Deutsche Märchen und Sagen 167
Johannes Wilhelm Wolf
Deutsche Märchen und Sagen
Leipzig, F. A. Brockhaus, 1845
221. Die weißen Frauen necken
Ein Bauernknabe bei Born in Twenthe hatte mit seinem Meister gewettet, er wolle in der Mitternacht zu den nahen Beltern (kleine Erdhöhen) gehen und die weißen Frauen necken. Wie gesagt, so getan. Der Bauer lieh ihm sein Pferd und als der Mond sich hinter Oldenzaal erhoben hatte, ritt der Junge schnurstracks auf die Belter los und stach mit frevelnder Hand ein spitzes Eisen in einen derselben. Im nämlichen Augenblick stiegen aus diesem und all den anderen Hügeln alle weißen Frauen heraus, welche da wohnten, um den Vermessenen zu zerstückeln. Er wartete aber ihre Kunst nicht ab, sondern ritt, so schnell das Pferd laufen konnte, dem Hof wieder zu. All die weißen Frauen folgten ihm. Als er an seiner Wohnung ankam, waren sie ihm fast auf den Fersen, doch glückte es ihm noch hineinzukommen und die Tür zuzuriegeln. Es war wahrlich die höchste Zeit, denn eine der Frauen war ihm so nahe, dass sie ihr Handbeil nach ihm werfen konnte, welches sie auch tat, doch traf sie nur den Türpfosten, und zwar so, dass Splitter abflogen. Es ist erst wenige Jahre, dass man die Spuren des Beilwurfes noch an der Tür sehen konnte.