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Der Hexer Band 7

Robert Craven (Wolfgang Hohlbein)
Der Hexer Band 7
Das Haus unter dem Meer

Horror, Grusel, Heftroman, Bastei, Bergisch-Gladbach, 09. Juli 1985, 64 Seiten, 1,70 DM, Titelbild: Les Edwards

Selbst in der Nacht wirkte die Straße finster; wie eine schwarze Bresche in der Dunkelheit, ein Riss in der Welt, durch den das Unheimliche Böse wie ein übler Geruch herüberwehte. Irgendwo an ihrem Ende schienen sich Schatten zu bewegen, schienen namenlose Wesen unaussprechliche Dinge zu tun und sich vor der Schwärze dunkle Umrisse in noch tieferen Schwarz zu ballen. Grodekerk schauderte. Sein Herz schlug schneller, je näher er der Straße kam. Das Gewicht der Waffe an seinem Gürtel verlor seine beruhigende Wirkung, während er auf die Schatten zuging. Schritt für Schritt dem Grauen entgegen. Er fühlte sich verloren – und allein …

Leseprobe

Die Welt des Hexers

Wir schreiben das Jahr 1885. Robert Craven, der Sohn eines Magiers, kämpft einen verzweifelten Kampf gegen eine uralte Rasse mächtiger, in Halbschlaf versunkener Wesen: die GROßEN ALTEN. Dreizehn von ihnen bedrohen die Erde. Ein Teil ihres Geistes gelangte durch einen Dimensionsriss auf unsere Welt und versucht, die noch schlafenden Körper zu erwecken. Ihre Diener, die Shoggoten, vergängliche Protoplasma-Wesen, bereiten ihre Wiederkunft vor.

Zusammen mit seinem Freund und Mentor Howard Lovecraft und dessen hünenhaftem Diener Rowlf stellt sich Robert Craven, der HEXER, den Göttern aus grauer Vorzeit entgegen, unterstützt vom Geist seines verstorbenen Vaters, Roderick Andara. Andara gelingt es nur selten, in die Welt der Lebenden zurückzukehren. Er wurde getötet durch den Fluch seiner ehemaligen Hexerfreunde von Salem, die nun auch Robert mit ihrem Hass verfolgen.

Einen ersten Triumph konnte Necron, der Herr der Hexersippe, bereits erzielen: es gelang ihm, Robert das NECRONOMICON zu entreißen, ein Buch, mit dem er die Welt beherrschen kann. Und er entführte Priscylla, Roberts Verlobte, die durch eine Hexe von Salem dem Wahnsinn verfiel. Auch Howard Lovecraft hat mächtige Feinde: den »Orden der Tempelherren«. Vor Jahren war er ein Jünger dieser gefährlichen Sekte, wurde aber abtrünnig. Ein ehemaliger »Bruder« stellt sich den Freunden entgegen – und verliert den Kampf. Vor seinem Tod erwähnt er eine Straße in Amsterdam – Van Dengsterstraat.

Während sich Howard dem Orden stellen will, um der jahrelangen Jagd endlich ein Ende zu machen, begibt sich Robert nach Amsterdam – und findet sich in einer gewaltigen, lebenden Falle wieder. Schon scheint er verloren, da erhält er Hilfe von unerwarteter Seite: die Tempelherren retten ihn aus einem tödlichen Labyrinth; die Männer, die Howard den Tod geschworen haben …

 

***

 

Aber er war es nicht – unsichtbar und lautlos näherten sich mit ihm fast ein Dutzend Männer der Straße von beiden Seiten, und jeder einzelne war ein sorgsam ausgesuchter Ritter, einer der besten, wie Grodekerk wusste. Sie allein hätten eine Stadt nehmen oder eine kleine Armee in die Flucht schlagen können.

Aber dort vorne, hinter dem Vorhang aus Schwärze und Furcht, der die Straße überzog, lauerten keine menschlichen Gegner. Die hätte Grodekerk nicht gefürchtet, gleich, wie stark und in welcher Überzahl sie antreten mochten.

Dort vorne lauerte …

Ja, was eigentlich? Er wusste es nicht; keiner von ihnen wusste es, und vielleicht war es gerade das, was die Sache so schlimm machte. War es nicht immer das Unbekannte, mit dem die Furcht einherging?

Er seufzte, legte die Hand auf den Schwertgriff und zog die Waffe lautlos aus ihrer ledernen Scheide. Es waren vielleicht noch sieben oder acht Schritte, die ihn vom Anfang der Straße trennten. Ein rascher Sprung, mehr nicht.

Und doch ein Schritt in eine andere Welt.

Aber er tat ihn nicht, diesen Schritt, so wenig wie seine elf Brüder, die neben und hinter ihm auf der Lauer lagen. Sie waren nicht hier, um zu kämpfen, sondern nur, um zu wachen. Der Befehl des Meisters war eindeutig gewesen: Sie durften die Straße unter keinen Umständen betreten. Alles, was sie zu tun hatten, war, dafür zu sorgen, dass niemand die schmale Gasse verließ.

Ein leises, schleifendes Geräusch drang in Grodekerks Gedanken und ließ ihn jäh auffahren.

Vor ihm bewegte sich etwas. Er konnte nicht ausmachen, was es war – es war groß und finster und massig, schwarz. Und es kam näher.

Hendrik Grodekerk spannte sich. Plötzlich, von einer Sekunde auf die andere, war die Furcht verschwunden, als jahrzehntelang antrainierte Reflexe und Disziplin die Herrschaft über seinen Körper und Geist übernahmen. Der schlanke Mann in dem weißen Mantel verwandelte sich von einer Sekunde auf die andere in einen tödlichen Krieger.

Und trotzdem kam seine Reaktion zu spät.

Er sah den Schatten neben sich und registrierte entsetzt, dass es einer seiner Brüder war, der hinter seiner Deckung aufsprang und mit gezücktem Schwert auf den schwarzen Umrisszusprang. Er schrie eine Warnung und federte hoch, aber er war zu langsam.

Seine ausgestreckte Hand griff ins Leere; der Bruder jagte mit weit ausgreifenden Schritten an ihm vorbei, schwang seine Klinge und stieß ein wütendes Heulen aus.

Dann verschwand er in der Gasse. Sein Schatten verschmolz mit dem großen, umrisslosen Ding, das Grodekerk gesehen hatte, und plötzlich wurde die Stille von klatschenden Schlägen unterbrochen, dann einem Schrei, und schließlich einem schauderhaften, knirschenden Laut.

Grodekerk schluckte einen Fluch herunter, schob seine letzten Bedenken beiseite und jagte dem Bruder nach, die warnenden Rufe der anderen hinter sich ignorierend. Mit zwei, drei Sätzen war er bei ihm, hob kampfbereit sein Schwert – und erstarrte.

Der Bruder war tot. Er lag, grotesk verkrümmt und mit unnatürlich weit in den Nacken gebogenem Kopf, auf dem unratübersäten Boden, das Schwert noch in der verkrampften Hand und einen Ausdruck ungläubigen Staunens auf den Zügen.

Und sein Mörder stand über ihm.

Der Mann war nicht sehr groß. Trotz der Dunkelheit konnte Grodekerk erkennen, dass seine Haut tiefbraun und das Haar, von dem nur eine Strähne sichtbar war, blond und leicht gewellt war. Er war ganz in ein schwarzes, bis über die Knöchel fließendes Gewand gekleidet, das nahtlos in den schwarzen Turban überging, der auf seinem Kopf thronte.

»Keine Bewegung!«, brüllte Grodekerk. Gleichzeitig riss er sein Schwert hoch und führte einen mächtigen, beidhändig geführten Streich nach dem Schädel des Mannes.

Der Schwarzgekleidete lachte, wich mit einem fast spielerischen Satz zur Seite – und verschwand.

Hendrik Grodekerk registrierte die Gefahr im letzten Moment, aber die Bewegung, mit der er herumfahren und sein Schwert heben wollte, kam zu spät.

Den Hieb, der ihn tötete, sah er nicht einmal mehr …

 

***

 

Über den Dächern von Amsterdam ging die Sonne auf. Die Dämmerung hing noch wie ein Hauch dünnen, rauchigen Nebels in der Luft und verwischte die Konturen der Häuser und Straßenschluchten, aber das Licht der roten Morgensonne war schon jetzt kräftig genug, die Nacht zu durchdringen und aufzulösen. Selbst hier drinnen, hinter den geschlossenen Doppelscheiben des Fensters, glaubte ich die Wärme ihrer Strahlen wie ein sanftes Streicheln auf der Haut zu spüren.

Es würde ein schöner Tag werden. Die wenigen Wolken, die sich an den Morgenhimmel dieses Julitages verirrt hatten, waren klein und weiß, und das Wasser der Grachten tief unter mir glänzte wie geschmolzenes Gold. Die wenigen Kähne, die darauf fuhren, wirkten wie Spielzeugschiffchen, aus der Höhe meines in der vierten Etage gelegenen Zimmers betrachtet.

Ja – es würde ein schöner Tag werden, nicht nur für Amsterdam. Nach dem ungewöhnlich harten und langen Winter, mit dem das Jahr begonnen hatte, brach der Sommer nun mit doppelter Macht herein, als wolle er gutmachen, was sein kalter Bruder den Menschen zugefügt hatte.

Und trotzdem spürte ich in mir nichts als Kälte. Kälte und ein Gefühl der Leere, das auf schwer in Worte zu fassende Weise weh tat.

Mein Blick löste sich von dem trügerisch ruhigen Bild, das das erwachende Amsterdam bot, und saugte sich am östlichen Horizont fest. Natürlich war es Einbildung, dessen war ich mir vollends bewusst – aber für einen Moment meinte ich, einen dunklen, pulsierenden Fleck in der Masse der Häuser zu erkennen, ein höllischer schwarzer Pfuhl, der wie das aufgerissene Maul eines steinernen Ungeheuers zuckte und bebte …

Mit einem Ruck wandte ich mich vom Fenster ab, presste die Lider zusammen und zwang mich, an etwas anderes zu denken. Das Bild war nicht real. Es existierte nicht wirklich. Das mächtige Patrizierhaus, in dem ich mich aufhielt, befand sich nahezu am anderen Ende Amsterdams; Meilen um Meilen von der Van Dengsterstraat und dem menschenmordenden Moloch entfernt.

Und trotzdem kostete es mich unglaubliche Mühe, es zu vertreiben. Es war nicht dieses Bild, das mich ängstigte. Es war das Wissen, aus dem es geboren wurde.

Ich trat vom Fenster zurück, ging unschlüssig zwei oder dreimal durch das kleine, behaglich eingerichtete Zimmer und ließ mich schließlich auf die Bettkante sinken. Ich war nicht müde, sondern im Gegenteil von einer kribbelnden, unangenehmen Energie erfüllt; jenem sonderbaren Tatendurst, der manchmal willkürlich und ziellos auftritt und es einem unmöglich macht, still zu sitzen und nichts zu tun.

Aber das einzige, was ich im Moment tun konnte, war eben nichts!

Seit nahezu sechsunddreißig Stunden war ich jetzt ein Gefangener dieses Zimmers. Nicht, dass ich Grund zur Beschwerde gehabt hätte – der Raum war wesentlich behaglicher und komfortabler eingerichtet als das Hotelzimmer, in dem ich meine ersten Nächte in dieser Stadt verbracht hatte, das Essen, das dreimal am Tag von einem muskelbepackten und offenbar mit Taubstummheit geschlagenen Lakaien gebracht wurde, vorzüglich, und das Regal neben der Tür bot eine exorbitante Auswahl kurzweiliger Bücher (mit dem kleinen Schönheitsfehler, dass sie in Holländisch abgefasst waren). Aber die Tür hatte eben an der Innenseite keine Klinke, und der Diener, der auf jedes Klingeln in Sekunden erschien, hatte eine Statur, die selbst Rowlf davon abgehalten hätte, ihn angreifen und überwältigen zu wollen.

Es war ein Gefängnis, wenn auch ein komfortables.

Die ersten dreißig der besagten sechsunddreißig Stunden hatte ich vorwiegend damit verbracht, zu schlafen.

Zwei weitere Stunden lang war ich zuerst wütend, dann ausfallend und schließlich hysterisch geworden und hatte mich als krönender Abschluss in einer Art Amoklauf immer wieder gegen die Tür geworfen und mich damit vollends lächerlich gemacht.

Und während der restlichen vier Stunden hatte ich gewartet. Ger Looskamp – von dem Dutzend Männer, die mich aus dem wildgewordenen Labyrinth gerettet hatten, war er der einzige, dessen Namen ich überhaupt kannte! – hatte mir versprochen, mich in alles einzuweihen, sobald die Zeit dazu reif war. Nur wann dieser Zeitpunkt sein würde, wusste ich nicht.

Es gab in diesem Zimmer keine Uhr, und mein Taschenchronometer hatte die Attacken des Labyrinthes nicht halb so gut überstanden wie ich, sodass ich die Zeit nur schätzen konnte. Aber wenn jetzt die Sonne aufging, dann musste ich gegen zwei oder drei Uhr nachts aufgewacht sein – eine Zeit, zu der ich normalerweise zu Bett zu gehen pflegte. Meine Ungeduld hatte mittlerweile ein Ausmaß erreicht, das mich schon ernsthaft mit den Gedanken an eingeschlagene Scheiben und verwegene Sprünge aus dem vierten Stockwerk spielen ließ.

Aber dazu war immer noch Zeit.

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