Draculas Braut (1936)
Der Film Draculas Braut aus dem Jahr 1936 knüpft direkt an den bahnbrechenden Horrorfilm Dracula (1931) an und beschreitet gleichzeitig neue erzählerische Wege. Unter der Regie von Lambert Hillyer und mit Gloria Holden in der Titelrolle entstand ein Werk, das weniger auf Schockeffekte als auf psychologische Tiefe und subtile Atmosphäre setzt. Trotz seines geringen Bekanntheitsgrades in der Geschichte des Horrorfilms verdient der Film sowohl aufgrund seiner thematischen Ambitionen als auch seiner stilistischen Besonderheiten eine besondere Beachtung.
Universal Pictures hatte das Horrorgenre zur Entstehungszeit des Films bereits entscheidend geprägt. Er sollte an den Erfolg von Frankensteins Braut (1935) anknüpfen. Dabei wagte das Studio eine bedeutende Innovation: die Einführung einer weiblichen Hauptfigur.
Die Produktion war von Anfang an von Schwierigkeiten geprägt. Das ursprüngliche Drehbuch von John L. Balderston, das einen anspruchsvollen und ernsten Horrorfilm vorsah, fiel der Zensur des Hays Office zum Opfer, und Universal musste auf eine weniger riskante Umsetzung ausweichen.
Die Geschichte knüpft nahtlos an die Ereignisse des Vorgängerfilms an: Professor Van Helsing (Edward Van Sloan) wird verhaftet, nachdem er Dracula mit einem Pflock getötet hat. Obwohl er beteuert, nur einen Untoten beseitigt zu haben, droht ihm eine Mordanklage, und in seiner Not wendet er sich an seinen ehemaligen Schüler, den Psychiater Dr. Jeffrey Garth (Otto Kruger).
Gleichzeitig taucht in London die Gräfin Marya Zaleska (Gloria Holden) auf. Sie ist Draculas Tochter und sehnt sich nach Erlösung von ihrem vampirischen Fluch. Verzweifelt versucht sie, ihren Blutdurst durch Rituale und reine Willenskraft zu besiegen, doch ohne Erfolg. Unter dem Einfluss ihres teuflischen Dieners Sandor (Irving Pichel) wird sie schließlich wieder zur Jägerin.
Im dramatischen Finale lockt sie Dr. Garth nach Transsylvanien, um ihn zu ihrem ewigen Gefährten zu machen. Doch Sandor, von Eifersucht und Verrat getrieben, greift zu drastischen Mitteln und tötet die Gräfin mit einem Pfeil, bevor er selbst von der Polizei erschossen wird.
Zentrales Thema des Films ist der Konflikt zwischen Schicksal und freiem Willen. Gräfin Zaleska, gequält von ihrem vampirischen Erbe, kämpft verzweifelt um ihre Menschlichkeit. Diese innere Zerrissenheit macht sie zu einer weitaus komplexeren und tragischeren Figur als ihren Vater, der als Verkörperung des puren Bösen dargestellt wird.
Darüber hinaus behandelt der Film implizit Themen wie Sucht und psychische Abhängigkeit. Zaleskas Kampf gegen ihren Blutdurst ist eine Allegorie für ihren Versuch, einer zerstörerischen Obsession zu entkommen, und die Rolle des Psychiaters Dr. Garth verstärkt diesen psychologischen Ansatz und hebt den Film von anderen Vertretern des Genres ab.
Auch die subtilen sexuellen Untertöne sind nicht zu übersehen. Die Beziehung zwischen Zaleska und ihren weiblichen Opfern ist eindeutig – sie hypnotisiert ein junges Künstlermodell und nimmt es mit in ihre Wohnung. Diese Szene ist ein Beispiel für die Kühnheit des Films, der für seine Zeit äußerst innovativ ist.
Visuell besticht der Film durch den gekonnten Einsatz gruftiger Elemente und expressionistischer Licht- und Schatteneffekte. Die Nebelschwaden, die über den Straßen Londons hängen, schaffen eine bedrückende und geheimnisvolle Atmosphäre. Im Gegensatz dazu wirken die Szenen in Transsylvanien eher schlicht. Sie zeugen von den Budgetbeschränkungen der Produktion.
Die Kameraarbeit von George Robinson trägt entscheidend zur Wirkung des Films bei, insbesondere bei den hypnotischen Begegnungen zwischen Zaleska und ihren Opfern. Gezielte Beleuchtung und Nahaufnahmen erzeugen eine intensive, fast tranceartige Stimmung.
Gloria Holden gibt eine beeindruckende Darstellung der Gräfin Zaleska. Ihre kühle, melancholische Präsenz verleiht der Figur Tiefe und macht sie zu einer unvergesslichen Erscheinung im Horrorgenre. Otto Kruger als Dr. Garth verblasst dagegen neben Holdens eindringlicher Darstellung.
Edward Van Sloan bringt als Professor Van Helsing seine gewohnt souveräne Autorität auf die Leinwand. Irving Pichel spielt den manipulativen Sandor und hinterlässt als zwielichtiger Diener einen bleibenden Eindruck.
Trotz ambitionierter Ansätze bleibt Draculas Braut hinter seinen Möglichkeiten zurück. Die Handlung wirkt bisweilen fragmentarisch und die Charakterentwicklung bleibt stellenweise oberflächlich. Der Wechsel zwischen psychologischem Drama und klassischem Horror gelingt nicht immer nahtlos.
Der Film ist nicht so ikonisch wie sein Vorgänger mit Bela Lugosi. Er ist zäh und erzählerisch unausgewogen.
Fazit:
Draculas Braut ist ein ambivalenter Film. Er hat Schwächen, aber auch etwas Besonderes. Die Gräfin Zaleska ist eine faszinierende Figur, die mit stereotypen Vampirbildern bricht und sowohl psychologisch als auch gesellschaftlich brisante Themen auf die Leinwand bringt. Auch wenn der Film nicht den Kultstatus seines Vorgängers erreicht, ist er für Liebhaber klassischer Horrorfilme und Cineasten, die sich für die Entwicklung des Genres interessieren, einen Blick wert.
Am Ende bleibt Draculas Braut ein Werk zwischen ambitionierten Visionen und kommerziellen Zwängen – ein flackerndes Licht im Schatten des unsterblichen Dracula-Mythos.
(wb)
Schreibe einen Kommentar