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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 51

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Die Wasserjungfer

Zu der Zeit, wie noch alles hier Urwald war, kam ein Rittersmann zum Harz, um zu jagen. Ehe er sich nun um und auf sah, hatte er sich verirrt und konnte sich nicht wieder zurecht finden. Er war schon mehrere Tage umhergestrichen und hatte gar keinen Weg gefunden. Da kam er endlich an ein großes schönes Haus, das im Tal auf einer großen Wiese lag und rings mit Wasser umgeben war, und der Weg führte über eine Zugbrücke, die in die Höhe gezogen war. Er rief, er pfiff, er wartete. Es ließ sich nichts darin hören, es schien, als wäre das Haus ausgestorben.

Ei, dachte er, das kann doch nicht leerstehen. Irgendwer muss sich doch sehen lassen. Du sollst dich hier hinein setzen und warten, bis jemand kommt.

Da saß er denn und wartete, im Schloss blieb alles ruhig. Endlich riss ihm der Geduldsfaden, er wollte eben aufpacken und sich wieder fortmachen, da sah er aus dem Wald ein bildschönes Mädchen kommen und auf die Brücke zugehen.

Halt, dachte er, die weiß Bescheid, die wird auch wohl hineinkommen. So kam es auch. Wenige Schritte von ihm entfernt redete er das Mädchen an und sprach, er habe sich im Harzwald verirrt, schon acht Tage im Freien kampiert und sehne sich recht danach, eine Nacht einmal wieder unter Dach und Fach zu schlafen. Drei Stunden habe er bereits hier um Einlass gebeten, kein Mensch hätte sich aber sehen noch hören lassen. Ob sie wohl nicht so gut wäre und für ihn um Einlass bäte. Wenn sie hinein käme.

O, sagte sie, das wäre nicht nötig. Er solle nur gleich mitgehen. Sie brauche keinen zu bitten, sie selbst habe darüber zu bestimmen. Darauf trat sie auf einen Stein, der vor der Brücke in die Erde gemauert war, und sogleich fiel die Brücke nieder. Darauf holte sie einen großen Schlüssel hervor, schloss das Tor auf und beide gingen durch einen großen Hof ins Haus. Sie führte den Rittersmann in ein schönes Zimmer und sagte, er möge es sich wohlgefallen lassen. Sie wolle erst hingehen und ein ordentliches Abendbrot zurechtmachen, denn er würde sich wohl nach etwas Warmem sehnen, sie habe auch großen Appetit. Da sie keine Dienerschaft hätte, so müsse sie alles allein tun. Damit ging sie zur Tür hinaus, blieb eine kurze Zeit aus, dann kam sie wieder mit schönem Braten, Kuchen und vielen Leckerbissen. Sie deckte selbst den Tisch, dann nötigte sie ihren Gast, ordentlich zuzulangen. Der ließ sich’s auch nicht zweimal sagen. Nachdem sie gegessen hatten, saßen sie noch beisammen und plauderten miteinander. Da bedauerte der Rittersmann das freundliche Mädchen, dass es hier so allein wohne. Da müsse ihm die Zeit doch recht lange dauern.

O nein, sagte es, lang dauere ihm die Zeit nicht, doch wünsche es sich wohl manchmal ein wenig Gesellschaft zu haben. Da das aber nicht wäre, so füge es sich darin.

Darauf antwortet der Rittersmann, wenn es ihr recht wäre, so bliebe er einige Tage hier, ihr bloß zur Gesellschaft.

O, sagte die Wirtin, das wäre ihr recht lieb.

Nun blieb der Gast ein, zwei und drei Tage, und sie gewöhnten sich beide so aneinander, dass am Ende der Ritter sagte, ob sie nicht Lust hätte, seine Frau zu werden.

Da freute sich das Mädchen und sprach, das würde sie mit Freuden werden, wenn er ihr versprechen wolle, dass sie alle Freitag ausgehen und machen könne, was sie wolle, und dass er ihr dann nicht nachgehen und sie aufsuchen wolle.

Das versprach er ihr und danach ward es ein Paar.

Lange Zeit hatten sie recht zufrieden miteinander gelebt, niedliche Kinder gezeugt und nichts hatte ihrem Glück gefehlt. Da kam einst ein fremder Ritter als Gast, es war gerade Freitag gewesen, der erkundigte sich bald nach seiner Ankunft nach der Hausfrau, weil die nicht zum Vorschein kam.

Dem antwortete der Hausherr, freitags ließe sich seine Frau nicht sehen und er habe sie auch bis dahin noch nicht gesucht, wie er versprochen habe.

Darauf sagte der fremde Ritter, das wäre aber auch eine rechte Hausfrau, die ihren Mann nicht einmal wissen ließe, wo sie zu finden wäre, das wäre höchst häcklich. Die Worte schnuppte dem Hausherrn so in die Nase, dass er gleich hinging und seine Frau aufsuchte. Nach vielem Suchen geriet er auch in den Keller, fand da eine Tür, machte sie auf und sah, da war ein kleiner Teich, darin schwamm seine Frau halb Fisch halb Mensch. Als sie ihren Mann sah, warf sie ihm einen traurigen und ernsten Blick zu, und verschwunden war sie. Als der Mann ganz bestürzt wieder herauf kam und die Erscheinung dem fremden Ritter sagen wollte, da war auch der verschwunden. Nun merkte der arme Mann, dass er mit samt seiner Frau von dem Fremden scheußlich beschuppt und ins Unglück gestürzt worden war. Danach grämte er sich so sehr über seine gute Frau, dass er bald darauf starb. Auch die niedlichen Kinder starben eins nach dem anderen und das Schloss war verfallen. Man weiß nicht einmal, wo es gestanden hatte. Nur die Geschichte davon ist geblieben.