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Jack Lloyd Folge 21

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Die Ruhe vor dem Sturm

Jack stand an der Reling und tat, womit er seit geraumer Zeit beschäftigt war. Er starrte in die Richtung, in der die Jungfrau von Cartagena am Horizont zu sehen war. Zu seiner Verwunderung hatte er festgestellt, dass sie dem gejagten Schiff langsam aber sicher immer näher kamen. Er kannte die Jungfrau von ihrer letzten Verfolgung und ihm war klar, dass sie günstige Winde und eine Menge Glück brauchten, um dieses Schiff überhaupt einholen zu können. Bislang hatten sie eigentlich weder das eine noch das andere. Dennoch näherten sie sich beharrlich. Es war, als würde die Jungfrau von Cartagena nur darauf warten, dass die Swallow sie einholte. Oder wartete Edmund nur darauf, Jack wieder gegenüberzustehen? Sollte die Arroganz des Piraten wirklich so weit gehen, dass er seinen Auftrag gefährdete, nur um die Fehde mit seinem ehemaligen Kapitän fortführen zu können? Für so undiszipliniert hatte Jack den Mann, den er auch in der Zeit, als er unter ihm gedient hatte, nicht wirklich näher kennengelernt hatte, eigentlich nicht gehalten. Aber es fiel dem Kapitän ohnehin schwer, seinen Feind einzuschätzen. Wer hatte das Sagen an Bord der Jungfrau? Galt wirklich Edmunds Wort oder hatte der Piratenjäger, dem Edmund ja nun offensichtlich folgte, ihm vielleicht doch einen Kettenhund zugewiesen? Das und ähnliche Fragen gingen Jack ununterbrochen durch den Kopf, während seine Crew auf Hochtouren arbeitete, um die Chance zu erhalten, die Jungfrau wirklich noch einzuholen. Die Truppe war mittlerweile zusammengewachsen. Jeder wusste, was er zu tun hatte, und so gingen viele Handgriffe schon beinahe wie von selbst. Sogar die Anwesenheit Elenas und ihres Vaters schien keinen der Seemänner mehr weiter zu stören. Jack atmete tief durch, als er die schwere Hand seines alten Freundes und Mentors auf seiner Schulter spürte.

»Käpt´n, du solltest das Grübeln einstellen. Du machst die Männer nervös.«

»Nur die Männer?« Ein Lächeln huschte über Jacks Züge, doch das konnte Joe nicht über die tiefen Augenringe hinwegtäuschen, die seinen wesentlich jüngeren Freund zeichneten.

»Ich weiß, dass deine Sorge unbegründet ist, falls es das ist, was du meinst. Aber deine Mannschaft weiß das nicht. Und deine Gäste auch nicht.«

»Findest du es nicht auch eigenartig, dass sie sich uns einfach so angeschlossen haben?«

»Warum? Wir haben ein gemeinsames Interesse. Wir wollen Edmund und die Dokumente, sie wollen ihr Schiff zurück. Es mag vielleicht ein wenig gewagt erscheinen, dass sie uns soweit vertrauen, dass wir ihnen ihren Segler überantworten, wenn wir die Jungfrau erst einmal eingeholt haben. Aber das könnte an dem Eindruck liegen, den du bei Lady Elena hinterlassen hast.«

»Eindruck?« Jack sah seinen Maat fragend an. Der Blick wirkte so irritiert, dass Joe lauthals loslachte.

»Sag nur, du hast es noch nicht bemerkt«, prustete der alte Seebär, als er sich wieder ein wenig beruhigt hatte.

»Was bemerkt?« Jack zog die Stirn in Falten und schüttelte leicht den Kopf. Joe hörte auf zu lachen und sah den Kapitän verwirrt an.

»Du weißt es wirklich nicht? Mein lieber Junge, offensichtlich fehlen dir die Augen im Kopf.«

»Und was würden mir diese zeigen, wenn ich sie hätte?«

»Dass die junge Frau, die erst deine Gefangene und dann dein Gast war, dich mehr beobachtet als sonst irgendetwas auf diesem Schiff, und dass ihr Blick dabei zuweilen einen etwas verträumten Ausdruck annimmt.«

»Deine alten Augen spielen dir einen Streich, mein Freund. Und selbst wenn es so wäre, wie du es sagst, es spielt keine Rolle. Wir werden die Jungfrau einholen, sie entern und das Schiff zurückgeben. Anschließend trennen sich unsere Wege. Ihr Vater wird nach Havanna segeln, dort berichten, dass er von uns überfallen wurde und wir seine Dokumente gestohlen haben. Dann werden die Spanier beginnen, uns zu jagen, und wir werden das Katz und Maus Spiel beginnen, das wohl alle Freibeuter zu spielen haben.«

»Wenn du es sagst. Übrigens, was macht dich so sicher, dass wir die Jungfrau einholen? Das ist uns schon einmal nicht gelungen.«

»Mag sein. Aber sieh nur.« Jack streckte den Arm aus und deutete in die Richtung, in der die Jungfrau noch immer in einiger Entfernung vor ihnen segelte. »Es scheint, als hätten sie einen Teil der Segel eingeholt. Anders kann ich mir nicht erklären, dass sie so langsam sind. Der Wind müsste ihnen eigentlich gelegen kommen. Aber anstatt ihn zu nutzen, um so schnell wie möglich nach Port Royal zu gelangen, vermindert die Jungfrau ihre Fahrt immer mehr.«

Joe betrachtete das feindliche Schiff eine Weile. Leise murmelte er: »Du hast recht. Sollte dieser Teufelshund wirklich …«

»Er wartet auf uns, Joe. Heute Abend werden wir ihm wieder gegenüberstehen.«

Joe nickte. Dann legte er Jack wieder eine Hand auf die Schulter und sah seinem Kapitän tief in die Augen. »Versprich mir, dass du auf dich achtgeben wirst.«

Jack erwiderte den Blick reichlich irritiert. »Ein Kampf ist wie jeder andere auch.«

»Nicht dieser, mein Freund. Sobald Wut mitkämpft, wird man verwundbarer, besiegbarer.«

»Ich bin nicht wütend.«

»Oh doch. Spätestens, wenn du ihm gegenüberstehst, wirst du es sein.«

»Darüber sollten wir uns Gedanken machen, wenn ich ihm gegenüberstehe.«

Joe nickte langsam. Er wandte sich wieder dem Horizont zu und murmelte leise: »Wenn es dann mal nicht zu spät ist.«

***

Die Jungfrau von Cartagena wurde tatsächlich noch langsamer. So kam die Swallow immer näher an das feindliche Schiff heran. Der Tag neigte sich langsam dem Abend entgegen, als Jack auf dem Oberdeck stand und die Hände fest um das Holz des Geländers gelegt hatte.

»Wir sind gleich in Schussweite, Kapitän.«

»Sind die Kanonen bereit, Joe?«

»Sind sie, Käpt´n.«

Jack wartete noch einen Moment. Seine Augen suchten die des eigentlichen Besitzers der Jungfrau. Dieser sah ihn mit bangem Blick an. Die beiden hatten vereinbart, dass Jack keine Kettenkugeln verwenden würde, da die Jungfrau offenbar ohnehin nicht fliehen würde. Viel mehr wollte er, bevor sie zum Entern ansetzten, einige Kanonensalven auf den Gegner feuern lassen, um die Moral des Feindes zu brechen und die Zahl der Gegner zu reduzieren. Dabei stand natürlich außer Frage, dass auch das Schiff Schaden erleiden würde. Außerdem wussten sie nicht, was mit der ursprünglichen Mannschaft der Jungfrau geschehen war. Wenn die Piratenjäger die Männer einfach nur in einem der Lagerräume festgesetzt hatten, dann bestand auch die Gefahr, diese Männer zu verletzen oder gar zu töten. Dennoch hatte der spanische Kaufmann einsehen müssen, dass es einen Sieg ohne Kanonendonner nicht geben würde. Dazu war die Besatzung der Swallow zahlenmäßig einfach zu schwach.

Jack wartete noch einen Augenblick. Dann erklang seine mittlerweile befehlsgewohnte Stimme: »Ruder hart Steuerbord!«

Das Ruder wurde herumgerissen. Elena und ihr Vater, die neben Jack ebenfalls auf dem Oberdeck standen, hielten sich nervös am Geländer fest.

»Kanonen, Feuer!«

Der Befehl war kaum verklungen, da spuckten die Kanonen ihre tödliche Ladung in Richtung der Jungfrau von Cartagena aus. Da sie noch immer in einiger Entfernung zu dem Segler waren, fand nur etwas mehr als die Hälfte der Salve ihr Ziel, was die Männer auf dem feindlichen Segler mit lautem Wutgeschrei und Drohgebärden beantworteten. Aber noch kam keine Antwort in Form von Kugeln.

»Steuer hart Backbord!«, ertönte der nächste Befehl über das Deck. Schon nach wenigen Augenblicken war die Swallow wieder in der Spur und folgte der Jungfrau weiter auf ihrem Weg nach Port Royal. Die Männer an den Kanonen luden, so schnell es ging, nach. Noch zweimal wiederholte Jack das Manöver, jeweils einmal mit den Kanonen der Back- und der Steuerbordseite. Die Jungfrau von Cartagena wurde von der dritten Salve besonders schwer getroffen. Einer der Hilfsmasten knickte um und so wurde der Segler noch langsamer. Mittlerweile war von der Besatzung des Gegners an Bord kaum noch etwas zu sehen. Jack fragte sich, warum der Feind noch nicht einmal die Kanonen hatte sprechen lassen.

»Alles bereit machen zum Entern!«, erklang die Stimme des Kapitäns. Er selbst zog langsam sein Schwert und mit der anderen Hand seine einläufige Pistole. Die Swallow zog mit der Jungfrau von Cartagena gleich. Nur noch wenige Meter trennten die beiden Schiffe voneinander. Erste Enterharken wurden geworfen. Da geschah das, womit kaum noch jemand gerechnet hatte. Die Stückpforten der Jungfrau öffneten sich und eine Salve tödlicher Kanonenkugeln schlug in den Rumpf der Swallow ein. Lautes Wutgeschrei der Mannschaft zeigte Jack, dass der Schaden, den die feindlichen Kanonen angerichtet hatten, beträchtlich war. Nicht nur, dass ein Teil der Stückpforten der Swallow getroffen waren und die Kanonen dahinter stark beschädigt wurden. Der Feind hatte auch unter den Männern, die hinter den Kanonen gestanden hatten, einige Opfer gefunden. Jacks Gesicht verzog sich zu einer Grimasse der Wut und der Entschlossenheit. Als die beiden Schiffe endlich Seite an Seite lagen, fest durch mehrere Seile miteinander verbunden, warf Jack sich als Erster auf das Deck des Feindes, dicht gefolgt von Joe und Pablo. Der Kampf auf Leben und Tod hatte begonnen.

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters