Heftroman der

Woche

Download-Tipp

Der Welt-Detektiv Band 6

Neueste Kommentare
Archive
Folgt uns auch auf

Das Harzmärchenbuch von August Ey Teil 5

Sagen und Märchen aus dem Oberharz
Gesammelt und herausgegeben von August Ey im Jahre 1862

Die Königstochter ein Schmetterling

In einem schönen Schloss hier am Harz wohnte eine Königin mit ihrer Stieftochter. Der König war tot und hatte das Mädchen seiner zweiten Frau auf die Seele gebunden, dass sie sich seiner annähme und es gut hielte. Wie aber der Vater tot war, da waren auch dem Mädchen seine guten Tage aus und doch war es so gut und so fromm, dabei wie Milch und Blut, ja so schön, wie es noch kein Mädchen auf der Welt gegeben hatte. Das rührte aber alles die böse Stiefmutter nicht, sie tat Tag für Tag dem guten Kinde mehr zuleid, ja es bekam auch sogar Schläge auf seinen Rücken und auf seine wunderlieblichen Wangen, dass ihm die Tränen davon fielen. Das hielt es alles ruhig aus, es widersprach nicht, es widerfetzte sich nicht, es blieb sanft und gut, aber sein Herz schwamm ständig in Tränen. Wer das sah, dies Elend, der mochte noch so hart sein, dem wurde das Herz weich. Ein jeder hätte gern dem unglücklichen Kind geholfen, sie konnten aber nicht; denn die Königin hatte das Regiment ganz allein, und wehe dem, wer etwas ihr darüber gesagt oder getan hätte. So musste denn das arme Kind sein Leid tragen. Jeden Mittag durfte es eine halbe Stunde spazieren gehen auf der Wiese, die beim Schloss war. Da weinte es sich denn recht dick und satt und oft war es, als wollte ihm sein gutes Herz brechen. Ach, wie manch heißes Gebet tat es hier, wie oft sah es zum Himmel, wo sein guter Vater war. Wie klagte es da dem lieben Gott seine Not und bat zuletzt, er möchte es doch von der Welt und zu seinem Vater in den Himmel nehmen, damit es von seiner bösen Stiefmutter wegkäme.

So war denn manches Jahr darüber hingegangen. Es lebte aber immer noch und trug sein Unglück mit Geduld. Einen Trost hatte es, das war sein gutes Gewissen und eine Hilfe, sein Gebet, die hielten es, dass es nicht ganz verzweifelte, sondern Mut behielt.

Nach einem recht schönen Tag, wo es wieder tüchtig von der Stiefmutter ausgezankt und geschlagen war, ging es wieder auf die Wiese hinaus und betete recht inbrünstig zu Gott, er möge es doch aus dieser Jammerhöhle zu sich nehmen, er möge sich seiner doch endlich erbarmen.

Da hörte es auf einmal eine Stimme. Es war, als käme sie vom Himmel, die sagte: »Warte bis diesen Abend.«

Ruhig ging es nach Hause, tat seine Arbeit, schneller und viel besser noch als sonst. Dann ging es in sein Kämmerlein, betete erst noch einmal recht ordentlich und wollte sich dann auf sein Bett legen und dachte, danach stände es nicht wieder auf. Es kam aber anders. Als es mit Beten fertig war, tat sich die Tür auf.

Herein kam ein kleines graues Männlein und sprach: »Dein Gebet ist erhört worden, du sollst errettet werden. Du sollst der schönste Schmetterling werden, du sollst dich an Blumenduft und Honigseim laben und niemand soll dich verfolgen und fangen dürfen, als deine böse Stiefmutter. Die aber soll in eine hässliche Nachteule verwünscht werden und bestimmt sein, dich bei Tag zu verfolgen und von den anderen Vögeln gejagt und gepeinigt zu werden.«

In dem Augenblick war das liebliche Mädchen der wunderschöne Schmetterling, und das graue Männchen war verschwunden. Der Schmetterling flog durch das Fenster, das noch offen war, und suchte sich auf einem Baumblättchen eine Stelle zum Schlafen. Eben hatte er sich aber zurechtgesetzt, so hörte er einen Ton, der klang wie der einer Nachteule. Und richtig, die kam daher geflogen, konnte den Schmetterling aber nicht gewahr werden, weil er im Laub saß. Die Eule setzte sich auf einen anderen Baum und heulte und winselte die ganze Nacht.

Der Schmetterling hörte es und dachte, das ist deine böse Stiefmutter. Hätte sie dich nun besser behandelt, so wäre es so nicht gekommen.

Als es Morgen geworden war und die Sonne schien über Berg und Tal, da flog der Schmetterling auf und in den Blumengarten, von einer Blume zur anderen und freute sich seines Lebens. Denn die Blumen rochen so schön und sahen so schön aus, und hatten auch alle schönen Honigseim, dass sich der Schmetterling recht satt trinken konnte.

Es dauerte aber nicht lange, so kam die böse Nachteule und wollte den Schmetterling fangen. Doch der sah früh genug die Eule und flog weg und war unter den Blumen verschwunden. Als ihn die Eule noch suchte, kamen denn die Schwalben und die Bachstelzen und stachen und jagten die Eule von einem Fleck zum anderen, bis sie am Ende in ein tiefes Loch, das in der Mauer war, floh. Die Vögel schwirrten noch immer davor herum und ließen sie nicht heraus. Da konnte der Schmetterling wieder hübsch umherfliegen, und so ging es den ganzen Sommer.

Als es aber anfing, kalt zu werden, da kam einmal ein Prinz auf das Schloss und wollte von hier in den Harz auf die Jagd gehen. Da flog der Schmetterling im Garten umher, und der Prinz war auch im Garten. Mit einmal kam die Eule angeschossen und fasste den Schmetterling und wollte ihn zerreißen. Da stürzte aber gleich der Prinz darauf los, der sich den Schmetterling schon längst gewünscht hatte, packte die Eule und drehte ihr den Hals um. In dem Augenblick aber, dass der Schmetterling von der Eule berührt war, war es wieder das liebliche hübsche Mädchen geworden. Der Prinz wunderte sich, reichte ihr die Hand, und sie wurde seine Frau. Danach erzählte sie ihm ihre Geschichte, und sie haben lange Jahre miteinander gelebt. Da hatte es die Prinzessin gut gehabt bis an ihr Ende.