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Der Welt-Detektiv Band 6

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Jack Lloyd Folge 40

Jack Lloyd – Im Auftrag Ihrer Majestät

Eine einmalige Chance

»Das wäre in der Tat dreist. Wer sollte auf so eine ausgefallene Idee kommen?« Jack fühlte sich, als hätte der Comte ihm mit der Faust direkt in die Magengrube geschlagen. Aber er durfte sich seine Verwirrung und die Angst, die von einer Sekunde auf die andere in ihm aufgestiegen war, nicht anmerken lassen. Sollten sie doch aufgeflogen sein? Noch vor wenigen Stunden war er felsenfest davon überzeugt gewesen, in dem Comte einen Fürsprecher gefunden zu haben, der ihm vertraute und bereit war, ihn in die höchsten Kreise der Stadt einzuführen. Und sein Angebot, ihm den Erwerb eines Anwesens zu vermitteln, schien in eben genau diese Richtung zu zielen. Wie passte all das zusammen? Aber, wenn der Comte ihn tatsächlich verdächtigte, der Pirat zu sein, der die Silberflotte überfallen wollte, wieso war er dann nahezu unbewaffnet und ohne Begleitung direkt zu ihm gekommen?

Jack wurde aus diesem Mann einfach nicht schlau. Und das kalte Lächeln auf den Zügen seines Gesprächspartners tat sein Übriges, ihn noch weiter zu verunsichern.

»Der Name des Mannes, der diesen waghalsigen Plan gefasst hat, soll Jack Lloyd sein. Allerdings muss ich gestehen, dass ich diesen Namen vorher noch nie gehört habe.« Nur in Gedanken setzte der Comte hinzu: außer im Zusammenhang mit den Geschehnissen um Senora Elena und ihren Vater.

»Der Name sagt mir auch nichts, Comte. Aber ich muss hinzufügen, dass ich noch nicht allzu lange in diesen Gefilden weile.«

»Das berichtetet Ihr ja bereits. Dem Gouverneur habe ich noch nichts von diesen besorgniserregenden Informationen mitgeteilt. Ich möchte ihn nicht unnötig in Schrecken versetzen.«

»Besteht denn Grund zur Sorge?«

»Das kann man nie so genau sagen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand wahnsinnig genug ist, die Flotte auf offener See anzugreifen. Also muss man den Angriff in einem Hafen erwarten. Caracas ist einer der letzten Häfen, bevor die Flotte Kurs auf das offene Meer in Richtung Spanien nimmt. Vielleicht könnten die Piraten glauben, hier wären die Soldaten nicht so wachsam wie noch in den Städten zuvor.«

Die Überlegungen des Comte kamen Jack bekannt vor. Genau diese Gedankengänge waren es, die Elena und ihn dazu bewogen hatten, Caracas auszuwählen, um ihren Plan in die Tat umzusetzen. Jack grübelte fieberhaft darüber nach, wo die undichte Stelle gewesen sein könnte. Es waren nur wenige Personen in ihr Vorhaben eingeweiht. Offensichtlich war jemand in ihrem näheren Umfeld nicht so vertrauenswürdig, wie sie gedacht hatten.

»Also glaubt Ihr, dass die Silberflotte hier in Caracas Ziel eines Angriffes werden könnte?«

»Ich fürchte fast, ja. Das Problem ist, dass die Pläne, die der Gouverneur und der Hauptmann der Garnison für die Ankunft der Flotte geschmiedet haben, streng geheim sind. Wir haben also noch nicht einmal die Möglichkeit, Vorbereitungen zu treffen, um die Flotte vor einer eventuellen Gefahr zu bewahren.«

»Ihr meint, wir sollten den Gouverneur gar nicht in die mögliche Gefahr einweihen?«

»Überlegt selbst. Was würde geschehen, wenn wir dem Gouverneur berichten würden, was wir zu wissen annehmen?«

»Er würde alles in seiner Macht Stehende tun, um zu verhindern, dass jemand den Plan dieser Piraten in die Tat umsetzt.« In Gedanken fügte er hinzu: Und wir würden zusehen, dass wir aus Caracas verschwinden, ehe man uns in den Kerker wirft oder Schlimmeres.

»Genau. Dazu würde gehören, dass er das geplante Fest absagen lassen würde. Seit Monaten laufen alle Vorbereitungen für dieses Volksfest. Unsummen wurden bereits ausgegeben, um die notwendigen Speisen und Getränke hier einzulagern. Wenn dieses Ereignis tatsächlich ausfallen sollte, würde es die Stadt auf Monate ins Chaos stürzen. Die Händler hätten sich maßlos übernommen, der Gouverneur bis auf die Knochen blamiert und das Volk wäre um einen der Höhepunkte des Jahres gebracht worden.«

»Das kann natürlich in niemandem Interesse sein.«

»Das denke ich auch.«

»Wie sollen wir die Sache angehen, Comte? Was schlagt Ihr vor?«

»Habt Ihr Vertraute hier in Caracas, außer Senora Elena?«

»Nun, ich erwarte in den nächsten Tagen einige meiner Angestellten und einen meiner Vertrauten, die mir hier bei der Einrichtung und dem Aufbau einer Handelsniederlassung helfen sollen.«

»Können diese Männer mit Waffen umgehen?«

»Natürlich. Wir haben eine Weile gemeinsam auf hoher See verbracht. Wie Ihr wisst, ist man nirgends vor Piraten sicher. Da will ich mein Leben nicht in die Hand von Männern legen, die sich mit einem Schwert eher selbst verletzen als einen Gegner.«

Der Comte lachte schallend. »Das kann ich verstehen, mein junger Freund. Und es ist eine gute Neuigkeit. Zu allererst müssen wir herausfinden, wie die Planungen für den großen Tag aussehen. Dann brauchen wir Männer, die den Hafen im Auge behalten, während das Volk feiert.«

»Und dabei habt Ihr an mich und meine Leute gedacht?«

»Wer wäre besser geeignet? Natürlich solltet Ihr Euch zuerst auf dem Fest sehen lassen. Wäret Ihr nicht anwesend, würde das wahrscheinlich Misstrauen erregen. Aber dann, wenn Ihr Euch einmal gezeigt habt, könnt Ihr zu Euren Männern stoßen und den Hafen bewachen.«

»Und Ihr behaltet die Massen im Auge«, brummte Jack nachdenklich. Der Plan, den der Comte hier gerade vor ihm ausbreitete, war eine Einladung. Eine Gelegenheit für diese würde sich kaum ein zweites Mal bieten.

»Aber, wie bekommen wir heraus, was der Gouverneur und der Hauptmann geplant haben?«

»Ich denke, es gibt jemanden der ebenfalls eingeweiht sein dürfte. Die Tochter des Gouverneurs gehört zum Festkomitee. Sie müsste genau wissen, wie der Zeitplan aussieht.«

»Ist denn bereits bekannt, wann die Flotte hier ankommen wird.«

Der Comte lächelte offen. Er spürte, dass Jack sich immer mehr entspannte. Offenbar vertraute sein Gegenüber ihm völlig.

»Wahrscheinlich in drei Tagen. Sie werden dann noch eine Nacht an der Küste vor dem Hafen ankern und dann am Morgen in den Hafen einfahren.«

»Und dann beginnen die Festivitäten.«

»So ist es offenbar geplant.«

»Und wie sollen wir die Informationen von der Tochter des Gouverneurs bekommen?«

Der Gouverneur grinste Jack an. Der junge Kapitän war sich nicht ganz sicher, ob das Grinsen anzüglich war oder der Comte einfach nur von der Genialität seiner eigenen Idee so angetan war.

»Ihr seid jung, attraktiv und vermögend. Euch sollte sicher etwas einfallen, um in den verbleibenden drei Tagen die notwendigen Informationen aus der Dame herauszubekommen.«

Jack stand auf und begann im Raum auf und ab zu laufen. Der Comte sah ihn wartend an. Ihm war klar, dass der junge Mann offenbar seine Chancen auslotete. Wahrscheinlich hatte der Plan des Freibeuters anders ausgesehen, aber der Comte war ein Freund davon, das Geschehen vorausplanen zu können. Also musste er dafür sorgen, dass er die Pläne seines Feindes kannte. Und wie konnte man sie besser kennen, als wenn man sie selbst entworfen hatte? Schließlich blieb Jack stehen und schaute auf den noch immer sitzenden Comte herab.

»Ich glaube, wir sollten es wagen.«

»Eine kluge Entscheidung«, erwiderte der Spanier, während er aufstand und Jack eine Hand reichte. Der Kapitän schlug ein.

»Wenn es wirklich zu einem Überfall kommen sollte, und Ihr seid derjenige, der ihn verhindert, dann wird Euch die Dankbarkeit des Gouverneurs weit bringen, mein Freund.«

»Keine schlechte Aussicht«, erklärte Jack lächelnd.

»Ich werde Euch nun wieder in Ruhe lassen, mein Freund. Habt Dank, dass Ihr Euch die Zeit für mich genommen habt.«

»Immer gern, Comte. Wenn es etwas gibt, was Ihr mit mir besprechen möchtet, Ihr wisst, wo Ihr mich findet.«

Der Mann nickte und verabschiedete sich wiederum mit einem Handschlag von Jack. Als der Kapitän sicher war, dass der Comte das Haus verlassen hatte, eilte er zu der Tür, hinter der Elenas Gemach lag. Er klopfte mehrmals an, ehe eine noch recht verschlafene spanische Dame endlich die Tür einen Spalt weit öffnete.

»Was gibt es, dass Ihr mich zu dieser Stunde weckt?«

Jack drängte sich durch die Tür an der verwirrten Elena vorbei in den Raum. Dass sie noch ihre Nachtkleidung trug, bemerkte er dabei gar nicht.

»Es tut mir leid, aber wir müssen reden. Sofort.«

Fortsetzung folgt …

Copyright © 2011 by Johann Peters