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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 59

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

59. Wie Rübezahl eine arme Familie glücklich macht.

Damals, wo einer nur hinausgehen und sich für den Winter im Wald Holz machen durfte, so viel er nur gebrauchte, ging auch ein armer Mann aufs Gebirge, um seine dort gesammelten Vorräte herunterzuholen. Der Winter war aber zu der Zeit sehr schlecht und die Kälte streng, denn es lag so wenig Schnee, dass die Leute in große Rot gerieten, wegen des Holzes, und gar nicht wussten, wie sie es herunterbringen sollten. So ging es denn auch dem armen Mann. Er bedurfte doch des Holzes gar dringend, wenn Frau und Kinder daheim nicht frieren sollten. Das Holz stand aber auf einer Bergecke, wo der Wind den Schnee völlig fortgeführt hatte, sodass der Mann nicht wusste, wie er es von der Stelle bringen sollte.

Indem er nun dastand in seiner Not und nicht wusste, wie er anfangen sollte, sah er einen Mann mit seinem Schlitten vom Gebirge herunterkommen und auf ihn zu. Der fragte ihn, wie es gehe und ob er sich denn getraue, bei so wenigem Schnee sein Holz herunterzufahren.

Wie das möglich sei, sagte der Bauer, sehe er selbst noch nicht ein; dass er aber Holz haben müsse, wenn sein Frau und seine Kindlein nicht erfrieren sollten, das sei gewiss.

»Verliert nur den Mut nicht, Freund«, sagte der Fremde, »denn was mich anbelangt, so wäre mir deshalb noch gar nicht bange; und wenn ich nur viel Holz da oben hätte, so wollte ich gewiss alles herunterbringen.«

Der arme Mann schüttelte den Kopf und sagte: »Je nu enau.1Wäre ich denn nur so gar dumm?«

Rübezahl, der Fremde, lachte. »Zeigt mir nur erst«, versetzte er, »den Ort, wo Euer Holz steht.«

Als der Bauer ihn dorthin geführt hatte, meinte er, eine schlechtere Stelle als diese habe er sich freilich nicht wählen können. Wenn er es ihm jedoch über die Steine werfen wolle, so sei er bereit, es ihm herunterfahren zu helfen. Wer war froher als unser Mann. Er bekannte auch ganz offenherzig, dass er ohne einen solchen Helfer hätte leer zurückfahren müssen. »Aber«, setzte er hinzu, »ich bin ein armer Mann und kann Euch freilich nicht nach Gebühr lohnen.«

Darauf, meinte jedoch Rübezahl, komme es ihm gerade nicht an. Indem ihm der Mann das, Holz herüberwarf, belud er beide Schlitten bis zu unerhörter Höhe, sodass dem Mann der Verstand stillstand.

»Seht«, sagte hierauf Rübezahl lachend, »seht, so müsst Ihr es machen. Er setzte sich dann vorn auf den Schlitten und sauste das Gebirge hinunter, dass dem Mann Hören und Sehen verging. Als sie nun in kurzer Zeit am Haus waren, fasste sich der Mann, der nun freilich gesehen hatte, wie schnell die Sache ging, ein Herz und bat, dass er ihm doch vollends mit seinem Holz nach Hause helfen wolle.

Rübezahl besann sich erst ein wenig, dann sagte er: »Da es nicht eben weit ist, will ich Euch gern den Gefallen tun.«

Da hatte denn der Bauer große Freude und trug seinem Frauchen auf, nur gleich eine warme Stube zu machen, sie würden bald wieder mit einer Ladung Holz zurück sein. Sie waren auch richtig beide bald wieder mit einem Schlitten voll Holz da. Frau und Kind konnten sich nicht genug freuen über das viele Holz.

Dankbarkeit ist eine schöne Tugend, und dem Kräuterklauber ist es gar lieb, dass er diese von dem armen Mann rühmen kann. Dringend nötigte er seinen Wohltäter in seine Wohnung. Obwohl dieser sah, dass die Armut dort zu Hause sei, so trug der Mann doch auf, was er nur in Blut und Leben hatte. Dann bat er Rübezahl, ihm doch zu sagen, was er ihm für seine Mühe schuldig sei. Rübezahl lächelte und man sah es ihm an, dass er sich über des Mannes Gesinnung freute.

»Gebt mir nur, was Euch gut dünkt«, sagte er, »denn ich sehe wohl, dass Ihr des Geldes selbst bedürftig seid.«

Der Mann zog nun drei Weißgroschen heraus und drückte sie ihm in die Hand, denn mehr, sagte er, habe er nicht. Freilich solle er ihm weit mehr für seine Mühe geben, denn er wisse gar wohl, dass er es redlich verdient habe.

Rübezahl wurde bei dem offenen Benehmen des Mannes immer freundlicher und sagte, dass er damit wohl zufrieden sei. Er hatte aber sein Augenmerk schon lange auf ein paar Kinder im Haue gerichtet, die innig erfreut über die warme Stube und den seltenen Gast miteinander ganz fröhlich spielten. Das eine derselben, ein Knäblein, von einnehmenden Gesicht, gefiel dem Rübezahl besonders gut, sodass er nur auf dieses achtete und fast nur mit ihm allein sich abgab.

Um ihm nun eine Freude zu machen, zog er aus seiner Tasche ein paar Knippkäulchen hervor, und sagte ihm, die wolle er ihm schenken, dass er damit spielen könne.

Der Knabe war hierüber vor Freude außer sich und sprang ganz ausgelassen umher. Das andere Büblein aber, von Haus aus schüchtern und still, wollte mit Rübezahl nichts zu tun haben und verbarg sich vor ihm. So unangenehm dies auch dem Rübezahl war, so konnte er es doch nicht übers Herz bringen, ihm einen Ball zu schenken, weil er sah, dass er trauerte, und damit er sich auch mit seinem Brüderlein freuen könne.

Der Herr der Berge nahm hierauf von den Leuten Abschied und zog mit seinem Schlitten dem Gebirge wieder zu. Der dankbare Mann gab ihm auf eine weite Strecke hin das Geleit und kehrte dann nach tausend herzlichen Danksagungen in seine Hütte zurück. Als aber nach einer Weile die erfreuten Eltern samt ihren Büblein mit den Bällen spielen wollten, sahen sie, dass diese von gediegenem Gold waren.

Nun, der Himmel hilft oftmals auf nie geahnten Wegen, und der Kräuterklauber sich schon wieder einmal freuen, dass er die Dankbarkeit eines armen Mannes so reichlich belohnt hat.

Show 1 footnote

  1. Warum nicht gar.