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Träne des Todes

Träne des Todes

Stille lag in der Unterwelt. Dunkelheit umgab jeden Gegenstand. Nur ein lebendes Wesen, falls man in diesem Fall von Leben reden kann, befand sich im Raum. Schräg hatte es sich in den steinernen Thron gesetzt. Eine scharfe, lange Sense war gegen die kalte Wand gelehnt worden. Wie vielleicht einige schon vermuteten, dies war der Thronsaal des Todes. Der Tod selber saß auf dem Thron. Niemand sonst würde es wagen, außer er wollte Qualen durchleben, die schlimmer waren, als das Fegefeuer. Ein Seufzen erklang und schwang lange im Raum nach. Der Tod selber hatte den Seufzer ausgestoßen. Doch klang er weiblich. Der Herrscher der Toten hatte seine gewohnte Gestalt als Skelett im schwarzen Umhang abgelegt. Schon lange hatte er es vorgehabt, doch nie hatte er etwas gefunden, was ihm wirklich gefiel. Zwar hatte er eine kleine Schwäche für Raubkatzen, die Stärke und Eleganz ausstrahlten, die ihn einfach faszinierten, doch war es unpassend gewesen, sich dieser Gestalt zu bemächtigen. Doch dann hatte er SIE getroffen. Es hätte alles so einfach werden sollen. Er hatte nur die Seele holen wollen. Sie würde sonst nur auf der Erde wandeln und andere menschliche Wesen als Geist heimsuchen. Doch es sollte nicht so klappen, wie er es sich erhofft hatte. Ein Mädchen mit feuerroten Haaren erwartete ihn schon. Mit kalten grünen Augen fixierte sie ihn. Es ist normal, dass tote Seelen spürten, wenn er kam. Das machte es einfacher, vor allem, dass sie vor ihm solche Angst hatten, dass sie sich freiwillig mitnehmen ließen. Doch das Mädchen schien keine Angst zu haben. Sie schaute dem Tod direkt in die nicht vorhandenen Augen und wartete wohl auf irgendetwas. Gekommen war er nur, um sie mitzunehmen, das sagte er ihr nun auch, doch sie schien unbeeindruckt. Leicht drehte sie sich ganz zu ihm, das schwarze, kurze Kleid machte ihre Bewegung nur träge mit. Einen Deal schlug sie ihm nun vor. Man konnte ihr Leben noch retten. Sie musste nur auf sich aufmerksam machen und die ganze Familie würde hineinkommen und sich darum kümmern. Der Tod wusste, dass es eine Familie voller Ärzte war. Es wäre möglich. Die Frage war nur, was sollte er für sie tun? Er musste nicht lange warten, da kam ihre Antwort. Er sollte töten. Es klang so einfach, doch auch ein wenig banal.

Der Tod tötete nicht selber. Er holte nur die toten Seelen. Er holte mit der Sense aus. Während er das tat, dachte er immer noch nach. Es schien unter den Knochen leise zu rattern. Noch nie hatte er eine solche Entscheidung fällen müssen und doch kam er zu dem Ergebnis, zuzustimmen. Ein Nicken zeigte seine Zustimmung, dann schlug er zu. Die Seele wurde mittig zerrissen und fand so ihren Weg zu ewiger Ruhe. Er verschwand wieder und gönnte sich Ruhe, doch hatte das Mädchen ihn beeindruckt. So sehr, dass er nun ihre Gestalt trug. Er dachte oft an sie. Er würde sie wohl nie vergessen können.

Außer, er würde endlich den Deal einlösen. Das Mädchen stand auf und griff nach der Sense, die viel zu groß für sie zu sein schien. Eigentlich dürfte sie die Sense gar nicht halten. Viel zu schwer müsste es für das Mädchen sein. Doch bei ihm galten solche Äußerlichkeiten nicht. Selbst als Maus würde er sein wichtigstes Werkzeug noch halten können. Fest umgriff die Hand das kalte, leicht Gold schimmernde Metall, als er sich in Bewegung setzte. Die braunen, hohen Stiefel hinterließen ein knirschendes Geräusch auf dem kalten Steinboden. Noch während der Tod die Halle durchquerte, veränderte sich seine Umgebung. Das rote Haar hob sich als würde ein Sturm toben, ansonsten bemerkte niemand, dass er gerade in wenigen Sekunden durch mehrere Dimensionen reiste und das auch nur mit wenigen Schritten. Das Mädchen hatte gesagt, um wen es sich handelte. Lange musste der Tod nicht suchen. Übernatürliche Sensoren fanden den Mann schnell. Nun fühlte sich sogar dieses berühmte Wesen mulmig. Es war nicht sein Job, doch hatte er sich vorgenommen, sein Versprechen zu halten. Schließlich veränderte sich die Umgebung nicht mehr, er hatte sein Ziel erreicht. Ein Wald erstreckte sich vor ihm. Unter den Stiefeln erstreckte sich ein Pfad. Hier müsste der Mann bald vorbei kommen, es konnte nicht lange dauern. Langsam schloss sie ihre Augen und begann zu warten. Automatisch nahm das Mädchen eine lockere Haltung an. Die Sense blitze in der Sonne auf. Noch bevor er den Mann sah, hörte er die Schritte. Dem Tempo vernahm er, das der Kommende joggte oder Ähnliches. Dann vernahm er auch seinen Atem. Er glich schon einem leichten Keuchen. Die Muskeln in der Hand, in der die Sense lag, zogen sich zusammen. Das Ende hob sich ein wenig vom Boden ab, langsam glitt es in die andere Hand. Nun hielt er die Waffe in beiden Händen. Die Schritte kamen näher, zeitgleich holte er aus. Ein Countdown rieselte durch seine Gedanken, als er die Sense schwang. Den Widerstand, als er den Hals durchtrennte, bemerkte er nicht. Die Sense glitt durch die Muskeln und Knochen wie durch Luft. Nun erst öffnete er die Augen. Er sah den Mann mit den mausgrauen Haaren an. Er meinte, Verwunderung und Schrecken in den weit geöffneten Augen zu sehen. Der Kopf fiel ins Laub. Einen Atemzug des Todes später fiel der Torso daneben. Nun hatte er den Deal erfüllt. Doch besser fühlte er sich nicht. Außerdem galt es nun noch, die Seele in die Unterwelt zu schicken. Langsam hob er die Sense zum Schwung, als die geisterhafte Gestalt sich aus dem Körper löste. Es schien, als wollte die Seele noch etwas sagen, da schlug er ein zweites Mal zu. Die Seele verschwand. Nun hatte er keine Möglichkeit mehr herauszufinden, was er mit dem Mädchen zu tun hatte. Zu schnell hatte er gehandelt und alles, was ihm Antwort stellen konnte, in die Unterwelt verbannt. An die Seelen kam er nun nicht mehr heran.

Das Bewusstsein ließ ihn nicht mehr los. Die Sense glitt ihm aus der Hand und fiel ins Laub. Passend zu seinem Gemütszustand begann es über ihm zu donnern. Die einzige Vorwarnung auf den Wolkenbruch, der sich nun ereignete. Die Regentropfen trafen den Tod und begannen, auf die Gestalt des Mädchens zu prasseln. Schon nach wenigen Minuten war es vollkommen durchnässt. Das Kleid klebte an dem schmächtigen Körper. Zwar spürte er keine Kälte, aber die Feuchtigkeit, die auf der Haut lag, wurde ihm schnell bewusst. Wasser sammelte sich unter dem Auge. Genau dieses Wasser bahnte sich langsam seinen Weg die Wange herab, fiel vom Kinn nach unten. Der Tod hatte der Welt eine Träne geschenkt. Doch war es nun eine Träne oder nur Regenwasser? Darum kümmerte er sich nicht.

Er verschwand samt Sense wieder, doch fand man an diesem Ort seitdem jedes Jahr eine blutrote Blume. Genau dort, wo die Träne den Boden berührt hatte.

(dn)