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Romantruhe-Western Band 32

Hal Warner
Romantruhe-Western Band 32
Amelys Rache

Western, Paperback, Romantruhe, Kerpen-Türnich, November 2018, 70 Seiten, 4,95 Euro, Titelbild: Maren
www.romantruhe.de

Kurzinhalt:
Die Echos der Schüsse waren verhallt. Allein hatte Sheriff Kelly drei gefährliche Revolvermänner besiegt. Auch ihn hatte es schwer erwischt. Doch viel schlimmer als die Kugelwunden traf ihn die Nachricht, dass Amely verschwunden war. Seine schöne junge Frau Amely, die er auf Händen getragen hatte. Sie hatte ihn verlassen. Mit einem windigen Kartenhai war sie durchgebrannt – und mit Kellys heimlichen Dollars. Ein bitterer Schlag, für den Kelly keine Erklärung fand. Er ahnte nicht, dass Amely von blinder Rache zu ihrem Schritt getrieben worden war …

Leseprobe

Kermit Kelly gelang es nicht mehr, die schützenden Felsen zu erreichen. Zwanzig Yard davor wurde sein Brauner von einer Gewehrkugel getroffen. Das Tier stoppte mitten im Sprung, brach in den Vorderläufen ein und stürzte grell aufwiehernd zu Boden.

Der Sheriff von Sheridan wurde aus dem Sattel katapultiert. Zum Glück brachte er seine Füße rechtzeitig aus den Steigbügeln. Ein Hängenbleiben hätte fatale Folgen gehabt, denn der Braune überschlug sich im Gras und würde seinen Reiter dabei sicher erdrückt haben.

Der jähe Sturz aus dem Sattel war auch so alles andere als eine Kleinigkeit. Doch Kelly konnte den Aufprall mit der Schulter mildern, rollte sich ab und lag in der nächsten Sekunde bereits in einer flachen Bodenmulde.

Sein Pferd hatte sich den Hals gebrochen und rührte sich nicht mehr. So konnte Kelly es wagen, auf das Tier zuzukriechen, um dahinter Deckung zu suchen.

Er selbst hatte am linken Oberarm einen Streifschuss abbekommen. Das war der Grund gewesen, warum er versucht hatte, die Felsen zu erreichen.

Aber er hatte es nicht mehr geschafft.

Als er sich nun auf allen vieren auf den Pferdekadaver zubewegte, krachte erneut ein Schuss. Nur um Haaresbreite pfiff die Kugel über ihn hinweg und pflügte hinter ihm den Boden auf.

Dann lag Kermit Kelly hinter dem toten Pferd, schob den Lauf seines Gewehrs über die Deckung und hielt vorsichtig Ausschau nach dem unbekannten Gegner.

Kleine Wolken weißen Pulverrauches trieben wie Wattebäusche aus einem Gestrüpp, das die Kuppe eines vielleicht hundert Yard entfernten Hügels bedeckte. Dort musste der Heckenschütze stecken.

Sheriff Kelly erwiderte das Feuer.

Zwei-, dreimal schoss er zu dem Hügel hinüber in der Hoffnung auf einen Zufallstreffer. Erst wenn der Gegner wieder zurückschoss, würde er seinen genauen Standort kennen.

Aber der Schuft ließ sich nicht aus der Reserve locken. Er war wohl ein vorsichtiger Bursche, der genau begriffen hatte, dass er jetzt nicht mehr viel erben konnte.

Oder wechselte er gerade die Stellung?

Kermit beobachtete die Büsche, konnte aber keine Bewegung erkennen. Die aufsteigende Sonne, die er genau vor sich hatte, blendete ihn ein wenig. Da wurde die Stille der Vorberge erneut vom Peitschen eines Gewehrschusses zerrissen. Mit einem hässlichen Klatschen schlug die gegnerische Kugel in den Pferdekadaver.

Kelly zog unwillkürlich den Kopf ein.

Schon im nächsten Moment spähte er wieder aus der Deckung und feuerte auf die Stelle, wo er den Pulverrauch des Gegners sah.

Es wurde zu seiner Enttäuschung kein Treffer, obwohl er ganz bestimmt nicht weit danebengeschossen hatte. Einige Zweige und Blätter wirbelten durch die Luft.

»He, du da drüben!«, rief Kelly wütend. »Dieses Spiel gefällt mir nicht, du Bastard! Was hältst du davon, wenn wir es offen auskämpfen?«

Aber der hinterhältige Schütze antwortete nicht.

Eine halbe Minute später erklang hinter dem Hügel der Hufschlag eines angaloppierenden Pferdes. Der Unbekannte zog es vor, sich aus dem Staub zu machen.

»Feiger Drecksack!«, knurrte Kelly verächtlich. Er richtete sich auf, streifte die Erdkrumen von seiner Kleidung und lauschte den sich rasch entfernenden Hufschlägen nach.

Der fliehende Gegner hielt sich nicht nach Norden, wo Sheridan lag, sondern jagte nach Osten, auf den Antelope Butte zu.

Sehen konnte Kelly ihn erst, als ihm der Hügel keine Deckung mehr gab. Doch da war der Schuft bereits so weit entfernt, dass keine Chance mehr bestand, ihn zu erkennen. Es wäre auch völlig sinnlos gewesen, ihm eine Kugel nachzuschicken.

Der hagere Lawman mit den kantigen Gesichtszügen fluchte. Denn nun stand er ohne Pferd da, mehrere Meilen von Sheridan entfernt.

Wie es schien, hatte man ihn aus der Stadt gelockt, um ihm hier einen Hinterhalt zu stellen. Am Morgen hatte nämlich ein Zettel unter der Tür seines Offices gelegen, auf dem geschrieben stand, dass auf der Cumming-Farm ein Mord passiert sei. Sheriff Kelly musste dem Hinweis natürlich nachgehen und war daher zur besagten Farm geritten.

Dort hatte sich herausgestellt, dass die Sache völlig aus der Luft gegriffen war. Bei den Cummings war nicht das Geringste geschehen, und sie hatten sogar herzlich lachen müssen, obwohl eine solche Behauptung alles andere als ein Scherz war.

Nun, auf dem Rückweg zur Stadt, war Kermit Kelly in einen gemeinen Hinterhalt geraten, und er konnte von Glück reden, dass ihn die ihm zugedachte Kugel nur gestreift hatte. Genauso gut hätte ihn das Blei voll treffen können.

Wer trachtete ihm nach dem Leben? Wer hatte einen Grund, ihn ins Jenseits zu befördern?

Kelly konnte sich seine Fragen jetzt nicht beantworten. Er wusste nur, dass er eine Menge Feinde von früher her hatte – aus jener Zeit, als er noch rauchige Trails geritten war.

Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich zu Fuß auf den Weg nach Sheridan zu machen. Inzwischen war er so weit von der Cumming-Farm entfernt, dass es keinen Sinn gehabt hätte, umzukehren, um sich dort ein Pferd auszuleihen.

Seufzend nahm er seinem toten Braunen den Sattel ab, wuchtete ihn sich auf die rechte Schulter und nahm sein Gewehr in die Linke. Dann begann er seinen unvermeidlichen Fußmarsch.

Der Teufel sollte den verdammten Burschen holen, der ihm das eingebrockt hatte!

 

*

 

Als Kelly in die Stadt zurückkam, war es bereits Mittag. Schwitzend passierte er die ersten Häuser und Hütten am Stadteingang und hielt auf den Mietstall zu, der das dritte Gebäude auf der linken Seite war.

Vern O’Ranna, der schiefmäulige, schon auf große Entfernung nach Schnaps stinkende Stallmann, stand Tabak kauend im Torschatten und blinzelte Kelly unter der Hutkrempe hervor entgegen.

»Was ist denn dir passiert, Sheriff?«, erkundigte er sich mit einem forschenden Blick auf das blutdurchtränkte Halstuch, das sich Kelly um den verletzten Arm gebunden hatte.

»Ein kleiner Unfall«, antwortete Kelly knapp. »Sag mal, ist in der letzten Stunde ein Reiter angekommen?«

»Ein Reiter?« O’Ranna spuckte braunen Tabaksaft gegen den mit Fliegendreck gesprenkelten Türstock und kratzte sich den struppigen Hinterkopf. »Nein, hab ich keinen gesehen.«

Der Sheriff ließ seinen Sattel neben dem Tor auf einen Sattelbock fallen, nahm seinen Hut ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Sein Gewehr lehnte er an die sonnenüberflutete Balkenwand.

Er war ein Mann von überdurchschnittlicher Größe. Nicht unbedingt ein Riese von Gestalt, aber doch eine imposante Erscheinung. Sein dunkles, noch immer dichtes Haar war an den Schläfen bereits ergraut. Er hatte blaugraue Augen, eine kräftige Nase und einen prächtigen, nach unten gezwirbelten Schnurrbart. Außerdem gesunde Zähne, die weiß leuchteten, wenn er grinste.

Jetzt grinste Kermit Kelly nicht. Mit ernster Miene betrat er den Stall und schaute sich die in den Boxen stehenden Pferde an.

Doch es war kein Tier dabei, das einen erhitzten Eindruck machte. In jüngster Zeit konnte also keines von ihnen geritten worden sein.

O’Ranna stand noch immer im Tor, hatte sich aber herumgedreht.

»Wie du siehst, hab ich dich nicht belogen«, brummte er. »Warum sollte ich auch?«

»Ja, warum solltest du?« Kelly lächelte schmal, betrat eine Box und holte ein Pferd heraus.

»Den Wallach borge ich mir aus. Vielleicht werde ich ihn sogar kaufen. Über den Preis reden wir noch.«

Er hatte es eilig, wollte wegen des hinterhältigen Gegners keine Zeit verlieren. Deshalb verzichtete er auch darauf, seiner jungen Frau Bescheid zu sagen, obwohl sie nur wenige Häuser weiter in dem Gebäude wohnte, in dem auch das Sheriff’s Office untergebracht war.

Kelly führte den Wallach ins Freie und sattelte ihn, saß auf und verließ wieder die Stadt.

In schnellem Trab ritt er zu dem Hügel, von dem aus er beschossen worden war, und fand dahinter die gesuchten Spuren, denen er unverzüglich folgte. Die Fährte des Heckenschützen führte ungefähr eine dreiviertel Meile geradewegs nach Osten. Aber noch vor der großen Hügelkuppe, die man Antelope Butte nannte, bog sie plötzlich nach Norden ab und führte Kelly wieder nach Sheridan zurück.

Sein Gegner war also doch in die Stadt geritten. Nur hatte er um sie einen weiten Bogen gemacht und sich ihr von der Nordseite her genähert.

Auf der zur Montanagrenze führenden Poststraße verlor er die Spur aus den Augen. Kelly musste sich damit abfinden, dass ihm der Gegner vorerst entwischt war.

Immerhin wusste er jetzt, dass er sich in der Stadt aufhielt. Vielleicht entdeckte er ihn noch mithilfe des Zufalls.

Inzwischen war es Nachmittag geworden. Die Sonne brütete über den Dächern der Stadt und dörrte den Staub auf der fast menschenleeren Main Street. Es herrschte um diese Zeit keine besondere Betriebsamkeit.

Sheridan war eine mittelgroße Town mit knapp fünfhundert Einwohnern. Die meist einstöckigen Holzhäuser besaßen bunte, oft recht fantasievoll gestaltete Fassaden, und es gab erhöhte Brettergehsteige, unter deren Überdachungen sich die diversen Geschäfte und Läden befanden.

Kermit Kelly hielt vor dem Sheriff’s Office an und schwang sich aus dem Sattel.

Als er das Pferd am Balken festband, erschien Amely in der Tür.

»Hallo, Darling!«, rief er ihr grinsend zu. »Hier bin ich wieder. Mein Ausflug hat leider etwas länger gedauert.«

Amely war eine blonde Schönheit. Wie eine junge Königin stand sie da und musterte ihn mit ihren veilchenblauen, ungemein ausdrucksvollen Augen. Sie verströmte mit jedem Atemzug eine jugendliche Frische, ließ bei jedem Pulsschlag erahnen, wie viel Leidenschaft sich in ihr verbarg.

Das eng anliegenden Kleid, das sie trug, unterstrich noch den aufregenden Wuchs ihres Körpers.

Wahrscheinlich gab es in ganz Wyoming nur wenige Frauen, die ihr das Wasser reichen konnten.

Hier in Sheridan stach sie ohnehin alle aus, und man war dementsprechend neidisch auf sie.

»Du bist ja verletzt, Kermit!«, rief sie erschrocken.

»Es ist nur ein Kratzer«, entgegnete er, während er die Treppe hochstieg. »Jemand hat mich als Zielscheibe benutzt.«

»Bei den Cummings?«

»Nein, unterwegs. Aber das erzähle ich dir später.« Kelly erreichte die Tür und legte seinen Arm um Amelys Taille. »Jetzt möchte ich erst mal was essen. Ich bin hungrig diesmal ausnahmsweise nicht nur nach dir.«

»Dann komm ins Haus.« Sie lächelte ihn an. »Ich habe auch noch nicht gegessen.«

»Aber warum denn nicht, mein Schatz?«

»Weil ich auf dich gewartet habe, Kermit.«