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Die Hexe von Nassau

Noch heute wird nach den Ursachen und Gründen der Hexenverfolgung gesucht. Doch in einem Punkt sind sich die Historiker einig: Im 15. bis 17. Jahrhundert herrschte in Deutschland und Europa ein geistiges Klima, welches die Hexenverfolgungen begünstigte.
Katastrophen, Krankheiten und Kriege standen in der damaligen Zeit auf der Tagesordnung und ließen die Menschen in Angst und Panik verfallen. Von 1618 bis 1648 wütete der Dreißigjährige Krieg, der Schwarze Tod ging um, schlechtes Wetter und Niedrigtemperaturen verursachten Missernten. Infolge dessen litten die Menschen Hunger und das Vieh siechte dahin. Es herrschte eine regelrechte Endzeitstimmung. Prediger aller Konfessionen prophezeiten, dass das Jüngste Gericht kommen und die Menschheit wegen ihrer Sünden bestraft würde. Sie deuteten Meteoriteneinschläge sowie totale und partielle Sonnenfinsternis als Strafe des Herrn. Die Menschen fragten sich in ihrem Aberglauben, wer dafür verantwortlich zeichnete. Menschen wurden der Hexerei bezichtigt und dienten als Sündenböcke. Es begann die Zeit einer regelrechten Hetzjagd auf Hexen und ihre Helfershelfer.

Die Autorin Nicole Steyer führt den Leser mit Die Hexe von Nassau in die grausame Zeit jener Hexenverfolgungen. Beim Schreiben des Romans konnte sie auf umfangreiche Informationen und Akten zurückgreifen, da besonders für Idstein ein fast lückenloser Nachweis der Hexenprozesse vorhanden ist. Einerseits ist dies ein Ergebnis der Peinlichen Halsgerichtsordnung Kaiser Karls V. (Constitutio Criminalis Carolina) aus dem Jahr 1532, welche die Niederschrift der Gerichtsprotokolle vorschrieb. »… Item eyn jeder gerichtschreiber soll inn peinlichen sachen bei seiner pflicht alle handlung, so peinlicher klag vnd antwurt halb geschicht, gar eygentlich, vnderschiedlich vnd ordenlich auffschreiben …«
Zudem liegen die Ursprünge des Hessischen Staatsarchiv in der Idsteiner Kanzlei, in welcher Philipp III. von Nassau-Weilburg ein offizielles Archiv einrichten ließ und dieses 1880 mit dem gesamten Bestand nach Wiesbaden umzog.
Im Zeitraum vom 3. Februar 1676 bis 31. März 1677 wurden in Idstein 31 Frauen und 8 Männer hingerichtet. Nicole Steyer greift das Leben der ersten zwei Opfer auf, verwebt historisch Belegtes mit fiktiven Elementen, welches sich so oder so ähnlich zugetragen haben könnte. Es ist die Geschichte um die etwa 60-jährige Frau des gräflichen Wiesenmannes, Katharina Häuser, auch Wiesenfrau genannt, die Rothköpfin Eva Heinemann mit ihrer Tochter Katharina sowie den Grafen Johannes mit seinem skrupellosen Scharfrichter Hans Leonard Busch, die den Roman vorantreiben. Die Autorin versteht es sehr gut, den Leser mit literarischen Mitteln in ein dunkles Kapitel der Menschheit eintauchen zu lassen. Man spürt die Ängste der Gepeinigten und die Schmerzen während der Folterungen, man nimmt den Geruch von Verbranntem nach den Hinrichtungen wahr, fühlt sich inmitten des Szenariums. Gleichsam hofft man von Seite zu Seite, dass die junge Katharina aus der Gewalt des Henkers entfliehen kann.
Mit klarem Schreibstil und ausgefeilter Bildhaftigkeit vermag Nicole Steyer zu überzeugen und den Leser an die Story zu fesseln. Elend, Aberglaube, Macht und Leid finden genau wie Freundschaft, Verbundenheit und Liebe den ihnen zugedachten Platz und durchziehen den gesamten Roman.

Fazit:
Die Hexe von Nassau ist einfühlsam und schockierend zugleich und verursacht Gänsehaut pur. Der Mix von Historie und Fiktion ist der Autorin auf der Grundlage einer vorausgegangenen umfangreichen Recherche sowie einer bildhaften Erzählweise bestens gelungen.

Copyright © 2013 by Wolfgang Brandt

 

Nicole Steyer
Die Hexe von Nassau
Historischer Roman
Knaur Taschenbuch Verlag
München, Oktober 2012
640 Seiten, 9,99 Euro
ISBN: 9783426511329

www.literatur-steyer.de