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Der Welt-Detektiv Band 6

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Rübezahl, der Herr des Gebirges – Folge 11

Rübezahl, der Herr des Gebirges
Volkssagen aus dem Riesengebirge
Für Jung und Alt erzählt vom Kräuterklauber
Verlag Carl Gustav Naumann, Leipzig, 1845

11. Wie Rübezahl einem unglücklichen Mann hilft und einen reichen prellt

Einstmals wollte ein armer Glashändler mit seiner Hocke Scheidenglas übers Gebirge auf Königgrätz zu und war vom vielen Steigen gar müde geworden. Indem er sich nun nach einem Platz umsah, wo er ein wenig ausruhen konnte, wurde er eines runden Klotzes gewahr und setzte sich darauf nieder. Da saß er denn recht behaglich, die Ruhe tat ihm gut und er dachte an nichts. Wie er nun so an nichts dachte, da wurde es auf einmal unter ihm lebendig und der Klotz rollte unter ihm fort, und ehe er sich′s versah, lag er da auf dem Rücken und zickelte mit den Beinen in der Luft und strampelte, um wieder auf seine Füße zu kommen. Als er nun wieder stand, tränenden Auges auf seine zerbrochene Habe blickte und doch nichts als Scherben umherliegen sah und von dem Klotz weit und breit nichts bemerkte, da trat Rübezahl plötzlich in der Gestalt eines Wandergesellen vor ihn hin. Fragte, ob er hier auf dem rechten Wege nach der Schreiberhauer Glashütte sei, und warum der Mann so bekümmert aussehe.

»Es sieht sich da freilich wohl bekümmert aus«, erwiderte der unglückliche Mann, »wenn man sein Hab und Gut so unverschuldet verliert und daheim Frau und Kinder hat, die man nun nicht zu ernähren weiß.« Dabei weinte der Mann bitterlich.

Der Wandergeselle hörte ihn ruhig und teilnehmend an und sagte, wie freilich den, so mit Handel sein Brot verdienen müsste, viel Unglück und Widerwärtigkeit auf Reisen treffe. Es sei allerdings besser, wenn einer sein Brot hinterm Ofen verdienen könne. »Doch«, tröstete er, »gebt Euch immerhin zufrieden. Ich will Euch helfen, und wenn Ihr meinem Rat folgt, so sollt Ihr wieder zu Eurem Geld kommen.«

Halt, dachte der Mann und merkte etwas. Was gilt es, das ist Rübezahl, und sagte, er würde tun, wie er angäbe.

»Gut«, versetzte Rübezahl. »Seht Ihr dort den Esel, welcher unter jenem Baume steht? Den nehmt, führt ihn hinüber übers Gebirge ins nächste Dorf zu dem Müller dort, der eines Esels bedarf. Aber ich sage Euch, dass Ihr den Esel nicht unter neun Taler verkauft, sonst …«

Der Mann war hierüber sehr erfreut, bedankte sich gar sehr bei dem gütigen Wandersmann und zog mit seinem Esel davon.

Wie er an die Mühle kam, hielt er ein wenig an, setzte sich auf einen Rand und tat gar nicht, als ob er den Esel verkaufen wolle. Der Müller, ein Mann, der Geld hatte und den Tag vorher schon wusste, wie viel Wasser am folgenden Tage über das Rad laufen würde, trat an den Mann heran, fragte woher und wohin und besah den Esel von hinten und von vorn, schmunzelt und dachte: Da wäre auch wohl ein Kauf zu machen. Er fragte also den Mann, ob er wohl den Esel verkaufen würde und wie teuer.

»O ja«, sagte der Mann, »um 10 Taler, aber nicht darunter.«

»Ihr seid nicht gescheut, schrie der Müller, »für einen solchen Esel 10 Taler! Doch«, setzte er nach einigem Zaudern hinzu, »drücken will ich Euch nicht, und wenn Ihr mir ihn um neun Taler lassen wollt, so mag es drum sein und ich will das Geld holen.«

»Nun, weil Ihr es seid«, sagte der Mann.

Hierauf führte der Müller den Esel in den Stall. Der Mann empfing die Bezahlung und schied vergnügt von dannen.

Nicht lange danach ging der Müller wieder in den Stall, besah seinen Esel abermals von hinten und von vorn. »Thadder!«, sagte er zu seinem Knecht, »Thadder, so einen Esel haben wir noch nicht im Stall gehabt, und wenn einer so ein Esel ist, so kann er froh sein. Flugs, hole ihm ein Büschel Heu vom Boden und werfe es ihm vor, denn er wird hungrig sein.«

Der Thadder ging, holte das Heu und legte es ihm vor. Aber wer auf einmal starr wie eine Salzsäule mit offenem Mund stehen blieb, das war der Thadder, als er aus dem Esel heraus eine menschliche Stimme hörte.

»Ich fresse kein Heu, sondern lauter Gebackenes und Gebratenes.«

Wie ein Pfeil und voller Entsehen schoss der Thadder in die Mühle und erzählte dem Müller, wie er einen Esel erhandelt, der Deutsch reden könne und wolle nicht einmal Heu, sondern lauter Gebratenes und Gebackenes. Dem Müller, dem auch oftmals ebenso zumute war wie dem Esel, und der gerade einen Kloß in den Mund steckte – er aß das schlesische Himmelreich – blieb der Kloß im Mund stecken vor Schrecken. Er rannte zum Stall und schaute mit klotzenden Augen zu der Stelle, wo der Esel gestanden hatte. Aber vergebens, denn dort stand kein Esel. Er guckte aus einem Winkel in den anderen, es war kein Esel zu hören und zu sehen. Kurz, Esel und Mann waren beide über alle Berge. Hatte er erst nicht schlingen können, so konnte ers setzt gleich gar nicht, und der, welcher dies erzählt, weiß nicht, wie es mit dem Kloß geworden ist.