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Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande 3

Friedrich Gerstäcker
Fritz Wildaus Abenteuer zu Wasser und zu Lande
Kapitel 3

Wie Fritz aufs Geratewohl in die Welt hinaus ging und was er da fand

Wenn wir still und lauschig in unserm Stübchen, in unserer Heimat sitzen und aus dem Fenster schauen, dann kommen uns wohl manchmal Gedanken über die Fremde, über die weite, weite Welt, wie es da draußen wohl aussehen möge und was die Leute treiben und tun. Und es fällt uns dann auch wohl ein, was wir darüber gelesen und gehört haben, dass die Menschen da kalt und unfreundlich mit uns sind, wenn wir nicht die Taschen voll Geld mit uns bringen, dass sich jeder in sein Haus, wie die Schnecke in das ihre, zurückzieht und uns selber auf der Straße stehen lässt mit unseren Gedanken und Sorgen. Wir schauen dann wohl hinaus auf die blauen Berge, die weit im Hintergrund liegen, so weit, dass wir sie kaum noch von dem blauen Himmel, der darüber ausgespannt ist, unterscheiden können und meinen dann so in unseren Gedanken, dort etwa finge wohl ungefähr diese kalte und fremde Welt an, dort würden wir uns einsam und verlassen fühlen, wenn wir sie beträten, während wir hier jeden Baum, jedes Dach kennen und uns zu Hause fühlen in all den Straßen und Gässchen.

Wir denken dann gewöhnlich gar nicht daran, dass diese so fern geglaubte weite Welt schon mit dem Schritt beginnen kann, den wir vor unser eigenes Haus tun, dass sie oft selbst diesseits jenes Blütenbaumes liegt, dessen Duft der Abendwind in unser Fenster weht. Es können Verhältnisse eintreten, in denen uns der Boden förmlich unter den Füßen schwindet und wo wir selbst in der eigenen Heimat und in den Räumen sogar, welche die Spiele unserer Jugend gesehen haben, die fremde Welt betreten und die Stellen, welche uns bisher so lieb und teuer gewesen sind, in Angst und Grausen fliehen, weil die schönen Zeiten vergangen – die Gegenwart aber so traurig geworden ist.

Ein ähnliches Gefühl war es, das Fritz Wildaus Herz beschlich, als er sich an jenem Morgen seinen Wanderstab aus einem jungen Hickorybusch schnitt und noch einmal das Antlitz wandte, den Ort zu übersehen, der bisher seine Heimat gewesen war. Er hatte nicht viel Freude dort gefunden. Keine liebende Mutter hatte ihn gehegt und gepflegt, keine sorgende Vaterhand ihm die Bahn gezeigt, die er durch das weite Leben würde zu wandern haben – nicht Bruder noch Schwester ließ er zurück in den öden Räumen, nur einen alten Mann, der oft barsch, unfreundlich und ungerecht mit ihm gewesen war. Aber der alte Mann lag nun da drinnen starr und tot auf seinem harten Lager. Das Haus, das ihm bis dahin Schutz verliehen hatte, war verkauft, denn kaum wurde die Todesnachricht in der Umgegend bekannt, als sich der Käufer mit unterzeichnetem und quittiertem Kaufbrief meldete. Fritz begriff nun wohl, weshalb der alte Mann sein Geld im Wald hatte vergraben wollen, und fühlte nun doppelt, dass ehe er noch die Schwelle überschritten, schon allein und freudlos in der weiten Welt stand.

Manche der Nachbarn erboten sich wohl, ihn als Knecht in Dienst zu nehmen. Sie wussten, was für ein guter Arbeiter er war. Aber er wies diese Anerbietungen zurück. Er hätte nach dem, was hier vorgefallen war, nicht mehr in der Ansiedlung bleiben mögen und wenn sie ihm von goldenen Tellern das Kostbarste zu essen gegeben hätten.

Fast alle Nachbarn hatten sich bei der Leiche des alten Rothhayn eingefunden und die Leichenbeschauer ihr Urteil gesprochen: »Tod durch Schlagfluss herbeigeführt.« Niemand wusste aber, weshalb das so gekommen war, und Fritz, der den Grund hätte angeben können, dachte an das arme Helenchen und sagte kein Wort. Sein Bündel geschnürt, wanderte er hinaus. Als er den Wald erreichte, von dessen Rand aus er die bisherige Heimat zum letzten Mal überschauen konnte, setzte er sich auf einen Stein und blickte noch lange zu der kleinen düsteren Hütte hinüber. Die Tränen liefen ihm voll und schwer die bleichen Wangen hinunter.

Aber alles hat seine Zeit, Schmerz und Freude, Sorge und Traurigkeit. Wie sich der Knabe nur erst einmal so recht herzlich ausgeweint und die Brust von allem reingewaschen hatte, was sie bedrückte und was er eigentlich noch nicht einmal so recht begriff, raffte er sich empor, warf sein Bündel wieder über die Schulter. Ohne auch nur noch einen Blick zurückzuwerfen, wanderte er rüstig vorwärts, wo ihm das Neue, das ihn umgab, bald die trüben Bilder aus der Seele trieb und die Tränen von den Wangen trocknete.

Aber wohin nun? Er war von der Ansiedlung aufgebrochen, er wusste selber nicht wohin. Nur fort wollte er, fort, das Ziel blieb sich gleich, so er nur den Platz erst einmal hinter sich ließ. Da er sich aber nun wirklich auf einer Straße befand, schaute er sich auch um, wo er eigentlich sei, wohin ihn dieser Weg führe und schien endlich ganz zufrieden mit seiner Wahl, als er fand, wie er den schönen Hudson an seiner Seite habe und dieses Stromes Bett niederwärts folgte.

Wie so fröhlich die bunten Boote mit ihren weißen Segeln über den Sonnen blitzenden Strom dahinglitten, wie glatt und weich sich das anschaute, noch dazu, wenn man so zu Fuß die staubige harte Straße entlang nebenherging.

»Ich wollte, ich könnte auch auf einem solchen Schiff fahren«, sagte er halb laut vor sich hin und er erschrak fast, als eine Stimme dicht neben ihm den kaum ausgesprochenen Wunsch mit einem derben »Und warum nicht?« zu Hilfe kam. Fritz war so in den Anblick der verschiedenen Fahrzeuge versunken gewesen, dass er gar nicht bemerkt hatte, wie ein seemännisch genug aussehender Bursche an einer niederen Eiche, die dicht am Wege stand, lehnte und wie es schien, mit einem kurzen Teleskop, das er in der Hand trug, die Fahrzeuge gemustert haben mochte, die den Strom teils hinauf, teils hinab gingen, teils an den verschiedenen Landungsplätzen vor Anker, ja oft auch dicht am Land mit Tauen befestigt lagen.

»Und warum nicht, mein Bursche?«, wiederholte der Mann, als Fritz fast erschreckt vor ihm stehen blieb und zu ihm aufschaute. »Wenn der Mensch Lust zu Salzwasser hat, soll er seiner Natur nur ja keinen Zwang antun und auf dem Trocknen herumkrebsen. Das tut niemals gut!«

»Ja, ich meinte aber eigentlich nur den Strom hinabfahren, um leichter von der Stelle zu kommen«, sagte der Knabe.

»Bloß als Passagier fahren?«, rief aber der Seemann und rümpfte verächtlich und den Kopf emporwerfend die Nase, denn Matrosen verachten alle Passagiere, die ihnen gewöhnlich nur Mühe und Last machen und nichts dabei von der See verstehen, von Grund ihres Herzens. »Bloß als Passagier? Pfui Teufel, da hätte ich dich für etwas Besseres gehalten. Was für ein Landsmann bist du?«

»Ein Deutscher«, sagte Fritz.

»Aber du sprichst gut englisch?«

»Ich bin als kleines Kind mit meinen Eltern hierher rübergekommen.«

»Und deine Eltern?«, fragte der Seemann, der sich für den Knaben zu interessieren schien.

»Sind beide tot – lange tot«, sagte Fritz traurig.

»Und sie haben dich schlecht behandelt zu Hause und du willst nun in die weite Welt? Weißt selber vielleicht noch nicht einmal, wohin?«, fragte der Seemann wieder und legte, zu Fritz herantretend, der traurig den Kopf senkte, die Hand auf seine Schulter.

Der Knabe seufzte, denn des Fremden Worte weckten einen schmerzlichen Ton in seinem Innern.

Der Seemann aber, der darin seine Vermutungen bestätigt glaubte, fuhr lachend fort:

»Kopf hoch, mein Bürschchen, Kopf hoch. Nach trübem Wetter folgt stets wieder Sonnenschein. Ist ein altes gutes Sprichwort und es ist kein Wind so schlecht, er kommt irgendjemand zugute. Siehst du da unten das nette dralle Fahrzeug vor Anker liegen? Das mit der weißen Leiste um den Bord. Auf dem kannst du fahren, wenn du Lust hast, und zwar nicht als lumpiger Passagier, sondern als mit zu Bord gehörig, wie ein wackerer Seemann, der du noch hoffentlich einmal werden sollst.«

»Aber ich verstehe gar nichts von der See«, sagte Fritz, halb erschreckt, aber auch halb erfreut, denn wenn wir draußen in der Welt unter lauter fremden Menschen sind, gibt uns schon das geringste Anerbieten zu Beschäftigung oder Unterkommen eine Art von Beruhigung und Zuversicht. Hier aber öffnete sich ja vor der Seele des Knaben ganz plötzlich eine Aussicht auf Erwerb, ja die bestimmte Bahn eines späteren Lebensweges in eine Richtung hin, auf die er bis dahin noch mit keiner Sterbenssilbe gedacht und die doch so unendlich viel des Anziehenden besonders für ein junges Herz hatte.

Es ist das überhaupt so mit uns, vorzüglich, wenn wir noch jung sind, aber auch wohl selbst in reiferen Jahren, dass wir von einer uns fernliegenden Beschäftigung nur die Lichtseiten sehen und uns in deren Kreis wünschen. Wie idyllisch ist zum Beispiel das Hirtenleben stets geschildert worden. Unter einem arkadischen Schäfer denken wir uns stets einen jungen sehr hübschen Mann, der mit einem Strohhut und bunten Bändern geschmückt, den Hirtenstab in der Hand, auf einer Rasenbank lehnt und Flöte spielt oder die Klarinette bläst. Die Schäferinnen bekommen wir eigentlich nur auf Maskenbällen und Bildern zu sehen. Auf denen haben sie bunte und kurze Kleidchen, sind sehr zarte Gestalten mit einem Strohhut und bunten Bändern, einem noch zierlicheren Schäferstab in der Hand, den kleinen vergnügten Spitz an der Seite. Sie tragen Atlasschuhe und flechten entweder Kränze oder zerzupfen eine Blume. Die einzige Schäferin, die ich in meinem Leben in Wirklichkeit gesehen habe, fand ich in Australien und die war sehr dick, hatte einen baumwollenen Mantel um, einen alten zerknitterten Filz- oder Felbelhut auf, trug außergewöhnlich dicke rindslederne Schuhe und einen Regenschirm.

Anstatt die Flöte zu blasen, stricken unsere Schäfer blaubaumwollene oder wollene Strümpfe und haben wohl das langweiligste Brot, das ein Mensch auf der weiten Gotteswelt haben kann, denn sie liegen den ganzen Tag auf den verschiedenen Rainen oder Grenzsteinen herum und warten, bis die Schafe satt sind.

Ebenso ist es mit der See. Wenn man am Ufer steht, über die weite blaue Fläche hin die silberblinkenden Segel schießen sieht und dabei ein wenig Einbildungskraft hat, dass man sich denken kann, wie das schlanke Boot weithin über ferne Meere an den von Palmen umrauschten Ufern landet, wie die braunen Indianer neugierig heranströmen und wunderbare Seltenheiten eintauschen um eiserne Nägel und Stückchen Spiegelglas, dann klopft uns das Herz wohl auch in der Brust, und wir sagen uns leise und heimlich: »Oh, wer da doch mitschiffen könnte über das freie offene Meer, nach den schönen fremden Küsten hin. Oh wie herrlich muss es sein, da draußen zu schaukeln und zu tanzen auf der wogenden See.« Aber in der Nähe? Lieber Gott, da schrumpft das alles gar bös zusammen und die anfangs so strahlenden Lichtseiten des ganzen Seelebens gleichen zuletzt nur noch kleinen Johanniswürmchen in einem dunklen Busch oder dem Seewasser selber, das in einer dunklen Nacht da unten blitzt und funkelt, aber in einem Eimer an Deck geholt, nur noch einzelne matte Funken zeigt. Das Stattliche des Schiffes verliert sich an Bord ungemein gern in einem fatalen Teergeruch und einem förmlichen Gewirr von Tauen und Hölzern, die dem Landmann am Anfang wie verknotetes Strickgarn und das Schaukeln des Schiffs vorkommen. Oh wie weh und elend ihm dabei ums Herz wird und wie er sich wieder zurück an Land wünscht, all die Herrlichkeit der See noch einmal vom festen Grund und Boden aus bewundern zu können.

Fritz sah aber von all diesem Hintergrund noch nichts. Ihm lag die See noch als ein weites, fremdes unerschlossenes Rätsel da, und je geheimnisvoller das wunderliche Gewirr von Tauen und Segeln zu ihm heraufschaute, desto mehr schien er sich hingezogen dazu, seine Kraft daran zu versuchen und hinauszustürmen mit geblähter Leinwand in die weite Welt, egal wohin. Das ›ich verstehe ja gar nichts von der See‹ war demnach schon eine, wenn auch kaum bewusste halbe Einwilligung.

»Wirst’s schon lernen, mein Bürschchen«, sagte der Matrose lachend und klopfte ihm dabei noch einmal, aber derber als das erste Mal auf die Schulter. »Wirst’s schon lernen – da sind andere dazu gekommen, die vielleicht weniger Mutterwitz hatten als du und eben so wenig vom Salzwasser wussten und sind so tüchtige Teerjacken geworden, die nur je ein Schiff geführt haben. S’ist nichts auf der Welt nicht erlernbar, Matrose zu sein keineswegs ein Kunststück, wenn man es auch am Anfang mit beiden Händen anfassen muss, um den richtigen Halt daran zu bekommen. Aber ein freies fröhliches Leben führen wir auf dem blauen Wasser da draußen, ein Leben, wie dir’s gefallen wird. Bist du erst ein halbes Jahr bei uns, denk’ ich, so gingst du nicht wieder auf festes Land, Bäume umzuhacken und den Boden aufzuwühlen und wenn sie dir goldene Schätze dafür böten – also schlägst du ein?«

Fritz sah dem Mann in die Augen und betrachtete sich die Gestalt nun zum ersten Mal etwas genauer, denn das Fahrzeug selber, dem er so ganz plötzlich aufgefordert war, sein künftiges Schicksal anzuvertrauen, hatte bis dahin fast allein seine Aufmerksamkeit in Anspruch genommen.

Es war eine breite, kräftige, untersetzte Gestalt mit krausen, braunen, fast drahtartigen Locken und sehnigen Armen und Händen. Gekleidet ging er in die gewöhnliche Seemannstracht, mit blauer Jacke, weiter weißer Hose und einem niederen breitrandigen Strohhut auf, von dem ein mächtig schwarzes Band flatterte. Auch das ganze breite Gesicht trug etwas Gerades, Gutmütiges, hätten nicht die fast zu sehr und ziemlich spitz niederlaufenden Brauen ihm einen verschmitzten, fast lauernden Ausdruck gegeben.

Fritz selber war aber viel zu offen und ehrlich, hinter einem anderen auch etwas anderes zu suchen, als wozu er sich selber bekannte. Der Mann meinte es jedenfalls ehrlich mit ihm, denn welchen Nutzen hätte er sonst daran haben können, sich überhaupt mit ihm einzulassen. Er sah aber auch, wie er heimlich lachte, als er so lange zögerte und sich am Ende gar fürchtete. Nein wahrhaftig, der Mann vom blauen Wasser sollte nicht glauben, dass ihm so leicht etwas Furcht einjagen könne und sein Entschluss war gefasst.

»Topp«, rief er und schlug in die dargebotene Rechte des Matrosen, »topp, ich werde ein Seemann und ein tüchtiger und steche mit Euch in See, wenn es Euch gefällt. Zu versäumen habe ich hier so nichts weiter auf dem Land«, setzte er etwas leiser hinzu, »und je eher wir hier fortkommen, desto besser.«

»Hallo, ist jemand hinter dir, mein Bursche«, entgegnete der andere lachend, der ihm die dargereichte Hand herzlich, wenigstens derb, denn beides wird nur zu oft in der Welt verwechselt, schüttelte. »Ist dir die heilige Justiz auf den Fersen oder ein strenger Mietsherr, dem du Fersengeld gegeben hast? Macht nichts, mein Bürschchen, ich kriege dich klar und wenn sie den ganzen Staat New York hinter dir herhetzten, der alte Tom Brendall …«

»Nein, nein, nein!«, rief aber Fritz, der gar nicht hatte zu Worte kommen können und jetzt ernstlich fürchtete, sein neuer Prinzipal könne ihn wohl gar für etwas Schlechtes halten, obgleich er sich das eben nicht sehr zu Herzen zu nehmen schien. »Nein, ich habe noch niemals etwas Böses getan und bin niemandem davongelaufen. Ich kann jedem Menschen frei ins Antlitz sehen!«

»So?«, fragte der Seemann etwas gedehnt und schaute ihm scharf in die Augen, als ob er ihn mit dem Blick bis in sein innerstes Herz hinein erforschen wolle.

Fritz hielt dem Blick stand und sein klares blaues Auge begegnete fest und treuherzig den dunklen, auf ihm haftenden Sternen des anderen.

»Brav denn, mein Bursche!«, sagte da endlich Tom Brendall, wie er sich eben selbst genannt hatte, »das war offen und frei von der Leber gesprochen. Ich hoffe, wir sollen noch recht gute Freunde werden. Nun aber komm«, setzte er dann hinzu, indem er sein Teleskop nochmals an das Auge hielt und die umlaufende Landschaft damit rasch überflog, »komm, es wird Zeit, dass wir den Anker lichten, denn mein Steuermann unten hat mir schon zweimal das Zeichen zum an Bord gehen gegeben. Wie heißt du?«

»Fritz Wildau!«, lautete die Antwort.

»Fritz? Sonderbarer Name«, sprach der Yankee lachend, »wenn wir dich nun Bill riefen – das klingt besser und ist geläufiger.«

»Ich möchte nicht gern anders gerufen werden, wie ich getauft bin«, sagte Fritz.

»Hahaha«, lachte der Seemann, »das wäre mir nun verwünscht gleichgültig. Mich mögen sie rufen, wie sie wollen, nur nicht zu spät zum Essen, und da dort unten das Zeichen wirklich noch einmal aufsteigt, dass wir hinunterkommen sollen und das Essen auch wahrscheinlich fertig ist, wollen wir ebenfalls nicht länger säumen. Also Fritz – nun meinetwegen, so sieh dir denn das Land hier oben noch einmal gut an, denn jetzt werden wir wohl eine gute Weile nichts weiter als blaue See zu sehen bekommen, ehe wir wieder eine Küste erreichen.«

»Und wohin geht unser erstes Ziel?«, fragte Fritz mit leicht verzeihlicher Neugierde.

»Nach Brasilien!«, lautete die Antwort, und der Alte stieg fröhlich pfeifend den Hügel hinab dem kleinen Schoner zu, das signalisierte Mittagsmahl nicht länger warten und kalt werden zu lassen.

»Nach Brasilien! …« es war gerade, als ob ein elektrischer Funke durch des Knaben Glieder gefahren wäre, so durchzuckte ihn das eine Wort – Brasilien. Er hatte zu Hause ein altes Buch gehabt, das eine Reise nach und erlebte oder vielleicht auch nur erdichtete Abenteuer in Brasilien schilderte. Wenn er sich irgendein Land in der Welt mit dem ausgemalt hatte, was eine frische jugendliche Fantasie imstande zu leisten ist, so war es dies vor allen übrigen Ländern der Erde. Und jetzt gerade, in derselben Stunde, wo er ratlos an der Schwelle der Heimat stand und nicht wusste, wohin den Fuß zu wenden, führte ihn der Zufall. Nein, Zufall konnte er das wahrlich nicht nennen, was ihm ein Schicksal war. Führte ihn sein gutes Glück sanft und glatt in die Bahn hinein, die er sich seit frühester Jugend fast ersehnt hatte. Die Zukunft lag plötzlich, von einem heiteren lichten Sonnenglanz umstrahlt, so warm und freudig vor ihm, wie er sie vor wenigem Stunden noch von düsteren unheilschwangeren Wolken umlagert geglaubt hatte. Deshalb folgte er denn seinem Führer mit leichten Schritten den Hang hinunter und betrat bald darauf, von einem kleinen Boot an Bord gebracht, da das Fahrzeug es verschmäht hatte, seine Kette am Ufer selber festzumachen, den zwar nicht übermäßig großen, aber sonst ganz stattlichen Schoner.