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Der Welt-Detektiv Band 6

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Hannikel – 7. Teil

Christian Friedrich Wittich
Hannikel
oder die Räuber- und Mörderbande, welche in Sulz am Neckar in Verhaft genommen und daselbst am 17. Juli 1787 daselbst justifiziert wurde
Verlag Jacob Friderich Heerbrandt, Tübingen, 1787

Einer der größten Diebstähle, deren sich Hannikel schuldig gemacht hatte, ist auch der zu Marienthal in der Gräflich-Wartenbergischen Herrschaft.

Zigeuner und Gauner haben bekanntlich immer ihre Leute an sich, die ihnen nicht nur bei ihren bösen Streichen zur Hand gehen und für sie spionieren, sondern ihnen auch ihre gestohlene Ware abhandeln oder verschließen helfen. Dies war auch hier der Fall.

Ein Harzbrenner von Mazenberg bei Grünstadt verriet Hannikel und Fontin den Marienthaler Liebmann Levi als einen sehr reichen Mann. Diese Bösewichte wurden hierauf gleich miteinander eins, denselben zu berauben.

Hannikel und Wenzel sammelten zu diesem Ende die Rüstigsten aus ihrer Rotte zusammen und marschierten mit ihnen in der Nacht vom 6. auf den 7. April 1777 tatsächlich nach Marienthal und auf des Juden Haus los. Nachdem bereits einige von denen, die vorangegangen waren, die Seile an den Glocken abgeschnitten hatten, um dadurch das Sturmläuten zu verhindern, riss Hannikel und ein anderer Zigeuner einen Fensterladen an demselben auf und schlugen mit einem Beil ohne weitere Umstände das Fenster ein.

Nun stieg Hannikel mit 8 seiner Kameraden in die Stube. Sie liefen zuerst dem Bett zu und rissen den vor Schreck halb toten Juden und dessen Frau an den Haaren aus demselben.

Hannikel, der Barbar, versetzte dem geängstigten Hebräer mit einem daumendicken Prügel mehrere Streiche auf den Kopf, warf ihn zu Boden und überließ ihn sodann den anderen zum Binden und Plagen. Er hingegen schnürte der ledigen Tochter des Juden Hände und Füße zusammen und warf sie in einen Lehnsessel.

Nun packte er die gebundene zitternde Jüdin wieder bei den Haaren, riss und schleppte sie an denselben unbarmherzig auf die Bühne, gab ihr dort derbe Streiche, wovon jeder eine Schwühle zurückließ, auf den bloßen Hintern und wollte sie dadurch bewegen, dass sie die 1000 Dukaten, welche er nach der Aussage des Harzbrenners bei ihr vermutete, herausgeben sollte. Inzwischen brachen die Übrigen mit einer Axt Kisten und Kästen auf, nahmen alles Geld, Gold, Silber, Manns- und Weibskleider, Bett, Leinwand, Möß-, Zinn- und Kupfergeschirr, so sie darinnen antrafen, heraus und packten es in ihre Säcke. Als nun die Jüdin jene 1000 Dukaten nicht hergab, weil sie solche nicht im Besitz hatte, so trieben diese gottlosen Burschen ihre Unmenschlichkeit so weit, dass sie derselben von einer bei sich gehabten Pechfackel heiße Tropfen auf den Kopf fallen ließen. Der geschädigte Kaufmann hatte zwar diesen Umstand wie den ganzen Diebstahl mit einem wirklichen Eid bestärkt. Hannikel wollte aber denselben nicht bekennen, sondern behauptete, sie hatten keine Pechfackel gehabt und es seien der Jüdin nur von ungefähr Kohlen und Funken von ihrer Holzfackel auf den Kopf gefallen, die ihr die Haare verbrannt haben.

Allein selbst Wenzel widerlegte diesfalls seinen lügenhaften Bruder und überwies ihn ins Angesicht, dass sie es ja unterwegs einander erzählt und er es mit eigenen Ohren gehört habe. Sie hätten der Jüdin mit Vorsatz Feuer auf den Kopf fallen lassen, damit sie sagen solle, wo die 1000 Dukaten verwahrt seien. Auch bei diesem Einbruch war Hannikel Anführer und ließ sich von seinen Kameraden zur Abschreckung derer, die dem Juden zu Hilfe kommen wollten, bald Obrist, bald Hauptmann nennen. Er gab diesen auch vor dem Angriff scharfen Befehl, ihre Flinten und Pistolen mit Schrot zu laden und solche auf jeden, der sich ihnen widersetzen wolle, sogleich abzudrücken, deswegen sie auch, sobald sich nur ein Bürger an dem Fenster sehen ließ, aus ihrem Gewehr Feuer gaben.

Die beherzten Bauern schossen auch, und es gab auf beiden Seiten Verwundete. Hannikel brauchte hierbei den weiteren Kniff, dass er nicht nur selbst und durch andere zu erkennen gab, sie seien französische Soldaten und wollen den Juden abholen, weil derselbe gestohlene Sachen gekauft habe, sondern er rief auch noch beim Abmarschieren rechts und links über die Schultern hin schnaubend 20. raus, 40. raus, 50. raus, wodurch er die Bauern vom Nachsetzen abbringen und sie bereden wollte, es seien wirklich ihrer so viele. Aus dem vielen Silber, welches die Diebe bei diesem Diebstahl bekamen, ließen sie durch einen Schnallenmacher zu Rodalben Federntaler schlagen. Hannikel will aber nichts damit zu tun gehabt haben, erhielt aber doch auch 7 Stück davon, die er hie und da in den Wirtshäusern ausgegeben hatte. Diesen beträchtlichen Diebstahl gab der beraubte Liebmann Levi auf 2400 Gulden eidlich an; und Hannikel konnte nichts dagegen einwenden.

Unter allen Diebstählen, welche Hannikel in seinem Leben begangen hatte, zeichnet sich um seiner äußerst traurigen, jeden Menschenfreund tief in der Seele schmerzenden Folgen willen der Mittelbronner ganz besonders aus. Die Umstände dabei sind Folgende: Ein französischer Wildbretschütze hinterbrachte es Hannikel, dass sich zu Mittelbronn, einem nach Walburg gehörigen Ort, ein sehr reicher Jude befinde. Sogleich eilte der Raubbegierige unter dem Vorwand des Aufspielens, welches er damals trieb, in des Juden Haus, um sich von der Wahrheit dieser Aussage durch den Augenschein zu überzeugen. Er fand die Sache richtig, berief voll Freuden eine Anzahl Zigeuner und vollzog wirklich in der Nacht des 24. September 1768 den mit ihnen verabredeten gewaltsamen Einbruch und Diebstahl. Hannikel ging nämlich mit seinen Spießgesellen von Annweiler, wo sie sich alle versammelt hatten, nach Mittelbronn. Er begleitete sie zuerst vor des reichen Juden Cerf Moses Hirsch Haus verfügte sich in der Geschwindigkeit zur Kirche, nagelte die Türen derselben zu, ordnete sodann mit dem Dodelo die Wachen um das Haus herum und befahl ihnen, dass sie niemand in dasselbe hineinlassen, sondern jeden, der mit Gewalt zudringen wollte, sogleich niederschießen sollten. Der Jäger des Ortes, der mit einigen Bauern diesen Gewalttätigkeiten Einhalt tun wollte, schoss wirklich unter das Diebsgesindel hinein und verwundete den Dodelo an der Hand, worauf dieser seine Flinte auch auf ihn abdrückte, jedoch ohne ihn zu verwundenen. Um nun die aufgebrachten und mit ihrem Geschütz herbeigelaufenen Bauern abzutreiben, rief ihnen Hannikel und Dodelo aus vollem Hals zu: Sie seien ein Pfalzburgisches Kommando und müssen den Juden, weil er Konterbande führe, nach Pfalzburg abholen. Die feigen Bauern ließen sich durch diese erdichtete Nachricht auch abschrecken, traten zurück, ließen den Juden ungestört ausplündern und die Diebe mit ihrer Beute, ohne sie weiter zu verfolgen, ruhig abziehen.

Der Jude, sein Frau und seine Magd wurden von den Bösewichtern gebunden und durch Schläge sehr misshandelt, ihre Kisten und weitere Behältnisse mit der Axt aufgehauen und aus denselben alles, was sie von Geld, Gold und Silber, Manns- und Frauenkleider, auch Bettüberzügen fanden, in ihre Säcke gepackt.

Hannikel gibt zwar vor, dass er während diesem so beträchtlichen Diebstahl, der sich auf 18.333 fl. belief, bloß Wache gestanden sei. Hingegen versichert sein leiblicher Bruder Wenzel, dass er auch alles Übrige dabei mitgemacht habe.

Dieser Diebstahl hatte nun außer dem, was bereits davon angeführt worden ist, die traurigsten Folgen. Der sehr beleidigte Jude Moses Hirsch machte bei der Obrigkeit zu Pfalzburg von seinem erlittenen großen Diebstahl sogleich die gehörige Anzeige und gab entweder durch Vorurteil geblendet oder durch allzu große Angst und überspannte Fantasie getäuscht oder durch die Nacht betrogen oder aus unverzeihlicher Bosheit und Rachsucht an, dass 7 Bürger aus dem kleinen, nur aus Häusern bestehenden und in das Pfalzburger Amt gehörigen Ort Lützelburg mit unter den frevelhaften Tätern gewesen und dass solche namentlich der Michel Fix, Wilhelm Braun, Matteis Erret, Johann Kaspar Becker, Ulrich Becker, Joseph Siegler und Ludwig Siegler seien. Nicht nur seine ganze Familie und Magd, sondern auch alle Juden, die in seinem Hause wohnten, bekräftigten die Wahrheit dieser Aussage. Die sieben peinlich angeklagte Bürgere wurden darauf eingezogen, in Ketten und Banden gelegt und in den Gefängnissen zu Pfalzburg wohl verwahrt. Man verhörte sie über das sie bezichtigte große Verbrechen. Sie bezeugten aber freimütig und unerschrocken, dass sie keinen Anteil daran hätten, sondern ganz unschuldig seien. Man konfrontierte sie mit den Anklägern. Diese behaupteten mit frecher Stirn, dass sie die Mitschuldigen seien. Sie aber beriefen sich immer getrost auf ihre Unschuld. Man legte sie auf die schreckliche Folter. Sie überstanden die peinliche Marter und blieben unerschüttert in der Behauptung ihrer guten Sache. Diesem ungeachtet wurden die Beschuldigungen der Juden für überzeugend gehalten und vom Justizrat zu Pfalzburg die übereilte sehr harte Sentenz gefällt, dass vier von diesen angeklagten Bürgern zum Strang, die drei andere hingegen zur ewigen Galeerenstrafe verurteilt werden sollen, welche dann auch vom Parlament zu Metz bestätigt und am 17. Februar 1769 vollzogen wurde.