Dämonische Reisen in alle Welt – Kapitel IX, Teil 5
Johann Konrad Friederich
Dämonische Reisen in alle Welt
Nach einem französischen Manuskript bearbeitet, 1847.
Kapitel IX, Teil 5
Nun machte einer der Schmuli folgenden Antrag: »Meine hochansehnliche, wohlfürsichtige und tief geehrteste, ehrenwerteste Herren! Es ist Ihnen all bereits bekannt, welches höchst wichtige Projekt, das unserem Staat zur ewigen Gloria, Ruhm und Heil dienen und bringen wird, ich zu Ihrer Kenntnis und Genehmigung zu bringen habe<1 Es handelt sich um nichts weniger, als künftig allen um unseren Staat hochverdienten und preiswürdigen Männern würdige Monumente und Denkmäler zu setzen, da es jetzt so Mode und Brauch geworden ist, dass man fast jedem Pinsel und Gänsekiel ein Monument setzt, um seine Vaterstadt zu ehren. Ein hochweiser Rat ist aber in seiner untrüglichen und unfehlbaren Weisheit noch weiter gegangen und will geruhen, dass mit diesen Monumenten und Denkmälern auch zu gleicher Zeit ein praktischer, solider und brauchbarer Nutzen verbunden sei, nämlich dass diese Denkmäler und Monumente nicht nur als bloße stumme Steine und Erze figurieren, sondern dass sie auch der ganzen ehrsamen Bürgerschaft als ewig sprechende Zeugen ihrer hohen wohlregierenden Obrigkeit dienen sollen. Deshalb hat der hohe Rat in seiner höchsten Weisheit erwogen und beschlossen, dass, da in unserer guten Stadt an guten und soliden Laternenpfählen Mangel sei, es auch ebenso an tüchtigen Wegweisern und Meilenzeigern fehle, und die meisten vorhandenen Chausseesteine erschrecklich beschädigt oder gar nicht vorhanden seien, man auf Kosten der Republik allenthalben sandsteinerne Laternenpfähle an den größten Plätzen und frequentesten Straßen unserer Stadt aufrichten möge, in welche immer der Name eines der einjährig wohlregierenden Bimbus nebst der Jahreszahl, in der er regiert hat, eingraviert werde, damit dieses merkwürdige Evmement für alle Zeiten bekannt bleibe und jedem unsere Stadt besuchenden Fremden sogleich bekannt werde. Ferner, dass man vor der Stadt nach allen Ecken und Enden hin steinerne Wegweiser und eben solche Meilenzeiger aufrichte, in welche man ebenfalls zum ewigen Andenken die Namen der jedesmaligen erwählten Schumli und Schmuli, und zwar in die ersteren die der Schumli, und in die zweiten die der Schmuli, nebst Datum und Jahreszahl eingraviere, welches denn auch dieser hochweisen Herren würdige Monumente sein werden.«
»Ich bitte um die Erlaubnis, irgendeine kleine Bemerkung machen zu dürfen«, fiel hier einer der Schlimmiehlen, zugleich Pentachord, dem Redner ins Wort.
»Und die wäre?«, fragte der Schmuli.
»Was die Meilenzeiger-Monumente anbetrifft, so wäre wohl hier eine Änderung gütigst vorzunehmen, da unser Gebiet sich fast nach allen Seiten hin nicht weiter als eine viertel, höchstens eine halbe Meile weit von den Toren erstreckt.«
»Wohlgesprochen«, versetzte der vortragende Schmuli, dem wäre abzuhelfen, indem man auf halbe und viertel Meilen weite Entfernung Meilenzeiger setzte.«
»O, hohe Weisheit! So lass ich es mir gefallen«, sagte nun der Unterbrecher.
»Aber könnte man denn nicht die Meilenzeiger auch auf das fremde Gebiet hinüber gelten lassen?«, meinte ein anderer Schlimmiehl.
»Ei warum nicht gar: Die Meilenzeiger dürfen nur für uns gelten, wir werden uns doch wegen anderen Staaten nicht in Kosten versetzen wollen«, sagte der redende Schmuli.
»Wohlgesprochen, wohlgesprochen«, ertönte es von den Bänken der Schmulis und Schumlis, während man auf denen der Schlimmiehls und Pentachords noch einiges Flüstern und Ohrenplauschen vernahm.
»Meine Herren, ich muss um Stille und Ruhe bitten«,, rief nun der vortragende Schmuli gebietend.
Und siehe da, alles war mäuschenstill.
»Um endlich auf die Monumente der Herrn Schawellen, das heißt auf die Chausseesteine zu kommen, so wäre der Wille des hochweisen Rates, dass auch mit diesen ebenso wie mit den Laternensäulen, Weg- und Meilenzeigern verfahren, und der Name eines jeden Schawellen, nebst dem Datum und der Jahreszahl auf diesen Steinen eingraviert werde; es bleibt jedoch bei der bisherigen Größe der Chausseesteine, nur könnte man sie etwas weniger eckig machen, das heißt mehr abrunden, als ein Anzeichen, dass die Herren Schawellen sich selbst auch mehr arrundiert haben und geschliffener geworden sind.«
»Wenn es gefällig ist, so können wir nun über Ihre Zustimmung zu dem heilsamen und löblichen Projekt abstimmen.«
Mehrere Schlimmiehle wollten jedoch noch hinsichtlich der Kosten dieses Unternehmens einigen Aufschluss verlangen, die man ihnen jedoch als höchst unbedeutend angab, und sie wurden bald durch den Ruf Zur Abstimmung, zur Abstimmung! überstimmt.
Als der Erste in der Versammlung Sitzende aufgefordert wurde, seine Meinung und Stimme von sich zu geben, sprach er: »Ich stimme ganz mit der Majora!«
»Das ist zu toll«, rief nun auf einmal Michel, »es ist ja noch gar keine Majora bekannt.«
»Was tut das, ich stimme mit der, die kommt.«
»Ohne zu wissen was sie bestimmt?«
»Versteht sich.«
»Man meint, Sie säßen zum ersten Mal in dieser Kammer, so fremd stellen Sie sich«, rief ein Schlimmiehl Michel zu.
»Nur weiter«, rief der Schmuli, der den Antrag gemacht hatte.
Und derselbe wurde, wenn auch nicht mit rührender Einstimmigkeit, doch mit großer Majorität angenommen, und dieses Resultat sogleich dem hohen Rat der ersten Kammer mitgeteilt.
Schon wollte man sich trennen, um der ganzen Stadt die wichtige Neuigkeit zu verkünden, als Michel, den abwesenden Schlimmiehl vertretend, plötzlich aufstand und sprach: »Noch eine kleine Geduld, meine Herren, auch ich habe dieser ehrenwerten Kammer noch einen Antrag zu stellen, der nicht minder wichtig und ersprießlich als der soeben abgestimmte ist und ganz besonders den hiesigen Armen zustattenkäme, wenn ihn die hochachtbaren Kammern genehmigen wollten.«
»Und der wäre?«, fragte ein Schmuli.
»Meine Herren, ich trage darauf an, dass in Zukunft die Sitzungen sämtlicher Kammern öffentlich sein sollen, wie dies in anderen republikanischen und allen konstitutionellen Staaten der Fall schon längst ist, und nur in Quitschi-Quatsch will man fort und fort bei verschlossenen oder wenigstens zugemachten Türen beraten und der Bürgerschaft keinen Zutritt erlauben, warum das? Das setzt uns dem Spott und gerechten Tadel aller übrigen Staaten von Thumbindschin aus, und zu was diese Geheimnistuerei, da man doch in der nächsten Viertelstunde auf allen Plätzen und in allen Straßen weiß, was in sämtlichen Kammern verhandelt wurde, wie es denn auch nicht anders sein kann, da so viele meistens an neugierige Frauen vermählte und dem edlen Rebensaft so gewogene Männer in demselben sitzen. Damit aber auch diese Verfügung gleich der der Monumente einen großen, edlen und guten Zweck habe, so trage ich ferner darauf an, dass die Sitzungen zwar öffentlich sein sollen, man jedoch ein gewisses Eintrittsgeld erheben und eine Eintrittskarte lösen sollte, deren Preis nach der Verschiedenheit der Kammern festgesetzt werden müsste. So zum Beispiel würde ein erster Platz in der ersten Kammer mit einem Dukaten, ein dergleichen in der zweiten mit einem halben Dukaten, und ein solcher in der dritten mit einem Vierteldukaten keineswegs zu hoch sein; da eine solche Sitzung zehnmal unterhaltender und für das Zwerchfell erschütternder sein dürfte als die lustigste Posse und Komödie, auch besonders für Hypochonder und Melancholiker von der besten Wirkung wäre, so lässt sich auf eine reichliche Einnahme mit Gewissheit zählen, deren Ertrag man den verschiedenen Wohltätigkeits- und Armenanstalten, welche Dank ihrer vortrefflichen Verwaltung und trotz der großen Beiträge hiesiger Einwohner doch meistens an einem beklagenswerten Defizit leiden, zukommen lassen würde. Nun, was meinen Sie dazu, meine Herren?«
»Dann ging unser Komödienhaus zu Grunde«, sagte ein Schlimmiehl, »es ist so auf keinem grünen Zweig.«
»Und dann täte jedermann all unser dummes Geschwätz mit anhören, und wir wären das Gelächter und der Spott der ganzen Stadt und aller Fremden, die erpress herkamen, um unsere Dummheiten zu hören und zu sehen. Nein, mit dem Vorschlag ist es mir, so gut er auch gewähnt sein kann.«
»Es ist mir, es ist mir dermit«, ertönte es nun von allen Seiten, »besinne Sie sich uff was Besseres, um unseren Armen zu helfen!«
Einige sagten sogar: »Dahinter stickt ä Spötterei, wir haben gute Rasen!«
Und man machte sich abermals zum Abgehen bereit.
»Noch einen kleinen Augenblick, meine Herren«, rief Michel abermals, es tut mir zwar unendlich leid, meine in der besten Absicht gemachten Vorschläge so verworfen und verkannt zu sehen, dennoch aber kann ich nicht umhin, Ihnen, meine würdigsten Herren, ebenfalls ein Andenken an diese feierliche Stunde und mir so viel Unterhaltung gewährende Sitzung zu geben. Sie sagten soeben, Sie hätten gute Rasen. Ich finde sie aber noch lange nicht vortrefflich und Ihrer würdig genug. Diesem Übel abzuhelfen, erlauben Sie mir, Sie mit besseren, wenigstens passenderen zu versehen.«
Michel gab nun dem Asmodi einen Wink, und, o Wunder! In einem Augenblick hatten sämtliche anwesende Schmuli lange goldene Nasen mit dicken Rubinen besetzt, statt ihrer gewöhnlichen, die Herren Schumli aber hatten eben solche silberne verzierte Schmecker, die Herren Schawellen hatten dergleichen von Bronze, die Herren Schlimmiehlen aber von Kupfer, und die Herren Pentachorden von Blei. »Für die Herren Nimbus und die übrigen hohen Ratsglieder behalte ich die passenden Nasen noch in petto bis zu einer anderen Gelegenheit«, rief Michel, »und nun, meine jetzt wohl benasten Herren, sind Sie in Gnaden entlassen.«
Man hätte sehen sollen, mit welchen Augen sich nun die ganze Versammlung gegenseitig ansah! Die der gestochenen Kälber sind nichts dagegen. Endlich fuhren sie alle auf einmal auf, bepackten und befühlten sich gegenseitig die respektiven Nasen, um sich auch von der Metamorphose derselben wirklich zu überzeugen, und als sie die unbestreitbarste Gewissheit erlangt hatten, sprangen sie wie besessen davon, ihre Taschentücher vor die Gesichter haltend, und verließen über Hals und Kopf den Rummler. Da man die hochweisen Herren mit so verhaltenen Gesichtern davonrennen sah, verbreitete sich sogleich in der ganzen Stadt das Gerücht, die zweite Kammer sei plötzlich von einem wütenden Schnupfen befallen worden, andere machten sogar die Cholera oder gar einen Kolter daraus, indessen wurde nur zu schnell die reine Wahrheit bekannt, und man flüsterte sich einander heimlich zu: »Unsere hohe Obrigkeit hat wieder neue Nasen gekriegt.«
Michel wollte nun auch den Rummler verlassen, aber Asmodi verhinderte ihn daran, indem er ihm sagte, dass er ihn noch mit einigen vortrefflichen Bimbaschereien, so viel wie allerlei Ämter, und den sie verwaltenden Bimbaschen (Beamten) bekannt machen wollte und trillerte nach der Melodie des Vogelfängers:
Kennst du das Volk, wo Dummheit frech sich spreizt,
Das, wie mit Geld, mit Geistesgaben geizt,
Wo Grobheit sich für quatsche Bravheit gibt
Und schaler Witz nur rohe Selbstsucht liebt?
Der saure Blick glotzt unter fahlem Hut,
Hier schreit und keucht der Habgier Drachenbrut.
»Ich redete, das plumpe Menschentier
Antwortete mit Grenzen mir.«
Schreibe einen Kommentar