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Adventskalender 04. Dezember 2014

Der Siegeszug des Nussknackers

Nussknacker, Räuchermänner, Lichterbögen und Weihnachtspyramiden sind seit Zeiten Markenzeichen des Erzgebirges. Die besonders hochwertigen Holzfiguren haben weltweit einen guten Ruf. Viele Weihnachtsartikel werden seit Generationen in aufwendiger Handarbeit in Drechslereien des Erzgebirges angefertigt.

Man kann davon ausgehen, dass die Kombination eines nützlichen Werkzeuges und einer bemalten Figur mit menschlichem Aussehen in der Mitte des 18. Jahrhunderts ihren Anfang nahm. Im Zentrum der Spielzeugherstellung Sonneberg, im Thüringer Wald gelegen, fanden im Jahr 1735 Nussbeißer Erwähnung, die nach dem Prinzip der Hebelwirkung betrieben wurde. Diese Nussbeißer beschrieb man als robuste, schwungvolle Figuren mit großen Köpfen. Zwei bewegliche Arme auf der Rückseite des Kopfes ermöglichten dem Unterkiefer, die Nuss gegen den Oberkiefer zu drücken. 1783 präsentierten Studenten aus Freisingen in einem Karnevalsumzug große Modelle Berchtesgadener Waren, darunter ein Nussbeißer in Form eines kleinen Mannes, dessen Mund und Magen ein und dasselbe waren. 1791 listete der Großhändler Anton Wallner den Nussknacker in seinen Lagerbeständen. Zu der Zeit, als die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm 1838 mit ihrem Deutschen Wörterbuch begannen, wurde von ihnen das Wort Nussknacker wie folgt definiert: Nuszknacker – ein werkzeug zum aufknacken der nüsse, oft in gestalt eines unförmlichen männleins, in dessen munde die nüsse durch hebel oder schraube aufgeknackt werden.

Die literarische Karriere des Nussknackers begann 1816 mit der Veröffentlichung des Märchens Nussknacker und Mausekönig von E.T.A. Hoffmann, ein Kinderbuch, das mit dazu beigetragen hat, die Nussknacker weiter bekannt zu machen. Im Sinne der Entwicklung der Biedermeierzeit, eine Zeit, in welcher die Bedeutung der Familie und der Kinder besonders hervorgehoben wurde, stellte der Schriftsteller anschaulich diese sympathische Seele des Nussknackers dar: »Eigentlich mochte Marie sich deshalb gar nicht von dem Weihnachtstisch trennen, weil sie eben etwas noch nicht Bemerktes entdeckt hatte. Durch das Ausrücken von Fritzens Husaren, die dicht an dem Baum in Parade gehalten, war nämlich ein sehr vortrefflicher kleiner Mann sichtbar geworden, der still und bescheiden dastand, als erwarte er ruhig, wenn die Reihe an ihn kommen werde. Gegen seinen Wuchs wäre freilich vieles einzuwenden gewesen, denn abgesehen davon, dass der etwas lange, starke Oberleib nicht recht zu den kleinen dünnen Beinchen passen wollte, so schien auch der Kopf bei Weitem zu groß. Vieles machte die propre Kleidung gut, welche auf einen Mann von Geschmack und Bildung schließen ließ. Er trug nämlich ein sehr schönes violett glänzendes Husarenjäckchen mit vielen weißen Schnüren und Knöpfchen, ebensolche Beinkleider und die schönsten Stiefelchen, die jemals an die Füße eines Studenten, ja wohl gar eines Offiziers gekommen sind. Sie saßen an den zierlichen Beinchen so knapp angegossen, als wären sie darauf gemalt. Komisch war es zwar, dass er zu dieser Kleidung sich hinten einen schmalen unbeholfenen Mantel, der recht aussah wie von Holz, angehängt, und ein Bergmannsmützchen aufgesetzt hatte, indessen dachte Marie daran, dass Pate Droßelmeier ja auch einen sehr schlechten Matin umhänge, und eine fatale Mütze aufsetze, dabei aber doch ein gar lieber Pate sei. Auch stellte Marie die Betrachtung an, dass Pate Droßelmeier, trüge er sich auch übrigens so zierlich wie der Kleine, doch nicht einmal so hübsch als er aussehen werde. Indem Marie den netten Mann, den sie auf den ersten Blick lieb gewonnen, immer mehr und mehr ansah, da wurde sie erst recht inne, welche Gutmütigkeit auf seinem Gesichte lag. Aus den hellgrünen, etwas zu großen hervorstehenden Augen sprach nichts als Freundschaft und Wohlwollen. Es stand dem Manne gut, dass sich um sein Kinn ein wohlfrisierter Bart von weißer Baumwolle legte, denn um so mehr konnte man das süße Lächeln des hochroten Mundes bemerken. ›Ach!‹, rief Marie endlich aus, ›ach lieber Vater, wem gehört denn der allerliebste kleine Mann dort am Baum?‹
›Der‹, antwortete der Vater, ›der, liebes Kind soll für euch alle tüchtig arbeiten, er soll euch fein die harten Nüsse aufbeißen, und er gehört Luisen ebenso gut, als dir und dem Fritz.‹ Damit nahm ihn der Vater behutsam vom Tische, und indem er den hölzernen Mantel in die Höhe hob, sperrte das Männlein den Mund weit, weit auf, und zeigte zwei Reihen sehr weißer spitzer Zähnchen. Marie schob auf des Vaters Geheiß eine Nuss hinein, und – knack – hatte sie der Mann zerbissen, dass die Schalen abfielen, und Marie den süßen Kern in die Hand bekam. Nun musste wohl jeder und auch Marie wissen, dass der zierliche kleine Mann aus dem Geschlecht der Nussknacker abstammte, und die Profession seiner Vorfahren trieb. Sie jauchzte auf vor Freude, da sprach der Vater: ›Da dir, liebe Marie, Freund Nussknacker so sehr gefällt, so sollst du ihn auch besonders hüten und schützen, unerachtet, wie ich gesagt, Luise und Fritz ihn mit ebenso vielem Recht brauchen können als du!‹
Marie nahm ihn sogleich in den Arm und ließ ihn Nüsse aufknacken, doch suchte sie die kleinsten aus, damit das Männlein nicht so weit den Mund aufsperren durfte, welches ihm doch im Grunde nicht gut stand. Luise gesellte sich zu ihr, und auch für sie musste Freund Nussknacker seine Dienste verrichten, welches er gern zu tun schien, da er immerfort sehr freundlich lächelte. Fritz war unterdessen vom vielen Exerzieren und Reiten müde geworden, und da er so lustig Nüsse knacken hörte, sprang er hin zu den Schwestern, und lachte recht von Herzen über den kleinen drolligen Mann, der nun, da Fritz auch Nüsse essen wollte, von Hand zu Hand ging, und gar nicht aufhören konnte mit Auf- und Zuschnappen. Fritz schob immer die größten und härtesten Nüsse hinein, aber mit einem Male ging es – krack – krack – und drei Zähnchen fielen aus des Nussknackers Munde, und sein ganzes Unterkinn war lose und wacklig.
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Der Nussknacker trat 1891 als ein verwunschener Prinz in Peter Tschaikowskys Suite Der Nussknacker wieder in Erscheinung und setzte seine Eroberung der Kinderherzen fort. Das Ballett trug dazu bei, die immer größer werdende Popularität des Nussknackers als Sammlerstück zu steigern. 35 Jahre nach der Veröffentlichung des Klassikers von E.T.A. Hoffmann tauchte 1851 der Nussknacker als zentrale Figur in Heinrich Hoffmanns Kindermärchen in Bildern König Nussknacker und der arme Reinhold auf. In dieser Geschichte lernt der arme Reinhold im Traum den Nussknackerkönig kennen.

Der Nussknacker schlüpfte nicht immer in die Rolle des gutmütigen Märchenkönigs. Häufig trug er eine Mönchsrobe oder nahm die Gestalt eines ernst dreinschauenden Polizisten, eines Türken, eines Nachtwächters, eines Kavalleristen oder irgendeiner grotesken, behelmten Figur mit einer langen Nase an. Er tauchte zum Beispiel 1813 als eine Karikatur von Napoleon auf einem Pariser Bilderbogen auf. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts erschien er fast durchgängig in den Katalogen des Spielzeuggroßhandels als Vertreter zeitgenössischer Behörden. Es musste sowohl die Hersteller als auch die Käufer fasziniert haben, einige Aufgaben des Nussknackers auf besonders ungeliebte Figuren zu übertragen. Was als praktisches Instrument begann, endete oft in einem Ausdruck leichter Ironie und sozialer Kritik durch das einfache Volk.

Obwohl bereits 1745 auf der Dresdner Messe Nussknacker verkauft wurden, gilt Friedrich Wilhelm Füchnter (1844 – 1923) als Erfinder des uns heute in Form und Farbe bekannten Nussknackers und fertigte seinen ersten Königsnussknacker um 1870. Füchtners Grundformen des Nussbeißers, auf einer Drechselbank gedrechselt, bestanden aus Kiefern-, Buchen-, Linden- oder Erlenholz. Minimale Verzierungen, basierend auf den kontrastierenden Farben Rot und Gold oder Blau und Orange hatten eine einfache, aber effektive Darstellung zur Folge. Polizist, Soldat und Förster – alles sehr einfache Gestalten – sind die frühesten bekannten Formen. Die Herstellung der Grundform der Figuren ist seit Friedrich Wilhelm Füchnter geblieben, nur Hut, Farbe, dekorative Details und Zubehör variieren von Figur zu Figur. Das Seiffener Familienunternehmen besteht mittlerweile in 7. Generation, die Herstellung von Nussknackern in Fünfter.

Zum Abschluss dieser recht interessanten Geschichte über den Nussknacker etwas zum Anhören.

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