Interessante Abenteuer unter den Indianern 15

John Frost
Interessante Abenteuer unter den Indianern
Erzählungen der merkwürdigsten Begebenheiten in den ersten indianischen Kriegen sowie auch Ereignisse während der neueren indianischen Feindseligkeiten in Mexiko und Texas

Die treue Wärterin

Im Jahre 1778, den 28. Juni, wurde die Schlacht von Monmouth, New Jersey, geschlagen. Die Amerikaner befehligte Washington und die Engländer Sir Henry Clinton.

Es war ein ungemein heißer Tag. Eine Frau, mit Namen Molly Pritchard, verheiratet mit einem Soldaten der amerikanischen Armee, der mit dem Laden und Feuern einer Kanone beschäftigt war, brachte gerade Wasser von einer Quelle zu der Batterie, zu welcher ihr Mann gehörte. Er wurde erschossen und sie sah ihn fallen. Gleich befahl der Kommandierende, dass das Geschütz von einem anderen bedient werden solle. Aber Molly Pritchard trat vor, trug ihre Dienste an und nahm, zum Erstaunen der Soldaten, ihres Mannes Platz ein. Sie focht so männlich, dass ihr vom Kongress fürs ganze Leben Halbsold gestattet wurde. Sie trug Epauletten und war nachher unter dem Namen Captain Molly bekannt. Einige Jahre später, nachdem Boston und seine Nachbarschaft von den Engländern angebaut wurden, kamen einige Narraganset, die auf einem Jagdzug begriffen waren, an das Haus des Herrn Minot in Dorchester und verlangten in sehr roher Weise Essen. Da sie zurückgewiesen wurden, gingen sie zornig und unzufrieden von dannen und Oquamehud, ihr Chief, drohte mit Rache. Er ließ zu diesem Zweck einen Indianer, namens Osamee, der lange in der Nachbarschaft wegen seiner ungewöhnlichen Wildheit bekannt war, in den Büschen in der Nähe des Hauses zurück. Den anderen Morgen gingen Herr und Frau Minot nach Boston, eine Entfernung von drei Meilen. Der Indianer sah sie von seinem Versteck aus, bereitete sich zu einem Angriff auf das Haus vor, welches er unbeschützt wähnte. Herr Minot, keinen Angriff dieser Art befürchtend, war doch so vorsichtig gewesen, dem Dienstmädchen den bestimmten Befehl zu geben, sich mit seinen zwei kleinen Kindern auf das Haus zu beschränken und niemanden bis zu seiner Rückkehr die Tür zu öffnen.

Das Mädchen war treu und wachsam. Bald erblickte sie den Indianer vorsichtig gegen das Haus schleichen. Nachdem er sich umgesehen hatte, um sich zu überzeugen, ob niemand in der Nähe sei, rannte er wütend gegen die Tür, aber sie war so fest verriegelt, dass sie seiner Gewalt widerstand. Zunächst versuchte er durch das Fenster zu steigen. Das junge Frauenzimmer hatte ihres Herrn Kinder unter zwei kupferne Kessel verborgen, mit dem Verbot, sich nicht zu rühren oder den geringsten Lärm zu machen. Dann lud sie eine Muskete, die im Hause war und stand wacker zur Verteidigung bereit.

Der Indianer, Widerstand von dem Mädchen vermutend, schoss nach ihr, verfehlte aber sein Ziel. Dann feuerte das Mädchen und traf ihn in die Schulter. Dennoch stand er nicht von seinem Versuch ab und war schon halb durch das Fenster, als sie mit großer Geistesgegenwart eine Pfanne voll glühender Kohlen aus dem Ofen ergriff und sie demselben ins Gesicht warf. Sie blieben auf seiner Haut hängen, und die dadurch erhaltenen Brandwunden waren so groß, dass er eilig davonlief. Einige Tage später jedoch wurde sein toter Körper im Wald an der Grenze der Stadt gefunden.

Als diese Umstände der Regierung von Massachusetts Bay bekannt wurden, wurde das mutige Mädchen auf deren Befehl mit einem silbernen Armband beschenkt, auf welchem ihr Name eingraviert war mit dem Motto Sie erschlug den Narraganset-Jäger.

Wir sehen in dem unweiblichen Benehmen der Captain Molly nicht viel Bewundernswertes und haben die Geschichte bloß berichtet, damit die Leser dieser Erzählungen sie mit dem würdigen Dienstmädchen vergleichen möchten, das das Leben zweier Kinder und ihr eigenes durch ihre Geistesgegenwart und ihren Mut rettete.

Gewiss war das silberne Armband besser verdient als die Epaulette der Molly Pritchard. Solche Beweise von besonnenem Mut sind selten.