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Sagen- und Märchengestalten – Die Magie – Teil 5

Sagen- und Märchengestalten sowie Geister-, Wunder- und Aberglauben des deutschen Volkes
Mit Erzählungen von Begebenheiten der Vorzeit, die den Glauben an eine Geisterwelt förderten, Berlin, Verlag von Burmester & Stempell,1874

Die Magie – Teil 5

Paracelsius

Paracelsus wurde zu Einsiedeln in der Schweiz um das Jahr 1493 geboren und empfing von seinem Vater eine vortreffliche Erziehung. Er durchreiste nahezu ganz Europa und kehrte 1527 in sein Vaterland zurück, wo er in Basel als Professor vielbesuchte medizinische Vorlesungen in deutscher Sprache hielt. Er eröffnete dieselben durch die feierliche Verbrennung der Schriften des Galenos und des Avicenna, machte ihre Heilmethoden lächerlich und verwarf sie gänzlich. Wenn er selbstgefällig bemerkte, dass seine Bibliothek aus noch nicht zehn Blättern bestände, so rühmte er sich hingegen des gesammelten Wissens in unerträglicher Weise und sagte seinen Zuhörern, unter denen sich viele Ärzte befanden, offen heraus: »Wisset, dass meine Kappe gelehrter ist als Ihr, dass mein Bart mehr Erfahrung hat, als alle Eure Akademien.«

Es konnte nicht fehlen, dass das Bild eines solchen Mannes übermäßig viel Licht und nicht minder Schatten von den verschiedenen Parteien empfing. Man verdankt ihm in der Tat eine Menge nützlicher Erfindungen: die Kenntnis der chemischen Medizinen, des Opiums sowie der drei Prinzipien der Chemiker, des Salzes, des Schwefels und des Merkur und verschiedene andere Mittel. Allein diesen verdienstvollen Arbeiten setzte man seinen Hang zur Magie entgegen, der ihn antrieb, das Gute, was er wirklich lehrte, in Wort und Schrift mit unklaren und geheimnisvollen Begriffen zu verweben, die nicht selten seine ganze Weisheit ungenießbar machten. Er selbst legte sich den bescheidenen Titel eines Reformators und Herrschers in der medizinischen Wissenschaft bei. Nullum magnum ingenium sine mixtura dementiae (Es gibt kein großes Genie ohne ein wenig Torheit).

Ohne die absichtliche Dunkelheit seiner Erklärungen und mit mehr wahrhafter Würde hätte Paracelsus sehr viel anregender zu wirken vermocht, obwohl seine Nachfolger auf dem vorgezeichneten Pfad noch manches Gute zutage förderten. Einer unter ihnen, der Doktor Glauber, erfand 1658 ein Wundersalz, welches nach ihm Glaubersalz heißt und ein bekanntes auflösendes Mittel ist.

Der Volksmund schrieb Paracelsus den wirklichen Besitz der fabelhaften Goldtinktur und des Leben verlängernden Wunderelixiers zu und erzählt die Auffindung derselben folgendermaßen:

Einst durchirrte der Jüngling, in tiefe Meditationen versunken, einen Wald, dessen Einsamkeit ihn lockte. Da hört er plötzlich seinen Namen rufen, halb aus der Luft, halb aus der Erde.

Horchend bleibt er stehen. Jetzt klingt es fast neben ihm. Nun entdeckt er das Geheimnis: Die Stimme ertönt aus einem knorrigen Fichtenstamm, in welchem Paracelsus einen dreifach bekreuzten Keil bemerkte. Voll Neugier lüftet er den Verschluss und siehe … aus der Öffnung schlüpft eine schwarze Spinne, entwebt sich wundersam zu Rauch und Schatten, aus denen endlich ein langer, schielender Mann im roten Mantel tritt.

Es war der Höllenfürst, den er befreit hatte, und der ihn nun zu infernalen Künsten verlocken will, die den Ausübenden unfehlbar dem Bösen verfallen lassen. Grinsend zieht Satan zwei herrlich gearbeitete Fläschchen hervor, deren Besitz ungeheure Schätze und ein auf Jahrhunderte hinaus verlängertes Leben sichern. Ihren köstlichen Inhalt preisend, reicht der Teufel sie als Lohn dem Jüngling dar, den er dadurch fest umgarnt wähnt. Denn mit zitternder Hand und gierigem Blick greift er nach den Wundergaben, die er jetzt fassen kann und die ihm gehören sollen.

Doch plötzlich sinkt seine Rechte zurück, ein Ausdruck der Enttäuschung fliegt über sein Angesicht.

»Du bist kein Zauberer«, sagt er zu dem Verführer, »wer mag wissen, welch’ Gift sich in diesen goldfarbenen Tropfen birgt! Wie solltest du auch aus jenem Ast hervorgekommen sein! Ich täuschte mich. Du lauertest hinter dem Baum, als deine Stimme mich höhnend rief.«

Dabei nimmt er die Fläschchen mit ungläubigem Blick und hält ihren Inhalt gegen das Licht empor.

Doch der Böse spricht: »Wenn ich dir nun beweise, dass ich mich in den kleinsten Raum zu schmiegen weiß, wirst du dann jene Elixiere brauchen und dich mir zu eigen geben? Denn ich bin mächtig, mächtiger, als Eure vermeinten Zauberer, deren klägliches Wissen solche Schätze nimmer zu bereiten vermag!«

»Nun gut!«, rief Paracelsus, »wenn du mir beweisest, dass du derjenige bist, für den du dich ausgibst, und wenn du mich zu dem weisesten und berühmtesten Arzt machst, der jemals lebte, so will ich mich dir mit Leib und Seele verschreiben.«

Dessen war der Teufel zufrieden, schrumpfte allmählich zusammen und glitt wieder als schwarze Spinne in sein Gefängnis. Paracelsus aber hatte hinterlistigerweise den bekreuzten Pflock erhoben und verschloss blitzschnell die Öffnung. Froh der leicht errungenen Wunderelixiere kehrte er heim und blieb unangefochten im Besitz derselben bis an seinen Tod.

Der schwarze Geist, welcher Paracelsius geleitete und beriet, sollte in den Knopf seines Degens eingeschlossen sein. Martin Anton Delrio hält die ketzerischen Ansichten, die der gelehrte Arzt sich nicht scheute, öffentlich auszusprechen, an sich schon für einen vollgültigen Beweis seiner Zauberei, ebenso die barbarischen Namen, mit denen er vollkommen unschädliche Arzneimittel belegte. Paracelsus liebte es, sich mystischer Ausdrücke zu bedienen, und leugnete keineswegs die Möglichkeit einer Verbindung der Menschen mit Geistern.

Behauptet er doch, einen spanischen Nekromanten gesehen zu haben, dem es gelungen war, eine Glocke aus Electrum zu verfertigen, einem wundersamen Gemisch von sieben Metallen, mit Charakteren bezeichnet. Durch Berührung dieser Glocke rief er je nach Gefallen einen oder auch mehrere der Planetengeister herbei, deren Beherrschung nur durch ein Verschmelzen der den Planeten entsprechenden Metalle sich erzwingen ließ.

Trotz der Goldtinktur wurde Paracelsus kein reicher Mann, wenn er auch gerade nicht mit bitterer Not zu kämpfen hatte. Selbst das Lebenselixier brachte ihm nur geringen Nutzen, denn er starb schon 1541 in Salzburg in einem Gasthaus. Sein Nachlass, der den Armen bestimmt war, bestand teils aus wenigen Schriften, Kleidungsstücken, geschnittenen Steinen, teils aus Ehrengeschenken der Städte oder einzelner Personen, wie silberne Kannen, Becher und Münzen. Von Zaubergeräten fand sich keine Spur und die wunderbaren Fläschchen schienen verbraucht oder entwendet worden zu sein.

Unmöglich schien es denjenigen, welche von seiner schwarzen Kunst überzeugt zu sein glaubten, dass das Ende eines solchen Mannes ohne alle besonderen Zufälle stattgefunden haben solle, und verschiedene Märchen entstanden darüber, Erfindungen mäßiger Köpfe. Nach einer hessischen Sage erfolgte sein Tod so: Ein mächtiger Zauberer bot dem Schweizer Arzt einen seltsamen Zweikampf an. Beide wollten einander aus der Ferne Gifte zusenden und dieselben wirklich trinken – der Überlebende blieb Sieger. In dem magischen Spiegel vermochte der eine ja leicht zu erschauen, ob der andere dem gegebenen Versprechen pünktlich genüge. So trank Paracelsus ohne Schaden, was der Entfernte bereitete, und hielt diesen schon für bezwungen, als eine letzte Phiole erschien. Kaum hatte der Arzt ihren Inhalt zu sich genommen, als er empfand, dass es Magnetgift war, gegen dessen furchtbare Kraft kein Elixier zu schützen vermochte. Sterbend gebot er seinem Diener, sich die vorhandenen Schätze anzueignen, Zaubergerät und Bücher aber zu vernichten. Dann richtete er sich mit der letzten Anstrengung seiner Kräfte noch einmal auf, schoss unter schrecklichen Beschwörungen eine Pistole durch das Fenster ab und tötete dadurch den Gegner, worauf er wieder zurücksank und verschied.

Eine andere Sage erzählt, er habe seinem vertrauten Diener oder Schiller aufgetragen, sogleich nach seinem Tod den noch nicht erkalteten Körper in Stücke zu zerschneiden, in einer Truhe zu verbergen und mit dem Zauberpulver, welches er hinterließ, zu bedecken. Auf der wohlverschlossenen Truhe müsse eine Zauberlampe neun Monate lang brennen, und erst nach Verlauf dieser Zeit solle er öffnen. Der Diener gehorchte zwar, vermochte nun nicht, der kindischen Neugier zu widerstehen, welche ihn trieb, schon nach sieben Monaten die Truhe zu erschließen. Da erblickte er eine unreife menschliche Leibesfrucht, welche, sowie sie von der Luft berührt wurde, unter leisem Wimmern sogleich verschied.