsig beschäftigt, ihre Waffen zu mustern und sich für jede Begegnung gefasst zu halten. Der Schlaf hatte die Schwäche infolge des Mangels an Nahrungsmitteln einigermaßen gehoben. Um Mittag setzten sie wohlgemut in den Kanus über den Fluss. Wie groß war ihr Jubel, als sie ein Dorf Namens Cruz oder Crur zu Gesicht bekamen, aus dessen sämtlichen Schornsteinen Rauch in die Höhe stieg. Sie meinten, die Spanier hätten sich zusammengetan, um das trefflichste Diner zu sieden und zu braten, welches die Ausgehungerten nur zu essen brauchten. Voll von dieser köstlichen Idee brachen sie aus ihren Reihen und machten sich in voller Hast auf den Weg. Aber wie niederschlagend war ihr Jammer, als sie, schnaubend und voll Schweiß an Ort und Stelle angelangt, die Entdeckung machten, dass die Feuer nicht nur auf den Herden, sondern durch alle Häuser loderten. Die Spanier hatten ein Vorspiel von Moskau in kleinem Maßstab gegeben. Sämtliche Häuser brannten nieder, die Ställe und Vorratshäuser des Königs von Spanien ausgenommen. Auch war nirgends etwas Essbares aufzufinden, als einige Katzen und Hunde. Diese Haustiere waren bald gekocht und verzehrt, da man das Feuer für sie nicht erst anzuschüren brauchte.

Nach diesem sehr willkommenen Mahl wollte es ihr gutes Glück, dass sie in einem Versteck der Vorratshäuser sechzehn Krüge Peruwein und einen ledernen Sack mit Brot fanden. Diese Schätze wurden gerecht und ohne Berücksichtigung des Ranges aufgeteilt. Man kann sich denken, mit welcher Gier die spärliche Labung hinuntergeschluckt wurde. Für einige Zeit waren übrigens die Resultate höchst beunruhigend, denn fast jeder Mann in der Armee fühlte sich unwohl, und man glaubte, sie alle seien hinterlistig vergiftet worden. Sie taten jedoch ihren Feinden hierin großes Unrecht, denn ihr Übelbefinden war nur die Folge ihres langen Fastens und der verschiedenen ungesunden Nahrung, welche sie zu sich genommen hatten, um ihren Hunger zu beschwichtigen.

Die Krankheit setzte ihnen so ernstlich zu, dass sie sich genötigt sahen, den ganzen Tag und die darauffolgende Nacht an Ort und Stelle zu bleiben.

Dieses Dorf Veracruz ist ungefähr sechsundzwanzig Stunden von Chagre und acht von Panama entfernt. Weiter hinauf kann der Fluss Chagre nicht beschifft werden. Die Kaufmannsgüter, welche von diesem Landungsplatz aus zu Wasser verführt wurden, mussten durch Maulesel von Panama hergeschafft werden, weshalb sich hin und wieder hierorts viele Reichtümer befanden. Der Admiral sah sich nun genötigt, seine ganze Mannschaft, wie krank und marschuntüchtig sie auch sein mochte, an Land zu setzen. Nachdem dies geschehen war, schickte er die Kanus zu Kapitän Robert Delander zurück, indem er nur ein einziges, das er sorgfältig am Ufer verbarg, zurückbehielt, um im Notfall eine Verbindung mit seiner Flotte herstellen zu können.

Die Indianer und Spanier hatten sich, nachdem sie Veracruz aufgegeben hatten, nicht weiter als zu den umliegenden Pflanzungen zurückgezogen. Es schien also, dass sie fortan ernstlicheren Widerstand zu leisten beabsichtigten. Der Admiral, welcher dies befürchtete, erließ gemessene Befehl, dass seine Soldaten das Städtchen nicht anders als in Haufen von wenigstens hundert Mann verlassen sollten.

Aber der Hunger kennt kein Gesetz. Eine kleine Abteilung Engländer wagte sich hinaus, um Mundvorrat aufzusuchen, wurde aber bald angegriffen und zurückgeschlagen, während die Feinde zugleich einen ihrer Leute gefangen nahmen. Am 17. Januar und dem achten Tag des Marsches las sich der Admiral, welcher nun stets General genannt wurde, zweihundert Mann als verlorene Hoffnung aus, die er zu Entdeckung des Wegs nach Panama und zu Säuberung der Hinterhalte vorausschickte. Dies war sehr nötig, da sich dieser Weg bisweilen zu Pfaden und Engpässen verengte, auf welchen nur vier Personen nebeneinander marschieren konnten. Als diese Abteilung vorwärts zog, gewahrte sie bald, dass sie rechts und links vom Feinde begleitet war, der sich jedoch nur in Zwischenräumen und für Augenblicke zeigte.

Nachdem sie zehn Stunden marschiert waren, erreichten sie einen Platz, Quebroda Obscura geheißen. Hier flogen plötzlich viertausend Pfeile von unsichtbaren Händen auf sie nieder. Der Angriff ging von einem hohen Felsgebirge aus, an welchem sich eine Austiefung befand, durch welchen nur ein einziger Reiter zumal ziehen konnte.

Dieser Pfeilregen beunruhigte die Engländer sehr. Da er aber nicht wiederholt wurde, so rückten sie vor und drangen in einen Wald, wo sie eine große Anzahl flüchtiger Indianer ansichtig wurden, welche sich augenscheinlich einen anderen Hinterhalt aussuchten. Ein Haufen blieb jedoch zurück und machte den Engländern so lange tapfer den Pfad streitig, bis ihr Häuptling verwundet fiel. Er wollte keinen Pardon annehmen und wurde daher von einem Soldaten, gegen welchen er seinen Hassagai erhoben hatte, erschossen. Viele Indianer fanden neben ihrem Führer den Tod. Vergeblich versuchten die Eindringlinge einen Gefangenen zu machen; die Indianer waren ihnen viel zu schnellfüßig. In diesem Scharmützel wurden drei Mann Engländer getötet und sieben verwundet.

Während der unterschiedlichen kleinen Gefechte, welche fast stündlich vorfielen, bemühten sich die Engländer vergeblich, einige Gefangene aufzugreifen, da die Indianer viel zu behänd waren. Wären die Eingeborenen ein wenig mehr mit militärischen Dingen vertraut gewesen, so hätte ohne Frage in dem eben beschriebenen Pass General Morgans ganze Vorhut zugrunde gehen müssen. Er wurde jedoch in der mitgeteilten Weise gewonnen. Als die Eindringlinge aus dem Wald auftauchten, breitete sich ein schöner Anblick reicher Wiesen, Gärten und herrlicher Kultur aller Art vor ihnen aus; die Nähe einer großen Stadt bekundend.

Ein nicht ganz so erfreuliches Schauspiel bot sich ihnen in einem weit stärkeren Indianerhaufen dar, welcher einen Hügel, in dessen Nähe sie vorbeimussten, besetzt hatte. Ein Trupp von fünfzig der flüchtigsten Männer wurde ausgelesen, um eine Verfolgung zu beginnen und wo möglich nur einen einzigen Gefangenen zu machen, von welchem Auskunft erhalten werden konnte. Aber es wollte nicht glücken; die Indianer waren stets viel zu schnell und flohen vor ihnen her, ihre Feinde mit allen möglichen Schimpfreden überhäufend.

Inzwischen hatte sich der Hauptheerhaufen unter Morgan seiner verlorenen Hoffnung angeschlossen. Die ganze Arme drängte nun in dichter Masse vorwärts, stets darauf Bedacht nehmend, dass der Weg durch Scharmützler gereinigt wurde. Bald erreichten sie einen Platz mit einem Wald vor sich, zu dessen beiden Seiten ein Berg stand. Morgan nahm von der einen Höhe Besitz, während, wie bereits bemerkt, die Indianer die andere behaupteten. Natürlich besorgte der General einen Hinterhalt im Wald und schickte daher zweihundert Mann ab, um dort aufzuräumen. Als die Indianer dies sahen, kamen sie von ihren Posten herab und drangen vor den Engländern ins Gehölz ein. Aber weder sie noch ein großer Haufen Spanier wagten es, standzuhalten, sondern flohen vor Morgans Avantgarde und verschwanden.

Nachdem die Bukanier den ganzen Tag gefochten und gefastet hatten, machten sie für die Nacht Halt, aber ihr Elend wurde durch den Regen sehr erhöht, welcher mit dem ganzen, in dem tropischen Klima gewöhnlichen Ungestüm niederfiel. Vergeblich suchten sie Schutz nur für ihre Waffen und ihre Munition, denn die Indianer hatten Stunden weit jedes bedeckte Gebäude niedergebrannt. Endlich wurden drei Schäferhütten entdeckt, in welchen die Waffen der ganzen Armee, desgleichen die Kranken und Verwundeten untergebracht wurden. Alle anderen blieben aber die ganze Nacht über dem hartnäckigsten und unbarmherzigsten Regen ausgesetzt.

Zum Glück brach der Morgen wolkenlos an, und die durchnässte Armee begann augenblicklich ihren Marsch. Nach zwei Stunden entdeckten sie einen Trupp von zwanzig berittenen Spaniern, welche die Armee den ganzen Tag umschwärmten und deren Bewegungen beobachteten. Aber jeder Versuch, einen davon gefangen zu nehmen, erwies sich fruchtlos, denn sie waren im Nu außer Sicht und hatten sich nach Plätzen zurückgezogen, wohin ihnen die Engländer nicht zu folgen wagten. Gegen Mittag erreichten sie endlich eine Anhöhe, von der aus sie zu ihrer unendlichen Freude die südliche See entdeckten. Die Berge hallten wider von ihrem Jubelruf. Dies war am 17. Januar und am neunten Tag ihres beschwerlichen Marsches. Von hier aus bemerkten sie, dass die Spanier zu Panama bereits in Tätigkeit waren, denn ein großes und mehrere kleinere Schiffe segelten von dem Platz aus den beiden Inseln Tovago und Tovagilla zu.

Alles bot ihnen jetzt einen erfreulichen Anblick. Als sie in das Tal hinunterstiegen, trafen sie auf große Herden. Nun begann augenblicklich das Schlachten, Sieden und Braten, wie denn überhaupt der ganze übrige Tag vornämlich in Schmausen verbracht wurde.

Wie sie sich dieses Mahles erfreuten, mag aus dem Zeugnis eines Mitstreiters erhellen, welcher sagte: »Man schnitt das Fleisch dieser Tiere in zweckmäßige Stücke und warf dieselben ins Feuer, um sie halb verkohlt oder geröstet wieder herauszunehmen und sodann mit unglaublichem Eifer und Appetit zu verzehren. Ihr Hunger war so groß, dass sie bei diesem Bankett eher Kannibalen als Europäern glichen, denn das Blut lief ihnen oft über die Bärte zum Gürtel herunter.«

Sie verzehrten ihr Fleisch mit dem blutigen Saft und ein Apizianer hätte sie um ihren Appetit beneiden können.

Morgan ließ seinen Leuten einige Stunden Frist, um sich ihrer köstlichen Labung zu erfreuen, und brach dann ein wenig vor Sonnenuntergang wieder auf, indem er eine Abteilung von fünfzig Plänklern mit der Weisung voranschickte, ihr Äußerstes zu versuchen, um Gefangene zu machen. Letzteres war für ihn umso wichtiger, weil er während des neuntägigen Marsches über die Landenge auf keine einzige Person gestoßen war, von welcher er Auskunft über die Streitkraft und Lage des Feindes hatte erzielen können.

Kurze Zeit nach Sonnenuntergang zeigte sich eine Abteilung von zweihundert Spaniern vor Morgans Front und begann zu schreien. Sie hielten sich jedoch zu fern, um verstanden werden zu können. Während die Bukanier vorwärts drängten, um diese lärmenden Krieger zu überholen, wurden sie mit einem Mal der Türme von Panama ansichtig, und das ganze Heer blieb wie angewurzelt stehen. Dann folgten die ausschweifendsten Freudenbezeugungen. Die Hüte flogen in die Luft. Die Soldaten hüpften und jubelten, und im Nu erhoben sich hundert verschiedene Triumphgesänge. Dann schmetterte jede Trompete ihren lautesten Siegesmarsch, und die Trommeln wirbelten und donnerten darein. Sie betrachteten den Sieg als bereits gewonnen, die Stadt als geplündert und die Beute als geteilt.

Statt diesen Mangel an Mannszucht zu verweisen, gingen Morgan und seine Kapitäne von Glied zu Glied, ermutigten die Begeisterung ihrer Soldaten und neckten in scherzhafter Weise diejenigen, welche ein paar Tage früher hatten verzagen wollen, indem sie zugleich denen warmes Lob spendeten, welche ihr Mut nie verlassen hatte. In dieser aufgeregten Stimmung machten sie vor der Stadt Halt, um dieselbe am folgenden Tage anzugreifen.

Während des Jubelns und unter dem Schall der Trompeten und Trommeln kamen fünfzig wohl bewaffnete Reiter von der Stadt her, um die Engländer auf ihrem Lagerplatz zu rekognoszieren. Sie näherten sich fast bis auf Musketenschussweite und hatten einen Trompeter bei sich, welcher sein Instrument wunderbar gut zu blasen verstand. Einige dieser Reiter waren sogar kühn genug, um auf Hörweite heranzukommen, und riefen dann mit schrecklichen Grimassen und drohender Haltung: »Ihr englischen Hunde! Wir werden euch treffen – wir werden euch treffen!«

Nachdem sie diese Heldentat verrichtet hatten, ritten sie stolz in die Stadt zurück, acht ihrer mit den besten Pferden versehenen Kameraden in der Nähe des Lagers lassend, damit dieselben auf die Bewegungen des Engländer Acht hätten. Auch die zweihundert Spanier, an denen sie auf ihrem Marsch vorbeigekommen waren, nahmen nun eine Stellung in ihrem Rücken ein und drohten so, die Eindringlinge abzusperren, währen die Artillerie auf den Befestigungswerken der Stadt ihr Feuer auf das Lager eröffnete – natürlich ohne es zu erreichen.

Alle diese Dinge machten den Bukanier keine Sorge, obwohl das Feuer des großen Geschützes die ganze Nacht über unterhalten wurde. Statt aller Antwort fingen die Engländer an, es sich gemütlich zu machen, denn obwohl sie eigentlich umringt waren, setzten sie sich doch ganz ruhig nieder, öffneten ihre Tornister und langten die übrigen Stücke halb gerösteten Ochsen- und Schöpsenfleisches heraus, welche sie sich von ihren Mittagsmal erspart hatten. Wenn man sie so essen sah, würde man wohl kaum geglaubt haben, dass sie erst kürzlich Mittag gemacht hatten.

Nachdem sie ihren Appetit zufrieden gestellt hatten, legten sie sich ungeachtet des Lärms der spanischen Kanonen ruhig auf das Gras nieder und verfielen in tiefen Schlaf, in welchem sie köstlich von Beute, Gelagen und Dirnen träumten, die ihnen der nächste Morgen bringen sollte.

Früh am anderen Tag setzte General Morgan sein ganzes Heer in Bewegung, indem er es anfangs auf der Landstraße unmittelbar gegen die Stadt anrücken ließ. Dann aber rief er einen der Führer zu sich, beriet sich mit ihm und lenkte plötzlich nach rechts ab, um einen Pfad durch die Wälder einzuschlagen, der viel sicherer, obwohl viel lästiger und äußerst schwierig zu begehen war. Hätten die Pferde Gepäck oder Artillerie bei sich gehabt, so wären sie wohl außerstande gewesen, sich einen Durchgang zu erzwingen. Durch ihren Umweg entgingen sie einer Mine und mehreren Hinterhalten. Die Spanier sahen sich daher genötigt, ihre Batterien und Barrikaden zu verlassen und eine neue Stellung einzunehmen, um Morgans Heer, wenn es aus dem Wald auftauchte, entgegentreten zu können. Don Guzman, der Präsident von Panama, hatte seine Streitkräfte vor der Linie der Stadt aufgestellt. Sie bestanden aus zwei Schwadronen Reiterei und vier Regimentern Fußvolk mit mehreren tausend Stücken einer neuen Art von Hilfstruppen: Man hatte nämlich Herden wilder Stiere beigetrieben und die Behandlung derselben einer zureichenden Anzahl von Indianern und Negern, welche in derartigen Dingen wohl bewandert waren, übertragen. Die Spanier musterten zweitausendeinhundert Mann Fußvolk und sechshundert Reiter, während Morgan kaum tausend Mann in Reih und Glied stellen konnte.

Der General und seine Bukanier tauchten aus dem Wald auf, ohne von den Spaniern im Geringsten belästigt zu werden, weil Letztere ihr wildes Vieh und ihre Reiterei auf der Savanna operieren lassen wollten. Aber viele von den Engländern erschraken nicht wenig, als sie die zahlreichen Streitkräfte des Feindes und dessen starke Position zu Gesicht bekamen. Abermals musste Morgan seine Beredsamkeit aufbieten. Er ging von Reihe zu Reihe, spornte seine Leute zum Mut der Verzweiflung an. Jeder verpflichtete sich gegen seinen Nachbar, entweder zu siegen oder zu sterben.

Nachdem das Bukanierheer aus dem Wald herausgekommen war, zog es in drei Linien auf, deren jede für sich eine Division bildete. Die Vorhut, welche nur aus dreihundert Mann bestand, wurde von Obrist Lieutenant Lawrence Prince und Major John Morris kommandiert. Das Hauptkorps zählte sechshundert und hatte den Obristen Eduard Collier zum Kommandanten, während die aus dreihundert Mann bestehende Nachhut von Obrist Bleadry durch Morgan befehligt wurde. Der Leser wird bemerken, dass diese Gentlemen mit ihren militärischen Landtiteln zur See Admirale und Kommandeure waren.

Morgan wollte die Anhöhe, von welcher aus er den Wald in seinem Rücken hatte, nicht verlassen. Ebenso wenig dachte Don Guzman daran, die weite Ebene, in welcher er sich aufgepflanzt und die für die Operation des Viehs und seiner Kavallerie so günstig war, aufzugeben. Unser Held bot allem auf, um den Feind zum Beginn des Angriffs zu reizen, indem er kleine Abteilungen Schützen aussandte. Aber diese wurden auf ihrem Rückzug, den sie antraten, sobald sie ihre Musketen abgeschossen hatten, nicht verfolgt. Als Morgan dies bemerkte, zog er sich langsam um den Flügel der Spanier – ein Manöver, das man in der neueren Kriegskunst überflügeln nennen würde. Dies konnten die Engländer einige Zeit unangefochten tun und gewannen dadurch den Vorteil sowohl der Sonne als auch des Windes. Endlich sah sich Don Guzman genötigt, seine Front zu verändern. Da jedoch seine Truppen nicht an militärische Operationen in großartigem Maßstab gewöhnt waren, so wurden sie, ehe sie ihre Stellung wechseln konnten, durch einen Sumpf in Verlegenheit gesetzt, der zwischen ihnen und den Engländern lag, und in den sie ihre Feinde zu verstricken gehofft hatten.

Als Morgan diese teilweise Anordnung bemerkte, rückte er ein wenig in die Ebene vor, um davon Vorteil zu ziehen. Aber nun griff der General der spanischen Reiterei, Franzisco Detarro, die englische Vorhut unter dem lauten Ruf Viva el Rey an. Morgan hatte keine Picken in seinem Heer. Die Vorhut verdoppelte daher ihre Reihen. Die erste ließ sich auf das Knie nieder, worauf sie der Kavallerie eine so mörderische Salve gab, dass fast ihre ganze Vorderzeile fiel und die Hinteren augenblicklich zur Flucht umwandten. Allerdings versuchten sie sich wieder zu sammeln, aber dennoch wurde es ihnen unmöglich, eine vereinigte Bewegung auszuführen. Die Bukanier schossen sie so leicht und regelmäßig zusammen, als feuerten sie bei einer Truppenmusterung auf Scheiben.

Bisher war nur die englische Vorhut im Gefecht gewesen, hatte aber dennoch die Kavallerie völlig zerstreut und den tapferen Führer derselben Don, Franzisco Detarro getötet. Nun aber rückte die Hauptmasse des spanischen Fußvolks vor. Der englische Vortrab öffnete sich nun in seinem Zentrum nach rechts und links, zog sich zurück und bildete somit die Zeile des Hauptkorps drei Seiten eines hohlen Vierecks. Wie die spanische Infanterie also von drei Seiten umschlossen war, befand sie sich sogar in einer noch viel schlimmeren Lage, als es bei ihrer Reiterei der Fall gewesen war. Die Sache wollte ihnen durchaus nicht gefallen. Nachdem sie einen ungeheuren Verlust erlitten hatten, denn sie fochten mutig, versuchten sie, durch langsamen Rückzug sich zu befreien. Während sie so das Feld freigaben, ließ Morgan seinen Nachtrab gegen ihre linke Flanke vorrücken. Nun wandelte sich der Rückzug in förmliche Flucht um, in welcher übrigens die Spanier stets eine gewisse Ordnung beobachteten.

Unter Kampf und Verfolgung ließen sich die Engländer allmählich in die Ebene hinunterziehen. da ihre Nachhut nicht länger durch den Wald gedeckt war, so ersahen die Spanier die Gelegenheit, von ihrem rechten und linken Flügel aus je fünfzehnhundert wilde Stiere abzuhetzen. Aber diese Verbündeten leisteten den Spaniern keinen wesentlichen Dienst. Durch das Getöse der Schlacht erschreckt, flüchteten sie nach allen Richtungen. Die wenigen, nebst in die Reihen der Bukanier brachen, beschäftigten sich damit, dass sie die englischen Banner in Stücke rissen und die Trommeln in die Luft schleuderten. Wenn sie sich allzu lästig machten, wurden sie ruhig niedergeschossen.

Der Kampf hatte nun zwei Stunden gewährt. Fast die ganze spanische Kavallerie bedeckte den Kampfplatz. Die wilden Stiere waren verschwunden oder getötet worden, und der Rest der Infanterie warf verzweifelnd seine Waffen weg, um sich zu zerstreuen.

Die Engländer fühlten sich so schrecklich erschöpft, dass ihnen jedes Nachsetzen unmöglich war. Viele von den Flüchtlingen, welche die Stadt nicht zu erreichen vermochten, verbargen sich in Büschen oder unter den Felsen am Meer. Diese wurden aufgefunden, er hielten aber keinen Pardon, da sich die Aufregung und Wut der Schlacht in den Herzen der Eindringlinge noch nicht gelegt hatte.

Mittlerweile hatte Morgan seine Streitkräfte wieder geordnet. Er bestellte jetzt Kundschafter und erwog eben auf dem Schlachtfeld, das er so ritterlich gewonnen hatte, seine nächsten Maßregeln, als elf Priester und ein spanischer Kapitän gefangen eingebracht wurden. Das walische Blut Morgans war in Gärung, und bis jetzt hatte man auf keiner Seite Pardon weder gegeben noch begehrt. Die Mönche fielen in ihren Ornaten vor ihm auf die Knie nieder und erflehten unter herzzerreißendem Geschrei und Lamentieren, den General bei Liebe Christi beschwörend, um ihr Leben.

Viele Handlungen unsers Helden sind von der Art, dass wir schändlich schnöde handeln würden, wenn wir sie zu bemänteln versuchen wollten. Er befahl, die am Boden liegende Männer langsam und der Reihe nach zu erschießen. Sie waren das Racheopfer für den Tod Joseph Bradleys.

Den Krieger schonte Morgan. Er erfuhr von diesem Mann, dass sich die Stadt in gutem Verteidigungsstand befinde und wohl verschanzt sei; da in den Hauptstraßen Barrikaden wären und an mehreren Plätzen starke Batterien aufgepflanzt stünden. Unser Held erfuhr noch ferner, dass sich am Haupteingang der Stadt in den Straßen eine Batterie mit acht großen Mössingkanonen und fünfzig Mann befinde. Panama selbst beherberge im Ganzen zweihundert frische Soldaten und zweiunddreißig Stück schweren Ordonnanz-Geschützes.

Nachdem sich General Morgan Zeit genommen hatte, über seine künftige Schritte Erwägungen anzustellen, befahl er, dass fernerhin die Gefangenen geschont werden sollten, und begann sodann, seine Truppen zu mustern. Zu seinem großen Verdruss fand er, dass sein Verlust weit beträchtlicher war, als er anfänglich geglaubt, zugleich aber auch, dass die Spanier furchtbar gelitten hatten.

Sechshundertsiebenundvierzig der Letzteren wurden tot auf dem Kampfplatz gefunden. Dazu kamen noch viele Verwundete und Gefangene, welche in rascher Reihenfolge eingebracht wurden. Nachdem die Bukanier anderthalb Stunden ausgeruht hatten, ließ Morgan, unter Umgehung der Haupttore und alle Gefangene mit sich führend, gegen die Stadt marschieren. Aber trotz seiner Vorsicht, mussten seine Leute doch vielen Verteidigungswerken standhalten, deren Kanonen Schauer von Musketenkugeln über sie ergossen und die Reihen mit jedem Schritt lichteten. Endlich drangen die Engländer in die Straßen ein und erreichten den Marktplatz, wo sich der Kampf für einige Zeit erneuerte. Aber nach dreistündigem scharfem Gefecht errang Morgan den völligen Besitz des Platzes, und jeder Spanier, der sich blicken ließ, wurde augenblicklich niedergeschossen.

So fiel die herrliche Stadt Panama vor einer bloßen Handvoll Abenteurern, die weder Gepäck noch Reiterei oder Artillerie besaßen. Der Feldzug glänzt als einer der wunderbarsten militärischen Heldentaten in der Geschichte. Es fand keine Überraschung, kein Verrat statt. Die Eroberung wurde durch das vollendete Feldherrentalent und einen Mut gewonnen, der nie übertroffen wurde. Wenn kriegerische Taten Ehre bringen können, so müssen Morgan und seine Gefährten unter ihrem Geschlecht die höchste Stufe einnehmen. Sie hatten mit einem tapferen, vorsichtigen Feind zu streiten. England darf stolz auf diese Männer sein, obwohl sie als Seeräuber gebrandmarkt worden sind. Ja, sie haben sich höchst rühmlich ausgezeichnet, wenn schon ihr Unternehmen von der Geschichte nicht unter den ehrenwerten genannt werden kann. Möge der Geist, welcher die Spanier auf der Landenge von Darien bezwang, nie unter uns erlöschen.