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Der Welt-Detektiv Band 6

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Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 29

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Die schöne Prinzessin

Es war einmal ein König, der hatte drei Söhne, zwei kluge und einen dummen, die stritten sich darum, wer von ihnen einmal das Königreich bekäme. Der Alte hatte darüber viel Ärger und Verdruss, denn keiner von den dreien wollte dem anderen nachgeben, selbst der Dumme war bisweilen der Schlimmste. Einst sagte der alte König, der da merkte, dass er bald sterben müsste: »Ihr alle drei sollt erst einmal in die Welt hinausgehen und euch etwas versuchen. Bei der Gelegenheit sollt ihr mir aber etwas mitbringen, und wer mir das Beste bringt, der soll das Königreich nachher haben. Das erste Mal sollt ihr mir einen Hund mitbringen.«

Sie machten sich also alle drei auf und fort ging es. Der Zweite nahm den Dummen bei der Hand und zog fort.

Eine ganze Ecke ging es gut, nachher dachte aber der Zweite: Was soll ich mich mit dem dummen Pinsel schleppen. Er ist mir doch nur im Wege und hinderlich. Ich tue am besten, ich lass ihn laufen, wohin er will, und ich geh hin, wo ich will.

Und das tat er auch. Er ließ also seinen dummen Bruder im Wald sitzen und ging fort. Als der Dumme aufwachte, war es finster, und er war allein im Wald. Deswegen stieg er auf einen Baum und sah in der Ferne ein Licht. Er stieg von dem Baum herunter, ging dem Licht nach und nach einem Haus. Nun klopfte er an, es wurde auch aufgemacht, und er sah weiter nichts, als Hände, aber keine Leute. Er ging in die Stube, da war alles hübsch, es standen schöne Tische und Stühle da, auch ein weiches, mit Seide überzogenes Sofa. Die Wände waren mit goldenen Tapeten beklebt, es hingen die herrlichsten Spiegel und Bilder an der Wand. Man sah aber keinen Menschen. Der Dumme setzte sich ins Sofa, vor dem ein blanker Tisch, auf dem das Licht stand, ein Wachslicht. Kaum hatte er sich hingesetzt, so brachten die Hände die feinsten Speisen an. Ach, Braten, die einen jeden anleckerten, und Wein, das war eine Pracht, und setzten das alles auf den Tisch. Auch Teller und Messer und Gabeln, zwei Paar. Es war immer nichts weiter zu sehen, als die Hände, die das brachten. Der Dumme wartete nicht, bis er genötigt wurde. Er schnitt sich ein tüchtiges Stück Braten ab und goss sich ein Glas Wein ein. Kaum hatte er aber das getan, da schlug es elf und herein kam eine weiße Katze, setzte sich zu ihm und holte mit ihren Pfoten ein Stück Braten nach dem anderen von dem Teller des Dummen, das er entzwei geschnitten hatte. Erst war es ihm nicht recht, dass die Katze ihm das Fleisch vom Teller holte und fraß. Doch dachte er, die ist gewiss auch so hungrig, wie du, du sollst sie nur gehen lassen. Er hielt ihr das Glas hin und fragte: »Willst du auch einmal trinken?«

Sie nickte.

Darauf schenkte er ihr nun ein Glas ein und gab es ihr hin. Sie leckte und leckte daran herum und es dauerte nicht lange, da war der Wein heraus.

Da fing die Katze an zu sprechen: »Sag mir, wer bist du denn?«

Er antwortete: »Ich bin ein Königssohn.«

Da sagte die Katze: »Ich bin eine Königstochter, bleibe doch bei mir und leiste mir Gesellschaft, du sollst es gut haben.

»Ja«, sagte er, »das täte ich gern. Ich muss aber wieder zurück zu meinem Vater. Ich muss einen Hund bringen, und meine beiden Brüder auch. Wer den besten bringt, der kriegt das Königreich.« »Wenn das so ist«, sagte die weiße Katze, »dann bleibe nur noch etliche Tage hier und dann will ich dir schon helfen.«

»Gut«, sagte der Dumme, »wenn das ist, so bleibe ich noch da. Warum bist du denn aber eine Katze und kein Mensch?«

»Ach«, sagte sie, »ich bin verwünscht und kann nicht anders erlöst werden als durch dich. Wenn du es nun willst, so werde ich erlöst.« »O«, sagte er, »wenn ich es kann, so soll’s nicht fehlen. Was muss ich denn tun?«

Sie antwortete: »Weiter nichts als hier bleiben und essen und trinken und schlafen, dann musst du dich um nichts bekümmern, was auch geschieht. Wenn du liegst, so steh nicht auf, wenn du isst, so lass dich nicht stören. Ich muss bald fort, es schlägt gleich zwölf.«

Indem schlug’s und gleich war die Katze weg.

Der Dumme aß sich noch erst recht satt und ging dann zu Bett, denn in der Kammer nebenan stand auch ein schönes Bett, und schlief gleich ein. Er hörte und sah nichts. Des Morgens stand er auf. Er zog sich an und ging in die Stube. Da brachten die Hände das Frühstück, alles aufs Schönste und Beste. Er aß und trank nach Herzenslust, dann ging er in den Garten, der war wunderschön, die schönsten Bäume und Blumen und andere Gewächse. Er ging den ganzen Tag spazieren, aß und trank nach Belieben und machte sich’s zu gut. Des Abends ging er ins Haus und setzte sich wieder auf das Sofa. Die Zeit dauerte ihm erst lang, ehe es elf schlug. Aufgetragen wurde das Essen und Trinken wie am vorigen Abend. Und wie es ausgeschlagen hatte, kam die weiße Katze wieder an und sprang auf ihren Stuhl. Er schnitt ihr ein Stück Braten ab und machte es auf ihrem Teller entzwei. Sie fraß nach Belieben und trank ihren Wein und sprach so freundlich und so gut mit ihm, dass er sie recht lieb kriegte. Und wie sie sagte, sie müsste gleich wieder fort, da antwortete er, sie möchte doch noch da bleiben. Wie es aber zwölf schlug, da war sie weg. Er aß und trank noch und ging dann wieder zu Bett. Kaum hatte er sich aber hingelegt, da kamen so viele Katzen, die setzten sich um sein Bett herum und fingen an zu knurren, zu miauen und zu spuken. Sie stimmten eine Musik an, dass sich der Dumme halb totlachen musste und über den vielen Spektakel einschlief.

Der andere Tag ging auch so hin und es kam alles wie die Abende vorher.

Den dritten Abend sagte aber der Dumme: »Morgen muss ich wieder fort, wenn ich nur erst einen Hund hätte, der gut wäre.«

Dreiviertel auf zwölf gab ihm die weiße Katze einen Ring und sagte: »Wenn du den rechts herum drehst, so bist du, wo du sein willst. Wenn du ihn anders herumdrehst, so bist du wieder hier. Hier hast du auch eine Walnuss, die steck bei, und wenn du zu Hause bist, so knack sie auf, dann wirst du sehen, was passiert.

Da schlug es zwölf, und die Katze war weg. Er blieb noch ein bisschen auf und ging dann zu Bett. Kaum hatte er sich hingelegt, so waren eine ganze Menge Hunde um sein Bett herum, die klafften und bellten, sie knurrten und bissen sich ganz erbärmlich. Er lag aber im Bett und ließ sich nicht stören. Am Ende war er wieder eingeschlafen.

Am anderen Morgen aß und trank er erst ordentlich das, was die Hände brachten und kein Mensch war zu sehen. Dann drehte er den Ring am Finger rechts um und war gleich zu Hause. Seine Brüder aber waren schon da und hatten jeder einen Hund mitgebracht, der eine war aber blind, der andere lahm. Der Dumme ging erst zum Vater und fragte, wie es ihm ginge. Der Vater aber sagte, so ein wenig spöttisch, ob er denn nicht einen Hund mitgebracht hätte, denn er sah keinen.

Der Dumme nahm seine Walnuss, knackte sie auf und heraus sprang ein allerliebster Hund. Das war der Allerbeste. Der Alte und die beiden Brüder mussten bekennen, dass das der Beste war.

»Ja«, sagte der Vater, das ist recht gut, aber noch nicht genug. Ihr müsst noch einmal fort. Wer mir dann die beste Stiege Leinen bringt, der soll das Königreich haben.«

Der Dumme drehte an seinem Ring und war gleich wieder in der Prinzessin Haus. Es ging alles wieder, wie das vorige Mal und er bekam am dritten Abend wieder eine Walnuss. Diesmal gefiel ihm die weiße Katze noch mehr. Als er am Morgen wieder aufgestanden und gesättigt war, drehte er an seinem Ring, und er war wieder zu Hause. Er knackte seine Walnuss auf und nahm die feinste und schönste Stiege Leinen heraus.

Alle mussten bekennen, dass er das beste Leinen gebracht hätte.

Da sprach der Vater: »Nun habt ihr noch jeder eine Schwiegertochter zu bringen. Wer die hübscheste und beste Prinzessin bringt, der kriegt das Königreich.«

Die beiden Brüder verabredeten sich, sie wollten ihren dummen Bruder ums Leben bringen. Er aber wusste es gleich und drehte an seinem Ring, da war er gleich wieder dort in dem Haus bei der weißen Katze.

Als er aber ins Haus trat, so war sie gleich da und sagte: »Es ist gut, dass du wieder da bist. Jetzt komm herein. Nun wollen wir es zu Ende bringen. Sieh, hier liegt ein Säbel, jetzt haue mir den Schwanz ab.«

»Aber«, sagte der Dumme, »wo kann ich dir das zuleidtun.«

»Das ist einerlei«, sagte sie, »das muss geschehen.«

Er ließ sich’s nicht noch einmal sagen, hackte zu, und der Schwanz war weg und vor ihm stand ein wunderhübsches Mädchen, das ihm um den Hals fiel und ihn herzte und küsste. Das gefiel ihm recht, und er wusste gar nicht, wie ihm zumute wurde vor Freude. In dem Augenblick wurde das Haus in ein großes Schloss und alles königlich verwandelt. Auch Bedienstete und Lakaien und Wagen und Pferde und Kutscher und alles, was dazu gehörte. Er blieb noch ein paar Tage da, dann wurde der schönste Wagen angespannt, sie setzten sich miteinander hinein und fuhren hin nach Hause. Da ward unterdessen der Dumme so klug geworden, gerade wie die anderen nie gewesen sind. Als sie zu dem Alten kommen, da freute er sich, und der Dumme bekam das Königreich und wurde König. Die anderen wurden aber abgelohnt; und die jungen Leute haben glücklich miteinander gelebt bis an ihr Ende. Der Alte war auch bald gestorben.