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Felsenherz der Trapper – Teil 28.3

Felsenherz der Trapper
Selbst Erlebtes aus den Indianergebieten erzählt von Kapitän William Käbler
Erstveröffentlichung im Verlag moderner Lektüre GmbH, Berlin, 1922
Band 28
Das Geheimnis des Farmers
Drittes Kapitel

Als die beiden Trapper dann nach zwanzig Minuten aus dem Wald in die fruchtbare Niederung des Rio Benuto einlenkten, tauchte gerade der Mond auf.

Mit einem Schlag war die bisherige Finsternis in eine matte Dämmerung verwandelt, sodass die beiden Reiter ihre Tiere nun zu einem leichten Galopp aufmuntern konnten.

Nach fünf Minuten hatten sie den Draakensberg erreicht und sahen nun auch bald den großen plumpen Reisewagen der Goldsucher am Fuß des Berges stehen, sahen auch, dass in dem Leinwanddach an einer Stelle ein langes eckiges Loch klaffte.

»Was haltet Ihr davon, Tom?«, fragte Felsenherz und deutete auf den langen Riss.

»Hm – zwei von den Goldgräbern wollten ja nachts hier im Wagen schlafen und ihre Schätze bewachen. Ob etwa …« Er führte den Satz nicht zu Ende.

Felsenherz war schon dicht an den Wagen heran geritten und hatte den Kopf durch den Leinwandriss in das Innere des Wagens geschoben, hatte gerufen: »Hallo – aufwachen!«

Keine Antwort.

Da sprang der kleine Tom aus dem Sattel und kletterte schnell in den Wagen, tastete dort mit den Händen umher, prallte zurück.

Seine Hand hatte ein menschliches Gesicht berührt, hatte in etwas Nasses gefasst.

»Felsenherz – Felsenherz …!«, keuchte Tom, »hier liegt ein Toter – ein Skalpierter. – Ah … hier der zweite! – Das ist Apachenarbeit, Felsenherz!«

Der blonde Trapper, der noch zu Pferde saß, erwiderte nichts. Er sah jetzt einen der Ansiedler eilends herbeikommen, der hier Posten stand.

Der Farmer erkannte den berühmten Westmann sofort wieder.

»Wer schlief von den Goldgräbern hier im Wagen?«, fragte Felsenherz kurz.

»Die beiden jüngsten der Goldsucher.«

»Habt Ihr nichts Verdächtiges bemerkt? Seit wann habt Ihr die Wache?«

»Seit anderthalb Stunden. Nein – es war bisher alles ruhig.«

Da kletterte Tom aus dem Wagen heraus und sagte: »Mann, dankt Eurem Herrgott, dass es Euch nicht ebenso ergangen ist wie den beiden Goldsuchern da drinnen! Sie sind tot, skalpiert, und die vier Goldsäcke sind verschwunden.«

Der Farmer stammelte entsetzt: »Das – das ist doch unmöglich! Ich bin doch auch hier am Wagen stets vorbeigekommen. Ich habe die Süd- und Westseite des Berges zu bewachen.«

Felsenherz wollte keine Minute unbenutzt verstreichen lassen.

»Lauft und holt die übrigen Wachen!«, befahl er. »Die Osage haben sich mit den Apachen verbündet. Wir werden noch in dieser Nacht mit einem Angriff rechnen müssen.«

Der Farmer, ein noch sehr junger Bursche gehorchte sofort.

Felsenherz und Tom nahmen ihre Reittiere am Zügel und stiegen den Serpentinenweg hinauf.

Aus der zweiten terrassenartigen Abstufung trafen sie einen weiteren Posten, der sie anrief und ihnen dann mitteilte, dass auch er nichts Verdächtiges wahrgenommen hätte.

Felsenherz fiel jetzt der ermordete Hoffner ein.

»Dann hat Hoffner den Berg verlassen?«, fragte er den Ansiedler. »Hoffner muss doch an Euch vorübergekommen sein.«

»Hoffner?! – Nein, Landsmann Felsenherz, da irrt Ihr Euch! Der alte Hoffner ist oben in seiner Hütte. Keiner der Unsrigen hat den Berg verlassen, nachdem Sie und Tom davon geritten waren. Ich stehe hier schon die ganze Zeit über Posten.«

»Und doch ist Hoffner nicht in seiner Hütte oben!«, erklärte der blonde Trapper ebenso ernst wie nachdenklich. »Nein, Landsmann, der Ärmste wird seine Blockhütte nie wiedersehen. – Er ist drüben in der Prärie vor etwa einer Stunde erschossen worden. Ich selbst habe ihn gefunden, als er noch lebte. Er starb in meinen Armen.«

Der deutsche Farmer schüttelte ungläubig den Kopf.

»Landsmann Felsenherz, das kann nicht sein!«, meinte er. »Hoffner hätte hier an mir vorüber müssen. Ich bin sehr wachsam gewesen. Keine Katze hätte sich an mir vorbei schleichen können, geschweige denn ein Mensch.

Kaum hatte er den Satz beendet, als der würdige weiß bärtige Holländer Draaken von der oberen Terrasse nahte.

Als Draaken jetzt von Felsenherz hörte, was sich dort westwärts an der Bauminsel in der Prärie abgespielt und was Tom in dem Wagen der Goldsucher entdeckt hatte, wollte auch der rüstige Greis zunächst die Möglichkeit in Zweifel ziehen, dass Hoffner insgeheim die Ansiedlung verlassen hätte.

»Ich hatte ja den Unsrigen strengstens befohlen«, meinte er ganz verstört, »sich nicht zu entfernen. Ich habe Hoffner auch noch vor seiner Blockhütte gesehen, als die Posten bereits aufgestellt waren. Und wenn Ihr Landsmann Gruber hier behauptet, Hoffner sei nicht an ihm vorübergekommen, dann – dann ist es doch völlig unbegreiflich, dass Hoffner dort in der Prärie vor einer Stunde erschossen worden sein soll. Master Felsenherz Sie werden mir recht geben: das ist wirklich unbegreiflich, denn hier unser Berg fällt ja an den anderen Seiten über vierzehn Meter tief steil wie eine Mauer ab. Hoffner müsste also gerade an einem Seil hinabgeklettert sein! Und – ein so langes Seil besitzt keiner von uns. Außerdem – wozu sollte Hoffner solche Heimlichkeiten betrieben haben?«

Jetzt erst berichtete Felsenherz auch all das, was der Sterbende ihm über sein Geheimnis noch hatte anvertrauen können, bevor der Tod ihm für ewig den Mund verschloss.

Der alte Draaken blieb eine Weile stumm.

Dann sinnte er: »Also ein Geheimnis hatte Hoffner zu hüten! Deshalb war er auch seit einigen Monaten so verändert und machte bisweilen so merkwürdige Redensarten, aus denen niemand klug wurde! – Schade, dass er Ihnen nicht alles hat anvertrauen können, Master Felsenherz! Denn aus diesen Bruchstücken lässt sich nicht entnehmen, welcher Art sein Geheimnis eigentlich war.«

Jetzt nahten auch von unten her die sechs Ansiedler, die als Wachen rund um den Draakensberg verteilt gewesen waren.

Der greise Holländer bat Felsenherz nun, alles anzuordnen, was er zur Sicherung der Ansiedlung für nötig hielt. »Sie haben in dieser Hinsicht ja weit mehr Erfahrung als wir«, begründete er seine Bitte. »Wir werden uns alle Ihnen gern unterordnen. Wir sind insgesamt die noch lebenden acht Goldsucher und Sie beide eingerechnet, einunddreißig Männer, die mit ihren Buchsen gut umzugehen wissen. Dazu kommen noch acht ältere Knaben und etwa sechs Frauen, die ebenfalls gute Schützen sind.«

Felsenherz befahl nun, dass die bisherigen Wachen sich hier am Rand der zweiten Terrasse verteilen und sofort Alarmschüsse abgeben sollten, sobald sich unten am Fuß des Berges verdächtige Gestalten zeigten.

Dann stiegen er, Draaken und Tom über die dritte Terrasse und durch den schmalen Engpass bis zur platten Kuppe empor, die etwa dreihundert Meter lang und hundertfünfzig Meter breit war. Sie hatte stellenweise dichte Eichenbestände. Am Rand der steilen Abhänge waren starke Balkenzäune errichtet, deren untere Hälfte durch Bretter abgedichtet waren, damit die Kinder der Ansiedler nicht aus Unachtsamkeit in die Tiefe stürzten.

Draakensberg konnte somit als eine fast uneinnehmbare Festung gelten, zumal sich in dem felsigen Boden eine natürliche Zisterne mit klarem kühlen Wasser befand.

Der alte Holländer führte jetzt Felsenherz und Tom zu Hoffners Blockhütte, die sich als letzte nach Norden zu erhob. Sie war ebenso sauber und praktisch angelegt wie die Übrigen.

Draaken öffnete die unverschlossene Tür und trat als Erster ein, zündete dann einen Kienspan an und setzte eine in der Küche stehende Öllaterne in Brand.

Hoffners Bett war unberührt. Seine Büchse sein Hut und seine Jagdtasche fehlten.

Als dies festgestellt war, sah Draaken ein, dass Hoffner tatsächlich irgendwie den Berg verlassen hatte.

»Gehen Sie jetzt die Männer wecken«, empfahl Felsenherz. »Tom und ich werden uns hier einmal genauer umsehen.«