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Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern – 31. Blatt

Till Eulenspiegel in 55 radierten Blättern
von Johann Heinrich Ramberg, mit Text nach der Jahrmarkts-Ausgabe. Verlag C. B. Griesbach. Gera. 1871

achdem Eulenspiegel Wismar verlassen hatte, trieb er sich im Mecklenburgischen umher; denn er hatte nun wieder Geld und lebte herrlich und in Freuden. Überall, wo er durch­kam, gab er närrische und dumme Dinge an. Und weil er in Braunschweig lange nicht gewesen war, so nahm er seinen Weg über Uelzen dahin. In Braunschweig angekommen, ging er zu einem Stiefelmacher, mit Namen Stoppel, wel­cher auf dem Kohlmarkt wohnte, bei dem er sich seine Stiefel schmieren lassen wollte, denn sie waren ziemlich hart geworden.

Er sprach zu dem Meister: »Wollt Ihr meine Stiefel spicken? Ich möchte sie aber morgen gern wieder haben.«

Der Meister antwortete: »Ja, morgen sollen sie be­stimmt fertig sein.«

Als Eulenspiegel weg war, sagte der Geselle: »Meister, das war der schalkhafte Eulenspiegel, dem muss man seine Sachen machen, wie er es bestellt, und wenn es auch verkehrt wäre, sonst sagt er, er hätte es nicht so bestellt; denn er macht auch alles gerade so, wie man es ihm sagt.«

Der Meister befolgte diesen Rat, nahm die Stiefel, spickte sie, wie man einen Braten spickt, und hing sie an die Wand. Anderen Tags kam Eulenspiegel und fragte, ob seine Stiefel fertig wären.

»Da hängen sie«, antwortete der Meister.

Eulenspiegel nahm die Stiefel, besah sie, lachte und sprach: »Ihr seid doch ein wackerer Meister, denn Ihr macht es, wie man es Euch sagt. Was wollt Ihr dafür haben?«

Er sagte: »Einen alten Groschen.«

Eulenspiegel gab ihm den alten Groschen und ging fort.

Der Meister und sein Geselle lachten und sprachen zueinander: »So ist Eulenspiegel doch noch nie angeführt worden.«

Als sie darüber lachten, kam Eulenspiegel wieder zurück vor das Stubenfenster, das eben offen stand, woran er gerade mit seinen Schultern reichte, und stieß so heftig gegen das Fenster, dass viele Glasscheiben zur Stube hineinfielen, mit den Worten: »Meister, was ist das für Speck, wo­mit Ihr meine Stiefel gespickt habt. Ist er von einer Sau oder von einem Eber?«

Da der Stiefelmacher die Fensterscheiben zerstoßen sah, rief er: »Was unterstehst du dich, Bösewicht, mir das Fenster zu ruinieren?« Er ergriff sein spanisches Rohr, um auf Eulenspiegel loszuschlagen.

Aber dieser machte eine verzogene lächerliche Miene und sprach: »O lieber Meister, erzürnt Euch nicht, ich wollte nur fragen, was das für Speck wäre, womit Ihr meine Stiefel so schön gespickt habt.«

Darüber wurde der Meister noch zorniger und sprach: »Bezahle mir gleich meine Fenster, du böser Schalk!« Und eilte vor die Tür, um ihn festzuhalten.

Allein Eulenspiegel lief, dass er mit seinen gespickten Stiefeln davonkam, und der Meister konnte ihn nicht wieder einholen.

Nun wurde er über seinen Gesellen aufgebracht, der ihn dazu verleitet hatte, und sagte: »Den Schaden habe ich dir zu verdanken. Hättest du mir den Rat nicht gegeben, so hätte ich den Narren nicht gereizt und meine Fenster wären noch ganz. Ich habe immer ge­hört, wer sich mit Narren bemengt, bekommt Narrenlohn. Einem Narren muss man ausweichen, wenn man nicht von ihm angeführt sein will. Du bezahlst mir nun das Fenster!«

Da aber der Geselle nicht so viel im Vermögen hatte, um den Schaden bezahlen zu können, gab ihm der Meister den Abschied. Später hütete sich der Geselle, sich wieder in fremde Händel zu mischen.