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Elbsagen 73

Elbsagen
Die schönsten Sagen von der Elbe und den anliegenden Landschaften und Städten
Für die Jugend ausgewählt von Prof. Dr. Oskar Ebermann
Verlag Hegel & Schade, Leipzig

74. Der Teufel und der Tartarenkönig

Anfang des 16. Jahrhunderts lebte in Magdeburg ein reicher Bürger und Ratmann, namens Melchior Teufel, der aber für seine Zeit sehr wenig fromm war und in seinem Umgang sich gar nicht wählerisch zeigte, denn er ging nicht bloß mit Leuten aus allerlei Ständen und verdächtigen Herkommens um, sondern er rühmte sich geradezu, dass er gar keinen Glauben habe. Sein bester Freund war der Häuptling einer Zigeuner- oder Tartarenbande, die sich damals in Magdeburg aufhielt. Dieser ließ sich, obwohl er gar keine Kenntnis von der christlichen Religion hatte, doch dem Ratmann zu Gefallen in der Katharinenkirche taufen und sich dort den Namen eines Grafen von Rosenburg beilegen. Er hatte eine schöne Tochter, die er frühzeitig nach dem Wunsch Teufels für dessen Sohn zur Frau bestimmte. Mittlerweile wurde der alte Tartarenfürst vom Blitz erschlagen und in der St. Katharinenkirche begraben. Die beiden füreinander bestimmten jungen Leute aber verlobten sich, wie es ihre Eltern bestimmt hatten. Da trug es sich eines Tages zu, dass spät am Abend ein alter Zigeuner oder Tartar sich bei der jungen Fran vorstellte und ihr sagte, er komme geraden Weges aus der Hölle von ihrem Vater, seinem früheren Herrn, und bringe ihr hiermit dessen Botschaft, sie möge ihren Schwiegervater und Vormund, den alten Teufel, bitten, dass er ihren Vater aus seinem Grab in der Katharinenkirche, wo sein Geist keine Ruhe habe, herausnehmen und irgendwo anders begraben lassen, weil sonst der Kirche große Gefahr bevorstehe. Die gehorsame Tochter tat auch, wie ihr Vater ihr geheißen hatte, allein der alte Teufel lachte dazu und sagte, sie habe wohl geträumt. Der Teufel, sein Namensvetter, bestehe nur in der Einbildung, daher werde er auch die Leiche seines Freundes in Frieden an ihrem jetzigen Ort ruhen lassen. Er sei wegen der Folgen in keiner Sorge. Diese blieben aber nicht aus, denn im Jahre 1521, an demselben Tag, an dem der junge Teufel mit der Zigeunerkönigstochter Hochzeit machte, schlug der Blitz an der Seite des Krökentors in einen Turm der Katharinenkirche. Als im Jahre 1538 jene ihrem Mann das erste Söhnchen schenkte, fiel in der Stadt und Umgegend so viel Feuer vom Himmel, dass man fürchtete, es werde alles von den Flammen verzehrt werden. Im Laufe der Zeit waren nun aber der Ratmann Teufel, sein Sohn und dessen Gattin gestorben. Es lebte nur noch dessen einziger Sohn, der reiche Brauherr Melchior Teufel. Auch dieser wurde mehr als einmal im Wachen und im Traum durch Geisterstimmen aufgefordert, den Leichnam seines Großvaters aus der Kirche fortbringen zu lassen, allein er war ebenso ungläubig wie sein Großvater von väterlicher Seite und beachtete diese Warnung nicht. Da trug es sich zu, dass er an einem Sonntag unter der Nachmittagspredigt ein Fuder Stroh aus seinem in der Vorstadt gelegenen Haus in das am Breitenweg befindliche Brauhaus schaffen ließ. Er selbst leitete das Auf- und Abladen und mochte sich wohl dabei irgendeiner Unvorsichtigkeit schuldig gemacht haben. Genug, plötzlich entzündete sich das hoch aufgetürmte Strohfuder, es entstand eine furchtbare Feuerbrunst und die Katharinenkirche selbst wurde mit in Asche gelegt. Die Sage erzählt nun, dass, während einzelne fromme Bürger in die Kirche eilten, um die heiligen Gefäße und sonst wertvollen Gegenstände zu retten, sich auf einmal darin schwarze Gestalten gezeigt hätten, welche die Bürger zurücktrieben, mit Äxten in der Kirche selbst alles zusammenhieben und dabei aus ihren weit geöffneten Mäulern Feuerflammen aushauchten.

Es konnte nicht anders kommen, als das auf den reichen Teufel der Verdacht fiel, durch seine Gottlosigkeit an dem ganzen Unglück schuld zu sein. Man nahm ihn fest und gab folgende Gründe seiner Schuld an: Erstens bezeichne ihn schon sein Name als einen Gottlosen, und dass er und seine ganze Familie dies seien, hätten sie dadurch bewiesen, dass sie nie oder selten den Gottesdienst besucht hätten; zweitens sei seine Mutter die Tochter eines Zigeuners gewesen; drittens hätten böse Geister während des Brandes selbst in der Kirche Unfug getrieben und die Bürger am Löschen gehindert; und viertens endlich habe er selbst während des Gottesdienstes vermutlich darum das Feuer gelegt, weil die meisten Bürger gerade zu der Zeit sich in den Kirchen befanden, also niemand zum Löschen da war. Da er nichts bekennen wollte, wurde er auf die Folter gebracht. Vor Schmerzen gestand er dann, er sei mit dem leibhaften Teufel im Bunde und habe demselben versprochen, in der Nähe der Kirche einen Brand zu stiften, von dem auch diese ergriffen und die Seele des darin begrabenen Zigeunerkönigs erlöst werden solle. Infolgedessen wurde er von den Richtern zum Tode verurteilt und sollte am dritten Tag nach dem Urteilsspruch gehängt werden. So geschah es auch. Er wurde an einem trüben Herbstmorgen mit einer weißen Kappe, dem sogenannten Armensünderkleid, angetan auf einer Karre durch das Krökentor zum Rabenstein geführt. Dort wurde erst noch über ihn das hochnotpeinliche Halsgericht abgehalten und er dann dem Scharfrichter übergeben. Wie gewöhnlich führten ihn zwei Henker die Leiter hinauf, legten ihm oben eine Schlinge um den Hals und stießen ihn dann von der oberen Stufe hinab. Allein was geschah! Der Strick, an welchem er gehangen hatte, riss, und er stand plötzlich munter und wohlbehalten unter dem Galgen. Er stieg schnell wieder die Leiter hinauf und sprach laut zu dem zahlreich versammelten Volk, er sei nur durch die Schmerzen der Folter zu dem lügenhaften Geständnis seiner Schuld gezwungen worden. Er sei unschuldig. Da durch das Zerreißen des Strickes Gott selbst Zeugnis für ihn abgelegt habe, so verlange er, dass ihn die Richter begnadigten, denn er sei auch wirklich gehängt worden und zu einem zweimaligen Hängen sei er doch nicht verurteilt gewesen. Allein die Richter kehrten sich nicht an diese seine Ausführungen. Sie ließen ihn zum zweiten Mal hängen. Da dieses Mal der Strick nicht riss, sondern fest blieb, so musste er wirklich seinen Geist aufgeben. Sein Leichnam wurde nachher vom Galgen abgenommen und unter demselben verscharrt.

Bald war das Feuer und der Brauherr Teufel vergessen. Nur wessen sein Weg am Galgen vorbeiführte, dachte mit Schaudern an dessen letztes Opfer. Da trug es sich zu, dass in einer Nacht ein junger Fleischergeselle ein Kalb getrieben brachte, das, weil es vor Ermattung nicht weiter konnte, gerade unter dem Galgen stehen blieb und durch nichts zum Weitergehen gebracht werden konnte. Es blieb also dem Gesellen nichts übrig, als sich hinzusetzen und das Tier wenigstens eine kurze Zeit ausruhen zu lassen. Er hatte nicht lange gesessen, da kam ein Wanderer die Straße her, grüßte den jungen Mann und fragte ihn, warum das Kälbchen nicht mehr laufen wolle. Dieser erklärte ihm mit kurzen Worten die Ursache. Nun fragte der Fremde weiter, ob er nicht, da er einmal hier bleiben müsse, ihm bei einer Arbeit, die aber noch vor Mitternacht fertig sein müsse, helfen wolle; es solle sein Schaden nicht sein. Als der Geselle ja sagte, nahm der fremde Wanderer einen Spaten und grub einen Leichnam aus. Der Fleischergeselle musste ihn zu dem nahen Gottesacker tragen helfen. Dort machten sie ein neues Grab und senkten ihn ein.

Hierauf sprach der Fremde: »Nun, mein Freund, kehre wieder zu deinem Kalb zurück, es wird nun wohl ausgeruht haben. Da, wo es wieder stehenbleibt, liegt dein Glück begraben! Gib ihm den Namen des Tieres, das dich zu ihm geführt hat.«

Kaum war der junge Fleischer wieder in die Nähe des Galgens zurückgekehrt, so stand auch das Kalb von selbst auf und schritt munter der Stadt zu. Plötzlich jedoch blieb es abermals stehen, legte sich nieder und war durch keine Schläge zum Wiederaufstehen zu bewegen. Der Fleischerbursche versuchte nun, wie es jene Leute sonst auch zu machen pflegen, es aufzuheben und durch Fortstoßen in Gang zu bringen. Allein wie staunte er, als er statt des langen Schwanzes ein kurzes graues Ding in die Hand bekam, das dem Schwanz eines Bären, aber nicht dem eines Kalbes glich. Das Tier selbst war gewaltig schwer und fing furchtbar zu brummen an, als es der Fleischer weiter berührte, um es auf die Beine zu bringen. Kurz, er merkte bald, dass er wirklich statt seines zahmen Kälbchens ein grimmiges Raubtier bei sich habe. In demselben Augenblick begann es nun aber mit seinen gewaltigen Tatzen die Erde aufzuwühlen, dass ihm die Schollen um den Kopf flogen. Nach längerem Wühlen flogen aber auch dunkle Klumpen mit auf den Boden, die im Fallen einen Klang gaben. Der Fleischer, der sich nun an die Verheißung des unbekannten Fremden erinnerte, hob einen derselben auf und hatte bald die Hände so voll von Goldstücken, dass er sie nicht alle tragen und fortbringen konnte. Er scharrte daher einen Teil ein und nahm nur so viel mit, wie er tragen konnte. Der Bär aber folgte ihm nach wie ein treuer Hund. Am folgenden Tag holte der Geselle das übrige Gold nach und war nun so reich, dass er das Fleischerhandwerk aufgeben und sich das Stück Land, auf welchem der Bär das Gold ausgegraben hatte, kaufen konnte. An dieser Stelle legte er einen stattlichen Gasthof an und nannte ihn Zum Bären.