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Des Freiherrn von Münchhausen wunderbare Reise und Abenteuer … 3

Des Freiherrn von Münchhausen
wunderbare Reise und Abenteuer zu Wasser und zu Lande, wie er dieselbe bei der Flasche im Zirkel seiner Freunde selbst zu erzählen pflegte
Mit 16 Federzeichnungen von Hosemann
Neue Originalausgabe, Dieterich’schen Buchhandlung Göttingen, Berlin, 1840

Einst, es war kurz nach meiner Verheiratung, bezeigte meine Frau Lust, auf die Jagd zu gehen. Ich ritt voran, um etwas aufzusuchen. Es dauerte nicht lange, so stand mein Hund vor einer Kette von einigen hundert Hühnern. Ich warte immer und immer auf meine Frau, die mit meinem Leutnant und einem Reitknecht gleich nach mir weggeritten war. Niemand aber war weder zu sehen noch zu hören. Endlich wurde ich unruhig, kehrte um, und ungefähr auf der Hälfte des Weges hörte ich ein äußerst klägliches Winseln. Es schien mir nahe zu sein, doch war weit und breit keine lebendige Seele zu erblicken.

Ich stieg ab, legte mein Ohr auf den Boden. Nun hörte ich nicht nur, dass dieses Jammern unter der Erde war, sondern erkannte auch ganz deutlich die Stimme meiner Frau, meines Leutnants und meines Reitknechts. Zugleich sah ich auch, dass nicht weit von mir die Öffnung einer Steinkohlengrube war. Es blieb mir nun leider kein Zweifel mehr, dass meine arme Frau und ihre Begleiter da hineingestürzt waren. Ich eilte in voller Karriere zum nächsten Dorf, um die Grubenleute zu holen, die endlich, nach langerhöchst mühseliger Arbeit, die Verunglückten aus einem neunzig Klafter tiefen Schacht zu Tage förderten.

Erst brachten sie den Reitknecht, dann sein Pferd, dann den Leutnant, dann sein Pferd, dann meine Frau, und zuletzt ihren türkischen Klepper. Das Wunderbarste bei der ganzen Sache war, dass Menschen und Pferde bei diesem ungeheuren Sturz, einige kleine Quetschungen abgerechnet, fast gar nicht verletzt waren; desto mehr aber hatten sie durch die unaussprechliche Angst gelitten. An eine Jagd war nun, wie Sie sich leicht vorstellen können, nicht mehr zu denken, und da Sie, wie ich fast vermute, meinen Hund während dieser Erzählung vergessen haben, so werden Sie mir es nicht übel nehmen, dass auch ich nicht mehr an ihn dachte.

Mein Dienst nötigte mich, gleich den anderen Morgen eine Reise anzutreten, von der ich erst nach vierzehn Tagen zurückkam. Ich war kaum einige Stunden wieder zu Hause, als ich meine Diana vermisste. Niemand hatte sich um sie bekümmert; meine Leute hatten sämtlich geglaubt, sie wäre mit mir gelaufen, und nun war sie zu meinem großen Leidwesen nirgends zu finden. Endlich kam mir der Gedanke ein: Sollte der Hund wohl gar noch bei den Hühnern sein? Hoffnung und Furcht jagten mich augenblicklich zu der Gegend hin, und siehe da! Zu meiner unsäglichen Freude stand mein Hund noch auf derselben Stelle, wo ich ihn vor vierzehn Tagen verlassen hatte. »Piel«, rief ich. Sogleich sprang er ein und ich bekam auf einen Schuss fünfundzwanzig Hühner. Kaum aber konnte das arme Tier noch zu mir kriechen, so ausgehungert und abgemattet war es. Um ihn mit mir nach Hause bringen zu können, musste ich ihn auf mein Pferd nehmen, und Sie können leicht denken, dass ich mich mit der größten Freude dieser Unbequemlichkeit unterzog. Nach einer guten Pflege von wenigen Tagen war er wieder so frisch und munter wie zuvor. Einige Wochen darauf machte er mir es möglich, ein Rätsel aufzulösen, was mir ohne ihn wahrscheinlich ewig ungelöst hätte bleiben müssen.

Ich jagte nämlich zwei ganzer Tage hinter einem Hasen her. Mein Hund brachte ihn immer wieder herum, aber nie konnte ich zum Schuss kommen. An Hexerei zu glauben, ist meine Sache nie gewesen, dazu habe ich zu außerordentliche Dinge erlebt, allein hier war ich doch mit meinen fünf Sinnen am Ende. Endlich kam mir aber doch der Hase so nahe, dass ich ihn mit meinem Gewehr erreichen konnte. Er stürzte nieder, und was meinen Sie, was ich nun fand? Vier Läufe hatte mein Hase unter dem Leib und vier auf dem Rücken. Waren die zwei unteren Paar müde, so warf er sich wie ein geschickter Schwimmer, der auf Bauch und Rücken schwimmen kann, herum, und nun ging es mit den beiden neuen wieder mit verstärkter Geschwindigkeit fort.

Nie habe ich nachher einen Hasen von der Art gefunden, und auch diesen würde ich nicht bekommen haben, wenn mein Hund nicht so ungemeine Vollkommenheit gehabt hätte. Dieser aber übertraf sein ganzes Geschlecht so sehr, dass ich kein Bedenken tragen würde, ihm den Beinamen des Einzigen beizulegen, wenn nicht ein Windspiel, das ich hatte, ihm diese Ehre streitig machte. Dieses Tierchen war minder wegen seiner Gestalt, als wegen seiner außerordentlichen Schnelligkeit merkwürdig. Hätten die Herren es gesehen, so würden sie es gewiss bewundert und sich gar nicht verwundert haben, dass ich es so lieb hatte und so oft mit ihm jagte. Es lief so schnell, so oft und so lange in meinem Dienst, dass es sich die Beine ganz bis dicht unterm Leibe weglief und ich es in seiner letzten Lebenszeit nur noch als Dachssucher gebrauchen konnte, in welcher Qualität es mir denn ebenfalls noch manch liebes Jahr diente.

Weiland noch als Windspiel – beiläufig zu melden, es war eine Hündin – setzte sie einst hinter einem Hasen her, der mir ganz ungewöhnlich dick vorkam. Es tat mir leid um meine arme Hündin, denn sie war mit Jungen trächtig und wollte doch noch ebenso schnell laufen, wie sonst. Nur in sehr weiter Entfernung konnte ich zu Pferde nachfolgen. Auf einmal hörte ich ein Gekläffe, wie von einer ganzen Koppel Hunde, allein so schwach und zart, dass ich nicht wusste, was ich daraus machen sollte. Als ich näher kam, sah ich mein himmelblaues Wunder.

Die Häsin hatte im Laufen gesetzt und meine Hündin geworfen, und zwar jene gerade ebenso viel junge Hasen, wie diese junge Hunde. Instinktmäßig hatten jene die Flucht genommen, diese aber nicht nur gejagt, sondern auch gefangen. Dadurch gelangte ich am Ende der Jagd auf einmal zu sechs Hasen und Hunden, da ich doch nur mit einem Einzigen angefangen hatte.

Ich gedenke dieser wunderbaren Hündin mit eben dem Vergnügen, als eines vortrefflichen litauischen Pferdes, welches nicht mit Geld zu bezahlen war. Dies bekam ich durch ein Ungefähr, welches mir Gelegenheit gab, meine Reitkunst zu meinem nicht geringen Ruhm zu zeigen. Ich war nämlich einst auf dem prächtigen Landsitz des Grafen Przobofsky in Litauen und blieb im Staatszimmer bei den Damen zum Tee, indessen die Herren hinunter in den Hof gingen, um ein junges Pferd von Geblüt zu besehen, welches soeben aus der Stuterei angelangt war.

Plötzlich hörten wir einen Notschrei.

Ich eilte die Treppe hinab und fand das Pferd so wild und unbändig, dass niemand sich traute, sich ihm zu nähern oder es zu besteigen. Bestürzt und verwirrt standen die entschlossensten Reiter da; Angst und Besorgnis schwebte auf allen Gesichtern, als ich mit einem einzigen Sprung auf seinem Rücken saß und das Pferd durch diese Überraschung nicht nur in Schrecken setzte, sondern es auch durch Anwendung meiner besten Reitkünste gänzlich zu Ruhe und Gehorsam brachte. Um dies den Damen noch besser zu zeigen und ihnen alle unnötige Besorgnis zu ersparen, so zwang ich den Gaul durch eins der offenen Fenster des Teezimmers mit mir hineinzusetzen. Hier ritt ich nun verschiedene Male, bald Schritt, bald Trott, bald Galopp herum, setzte endlich sogar auf den Teetisch und machte da im Kleinen überaus artig die ganze Schule durch, worüber sich denn die Damen ganz ausnehmend ergötzten. Mein Rösschen machte alles so bewundernswürdig geschickt, dass es weder Kannen noch Tassen zerbrach. Dies setzte mich bei den Damen und dem Herrn Grafen so hoch in Gunst, dass er mit seiner gewöhnlichen Höflichkeit mich bat, das junge Pferd zum Geschenk von ihm anzunehmen und auf diesem in dem Feldzug gegen die Türken, welcher in Kurzen unter Anführung des Grafen Münnich eröffnet werden sollte, auf Sieg und Eroberung auszureiten.

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