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John Sinclair Classics Band 1

Jason Dark (Helmut Rellergerd)
John Sinclair Classics
Band 1
Die Nacht des Hexers

Grusel, Heftroman, Bastei, Köln, 12.09.2017, 66 Seiten, 1,80 Euro, Titelbild: Ballestar/Norma
Dieser Roman erschien erstmals am 13.07.1973 als Gespenster-Krimi Band 1.
www.john-sinclair.de
Kurzinhalt:
Mitternacht – der Friedhof des kleinen engli­schen Dorfes Middlesbury. Holpernd fährt ein rostzerfressener Lieferwagen durch die Nacht. Der geisteskranke Professor Orgow und zwei seiner Gesellen haben sich aufgemacht, einen Leichnam zu stehlen und ihn in die unterirdischen Labore eines alten Schlosses zu bringen Denn Professor Orgow hat einen Weg gefun­den, Tote als Zombies auferstehen zu lassen …

Leseprobe

Wie ein unheilvoll drohender Schatten lag die Dunkelheit über dem Land. Nur ab und zu lugte der bleiche Mond durch die schweren Wolken. Dann geisterte sein fahles Licht auf den klei­nen Friedhof und tauchte die alten, verwitterten Grabsteine in silbrigen Glanz.

Nebelschwaden umfingen wie To­desfinger die Erlen und Trauerweiden des Friedhofs.

Hinter dem Friedhof lag das Moor. Aufkommender Wind brachte den Geruch von Fäulnis und Verwesung mit. Einmal durchschnitt der über­laute Schrei eines Käuzchens die Totenstille.

Ein Mann, der den Ruf zufällig hörte, zuckte zusammen. »Der To­tenvogel ruft. Das ist die Stunde des Hexers«, flüsterte er erschreckt und begann zu laufen.

Er rannte direkt zu dem kleinen Dorfgasthaus, riss die Tür auf und blieb schwer atmend an der rustikalen Theke stehen.

Es waren nur noch wenige Gäste im Raum, und allen lief ein Schauer über den Rücken, als der Neuankömmling von dem Schrei des Käuzchens berichtete.

»Bald werden die Toten wieder­kommen«, sagte der Wirt mit rauer Stimme und spürte, wie ihm eine Gänsehaut über den Rücken rieselte.

Die anderen Gäste nickten beklom­men. Sie fühlten, dass bereits ein un­sichtbarer Gast unter ihnen weilte.

Das Grauen …

 

Mitternacht.

Fast im Schritttempo rumpelte ein uralter Lieferwagen über den holprigen Feldweg. In dem kleinen Führerhaus saßen drei Männer.

Der Mann am Lenkrad war Profes­sor Ivan Orgow. Mit dunklen, tief in den Höhlen liegenden Augen starrte er in die Nacht, die nur vom Licht der beiden Scheinwerfer spärlich erhellt wurde.

Ivan Orgows Gedanken konzen­trierten sich voll auf die vor ihm liegende Aufgabe. In seinen Augen flackerte es, als er daran dachte, wel­che Macht er besaß.

Er, Ivan Orgow, hatte Macht über die Toten. Eine grauenvolle, unheim­liche Macht. Noch in dieser Nacht würde ein Toter ins Leben zurück­kehren.

Die beiden Männer neben ihm konnten nicht mehr klar denken, wa­ren nicht mehr Herr über sich selbst. Professor Orgow hatte sie hypnoti­siert. Sie führten nur seine Befehle aus.

Der alte Lieferwagen hatte sein Ziel erreicht. Er stand jetzt vor dem alten, schmiedeeisernen Tor des Friedhofs.

Professor Orgow löschte die Schein­werfer. Dann drückt er die Tür auf und sprang aus dem Wagen.

Der Nebel hatte zugenommen. Wie ein Panzer legte er sich auf die Brust und erschwerte das Atmen.

Professor Orgow winkte seinen bei­den Gehilfen. Er holte einen Schlüs­selbund aus der Tasche und öffnete das primitive Schloss des Friedhof­tors.

Es quietschte, als er das Tor auf­schob.

Hintereinander huschten die drei Männer auf den Totenacker. Bald hatte sie der Nebel verschluckt. Nur der Lieferwagen stand verlassen an der rissigen Mauer.

Ivan Orgow kannte sich gut aus. Zielstrebig ging er auf das alte, aus dicken Steinen erbaute Trauerhaus zu, das gleichzeitig auch als Leichen­halle diente.

Auch für die schwere Holztür hatte der Professor einen Schlüssel. Er atmete tief durch, als er die Tür aufschloss. Eine seltsame Erregung hatte ihn gepackt. Es war die Erre­gung dicht vor einem entscheidenden Ereignis.

Orgow verharrte noch. Er kon­zentrierte seine Gedanken auf das Kommende. Dann drückte er gegen die schwere Tür. Knarrend schwang sie nach innen.

Orgow holte eine Taschenlampe aus der Seitentasche seines langen dunklen Mantels. Er tat einen Schritt in die Leichenhalle und knipste die Lampe an.

Der Lichtstrahl geisterte durch die kleine Halle. Er tastete sich über die Wände, die mit Buchsbaumzweigen geschmückt waren und deren Geruch der Professor wie Balsam aufsog.

Ivan Orgow ließ den Strahl der Lampe weiterwandern. Der kalte Marmorboden der Halle warf das Licht teilweise zurück und zauberte Reflexe auf das graue, eingefallene Gesicht des Professors.

Orgow ließ den Strahl der Lampe bis zur gegenüberliegenden Wand kreisen.

Und da stand das, was er suchte. Ein Sarg!

Es war ein teurer Eichensarg. Er ruhte auf einem kleinen Podest und war mit Kränzen und Blumen ge­schmückt. Morgen sollte die Trauer­feier sein.

Die Augen des Professors irrlich­terten, als er langsam auf den Sarg zuging. Seine freie linke Hand zuckte wie im Fieber. Orgow konnte seine Erregung kaum noch dämpfen.

Plötzlich warf er mit einer wilden, unkontrollierten Bewegung Blumen und Kränze zur Seite, stützte sich mit beiden Händen auf den Sargdeckel und keuchte schwer.

»Ich werde dich wiederholen«, mur­melte er. »Aus dem Reich der Toten wirst du zurückkehren. Du wirst Un­heil bringen über die Menschen, und ich werde befehlen. Ich habe die Kraft und die Macht, um alle zurückzuho­len. Und dann werden die Toten sich rächen.«

Schweißgebadet richtete sich Or­gow auf. In seinen Augen flackerte der nackte Wahnsinn.

Wie ein Vampir breitete er die Arme aus und lachte. Es war ein irres La­chen. Der Teufel selbst schien es ihm eingegeben zu haben.

Orgows Gehilfen standen wie Zinn­soldaten an der Tür. In ihren Gesich­tern zuckte kein Muskel.

Es dauerte noch eine Weile, bis sich der Professor wieder beruhigt hatte. Dann wandte er sein hageres Gesicht den Männern zu.

»Kommt!«, flüsterte er rau. »Macht euch an die Arbeit!«

Wie zwei Marionetten setzten sich die beiden in Bewegung. Sie waren fast gleich groß und ungeheuer breit. Sie trugen schäbige Jacken, karierte Hemden und alte Cordhosen.

»Die Werkzeuge!« Orgow funkelte die Männer an.

Sie griffen in die Taschen und hol­ten zwei Stemmeisen hervor. Diese klemmten sie unter die Verriegelung des Sargdeckels.

Schon nach kurzer Zeit brach das erste Schloss. Das Zweite hielt eben­falls nicht lange.

»Hebt den Deckel ab!«

Die Männer gehorchten ihrem Herrn. Langsam hoben sie den schwe­ren Sargdeckel.

Mit halb geöffnetem Mund und krallenartig ausgestreckten Händen wartete Professor Orgow. Die Ta­schenlampe in seiner Rechten zitterte.

Nur stückweise ruckte der Sargde­ckel zur Seite. Aber schließlich hatten es die Männer geschafft.

Der Sarg war offen!

Ein schwerer Seufzer kam aus der Kehle des Professors, als er hinein­blickte.

Ja, da lag sie.

Mary. Kaum zwanzig Jahre alt ge­worden. Gestorben vor drei Tagen an einem Herzversagen.

Noch im Tod sah das Mädchen wun­derschön aus. Das schwarze lockige Haar umrahmte das bleiche Gesicht wie ein Vlies. Das Totenhemd war aus reiner Seide und die Innenverkleidung des Sargs aus dunkelrotem Samt.

Mary hatte die Hände über der Brust gefaltet. Sacht strich Professor Orgow mit seinen Knochenfingern darüber.

»Bald wirst du wieder leben, Mary«, flüsterte er. »Ich verspreche es dir. Aber erst musst du mit uns kommen. Wir bringen dich in das Schloss. Dort wirst du erlöst.«

Professor Orgows Gesicht zuckte und spiegelte seine innere Erregung wider.

»Was ist, denn hier los?«, ertönte plötzlich eine Stimme von der Tür her. Der Professor und seine beiden Gehilfen ruckten herum.

In der Halle stand ein alter Mann.

Der Friedhofswärter. Er hielt ein Windlicht in der rechten Hand. Der flackernde Schein der Kerze brach sich an den Wänden und warf lange Schatten auf den Boden.

Langsam ging Professor Orgow auf den Friedhofswärter zu.

Der alte Mann wich zitternd zu­rück.

»Tötet ihn!«, schrie Orgow plötz­lich. Seine knochige Hand schoss vor wie ein Pfeil.

Die beiden Gehilfen setzten sich in Bewegung. Noch immer hielten sie die Stemmeisen in der Hand.

Der alte Mann stand vor Schreck wie angewachsen. Er begriff die töd­liche Gefahr einfach nicht.

Und dann war es zu spät.

Die beiden Männer rissen ihre Waf­fen hoch …

Der Wächter taumelte rückwärts – und stürzte zu Boden. Im Nu waren die Unheimlichen über ihm.

Als sie sich wieder aufrichteten, lag der alte Mann tot in einer Blutla­che auf dem Boden. Sein Leben war genauso verlöscht wie die Kerze des Windlichts.

»Er hätte uns nicht stören dürfen«, sagte Professor Orgow dumpf. Dann wandte er sich wieder an seine bei­den Gehilfen. »Hebt die Tote aus dem Sarg.«

Wie zwei Roboter kamen sie dem Befehl nach.

»Geht nicht zu rau mit ihr um«, flüsterte Orgow.

Sacht hoben die Mörder Mary hoch. »Jetzt schnell zum Wagen«, flüs­terte Orgow.

Die drei Männer verließen mit der Toten die Leichenhalle.

Mittlerweile war der Nebel noch dichter geworden. Man konnte kaum die Hand vor Augen sehen.

Professor Orgow ging als Letzter.

Vor einer Familiengruft blieb er kurz stehen. Langsam streckte er die rechte Hand aus.

»Auch ihr werdet wiederkommen«, flüsterte er. »Ihr werdet eure Särge verlassen. Der Satan selbst wird euch ins Leben zurückholen. Schon bald werden sich überall die Gräber öffnen. Schon bald …«

Der Professor wandte sich ab. Leise vor sich hin murmelnd folgte er seinen Gehilfen.

Sie hatten den Lieferwagen schon erreicht und waren gerade dabei, das tote Mädchen auf die Ladefläche zu hieven.

Der Professor setzte sich wieder hinter das Steuer. Als er den Motor anließ, glühte in seinen Augen ein satanisches Feuer …

Personen:

  • Professor Ivan Orgow, der Hexer
  • zwei Männer, von Professor Orgow hypnotisiert
  • Mary Winston
  • Lara, das Medium
  • Caroline und Ronald Winston, Marys Eltern
  • Jack und Jenny Winston, Marys Zwillingsgeschwister
  • Konstabler Jones, Dorfpolizist
  • Ann Baxter, Londoner Journalistin
  • Paddy McDuff, Gastwirt
  • John Sinclair, Inspektor bei Scotland Yard
  • Sir James Powell, Superintendent
  • Dorfbewohner
  • Jim Burns, Stellwerkwärter
  • Lokführer des Schnellzuges Aberdeen – Carlisle
  • Billy, zehnjähriger Waise, lebt bei seinen Pflegeeltern Patton
  • Captain Green
  • Sergeant

Orte:

  • Manor Castle
  • Middlesbury, kleines englisches Dorf

Quellen:

  • Jason Dark: John Sinclair Classics. Geisterjäger John Sinclair. Band 1. Bastei Verlag. Köln. 12.09.2017
  • Thomas König: Geisterwaldkatalog.Band 1. BoD. Norderstedt. Mai 2000

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