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Hetzjagd in London

Marc Freund
Oscar Wilde & Mycroft Holmes – Sonderermittler der Krone 5
Hetzjagd in London

Krimi/Thriller, E-Book, Bastei Lübbe AG / be-ebooks, Köln, Dezember 2017, 135 Seiten, 2,99 Euro, ISBN: 9783732544806, Covermotiv und -gestaltung: Mark Freier, E-Book-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf, Altersempfehlung: ab 16 Jahren
www.be-ebooks.de

[…] Was haben wir also? Wir haben einen ermordeten Adligen und nicht die Spur einer Spur, richtig? Es existieren keinerlei Hinweise auf irgendwelche Feinde. Jemand kommt daher, öffnet das Dachfenster und schüttet dem Ahnungslosen eine seltsame Substanz ins Badewasser, die ihm binnen kürzester Zeit das Fleisch von den … von den Knochen schält und in der Wanne einen trüben Brei zurücklässt. […]

Am selben Abend, als Sir Hamish Urquard einen Empfang mit höchst adligen und höchst prominenten Gästen gegeben hatte, wird er in seinem eigenen Haus das Opfer eines perfiden Mordanschlags. Die einzige brauchbare Spur, die Inspektor James Frobisher gemeinsam mit Sonderermittler Oscar Wilde verfolgt, ist die Kippe einer exklusiven Zigarette. Schon am nächsten Abend wird Richter Richard Godfrey im Beisein von Mycroft Holmes auf seiner eigenen Abendgesellschaft vergiftet. Am Tatort findet sich ein ebensolcher Zigarettenstummel wie bei Urquard, eine Marke, die unter anderem der an beiden Abenden anwesende Thronfolger Prinz Albert Bertie Eduard raucht. Holmes weiß zu berichten, dass beide Mordopfer an einem Gerichtsprozess beteiligt waren, der den des Mordes verdächtigen Raymond Prescott ohne stichhaltige Beweise in die Todeszelle gebracht hat. Liegt hier das Motiv für die Morde begründet?

Ein anonymer Informant rückt Bertie in den Fokus der Presse. Zusätzlich zu seinen Verbindungen mit den beiden Morden will man wissen, dass der Thronfolger Verbindungen zu Londons Amüsierviertel unterhält. In der Hoffnung, etwas über den unbekannten Tippgeber und die Quelle seiner Informationen zu erfahren, folgt Wilde dem Reporter Joshua Gardener und gerät damit in Teufels Küche.

[…] Der Schriftsteller und Sonderermittler blickte auf eine scheinbar wahllos angeordnete Folge von mathematischen Formeln und hastig dahingekritzelt wirkenden Zeichen. Er schüttelte den Kopf, sodass ihm sein dunkles, leicht gelocktes Haar bis fast auf die Schultern herabfiel. »So etwas habe ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen. Ich meine, ich erkenne natürlich einige chemische Zeichen und Begriffe, allerdings erschließt sich mir ihr Sinn überhaupt nicht. […]

Nachdem der Fall Homunculus glimpflich beendet wurde, bietet Hetzjagd in London einen eher nüchtern gelagerten Kriminalfall ohne phantastische Elemente. Nach dem ersten skurrilen Todesfall im Säurebad, der einem Dr. Phibes zur Ehre gereichen würde, nimmt Oscar Wilde gemeinsam mit dem fähigen Yardbeamten James Frobisher die Ermittlungen auf. Dass in der engeren Liste der Verdächtigen der englische Thronfolger auftaucht, macht den Fall zu einem heißen Eisen. Um einiges delikater erweist sich jedoch Bertis Verbindung zu Amanda Prescott, die als ehemalige Komplizin des Zirkels der Sieben schon einige Male Oscar Wildes Weg gekreuzt hat. Sehr geschickt baut Autor Marc Freund eine Verbindung zwischen Bertie, Amanda und deren Vater, eben jenem zum Tode verurteilten Raymond Prescott, auf, die weit in die Vergangenheit reicht. Außerdem gibt die »Affäre« Gelegenheit, einige schöne Charaktermomente unterzubringen und mit den Lesererwartungen zu spielen. Grundsätzlich gefällt Amandas weitere Beteiligung am Geschehen, die sich zwar vom Zirkel der Sieben losgesagt hat, aber immer noch auf eigene Rechnung arbeitet, auch wenn zwischen ihr und Wilde mehr als bloße Sympathie besteht.

Natürlich gehen auch die aktuellen Todesfälle wieder auf das Konto des Zirkels, der hier, um die Monarchie zu destabilisieren, einen neuen Schergen ins Rennen geschickt hat. Im Rahmen einer E-Book-Serie wiederholt sich dieses Schema natürlich zwangsläufig, doch versteht sich Marc Freund immerhin auf eine flotte, atmosphärische und treffsichere Inszenierung, was Dialoge und Figurendynamik angeht. Der Titel ist außerdem Programm, denn es werden gleich einige Verfolgungsjagden durch die Gassen Londons geboten. Die finale Hatz endet in einer starken Szene, die Amanda auf Augenhöhe mit Wilde präsentiert.

Fazit:
Überzeugend konstruierter Histothriller, der gleichsam von Action- wie von Charaktermomenten lebt.

(eh)