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Robert der Teufel – Kapitel 1

Robert der Teufel und die höllischen Fanghunde
Eine schauderhafte Teufels-, Hexen-, Räuber- und Mördergeschichte um 1860

Kapitel 1 – Galgenvögel

Im großen Speisesaal eines prächtigen Jagdschlosses, das mitten in einem ungeheuren Wald stand, ergötzte sich mit allerlei sündhaften Gesprächen ein niederträchtiges Lumpengesindel, Mörder, Räuber, Falschmünzer, Brandstifter, Diebe, entsprungene Galeerensträflinge, schamlose Dirnen, lauter solche Leute, von denen man glauben konnte, dass man sie von allen Galgen des Königreiches Burgund zusammengetrommelt habe, in welchem damals der edle König Boso, der Vielgeliebte, mit seiner tugendhaften und gottesfürchtigen Gemahlin Blandine regierte und in der Residenzstadt Arles Hof hielt.

Sie hatten einen einzigen Sohn, namens Robert, der aber nicht die Freude, sondern die Qual ihres Lebens war. Ungeachtet der sorgfältigen Erziehung durch die vorzüglichsten geistlichen und weltlichen Hofmeister blieb er doch immer ein wilder, verstockter junge, der nichts lernen mochte und am allerwenigsten vom Beten etwas hören wollte. Alle guten Lehren seiner würdigen Eltern gingen bei ihm zu dem einen Ohr hinein und zum anderen hinaus. Was für ein tiefer Herzenskummer diesen dadurch bereitet wurde, lässt sich denken. Welche traurige Aussicht für das schöne Land, nach dem Tode des herrlichen Königs Boso von einem solchen Nachfolger regiert zu werden.

Robert war hübsch von Gestalt und Gesicht, aber in seinen Augen funkelte etwas Teuflisches, und da der junge Bösewicht keinen Tag vorbeigehen ließ, ohne ein Verbrechen zu begehen, so erhielt er weit und breit den Namen »Robert der Teufel«. Er fing damit an, sein schlechtes Herz zu zeigen, dass er ein Tierquäler wurde, Vögeln, Hunden und Katzen die Augen ausstach, die Füße abschnitt, oder sie gebunden lebendig eingrub, oder ins Feuer warf. Wer Tiere quälen kann, quält auch Menschen, wird verhärtet und blutgierig und verübt gar leicht Mordtaten. Vernünftige Eltern sollen mit aller Strenge gegen die Neigung eines Kindes, Tiere zu quälen, einschreiten und es gleich bei dem ersten Falle recht tüchtig durchprügeln, damit es die Gewalt der Schmerzen aus eigener Erfahrung kennenlerne. Eltern, die dies zu tun versäumen, laden dadurch eine große Verantwortung auf ihr Gewissen, wenn ein solch junger Tierquäler mit der Zeit ein Menschenmörder wird, was gewöhnlich geschieht, wie die gerichtlichen Verhandlungen lehren, und zuletzt als Armersünder am Galgen endet.

Neben seinen übrigen Lastern war Robert auch dem Jähzorn ergeben, der gleichfalls zu vielen Missetaten antreibt. Eines Tages brachte ihm sein Kammerdiener aus Versehen andere Stiefel, als Jagdstiefel, und augenblicklich stieß er ihm einen Dolch ins Herz. Zu einer anderen zeit traf er, als er eben in den Schlossgarten gehen wollte, am Ende einer Galerie einen alten Bettler mit grauen haaren, der ihn demütig um ein kleines Almosen bat. Robert aber gab ihm stattdessen einen Stoß mit der Faust auf die Brust, dass er rückwärts über die große marmorne Treppe hinabstürzte und sich das Genick brach. Wusste er auf irgendeinem einsamen Maierhof ein schönes Weib oder eine schöne Tochter, so lauerte er auf den Augenblick, wo sie allein waren, und machte ihnen schnöde Anträge. Wurden diese von tugendhaften Frauen und Jungfrauen abgewiesen, so ermordete er sie auf der Stelle.

Natürlich mussten ihn alle Leute fürchten und hassen. Nur eine einzige Person liebte ihn zärtlich, seine Amme, die seit seiner Geburt in der Residenz lebte. Und dieser war Robert im hohen Grade zugetan, weil sie ihn nicht durch gute Lehren langweilte, ihn nicht nur an seinen Missetaten nicht hinderte, sondern ihn vielmehr dazu ermutigte und ihm Mittel und Wege wies, sie so gut als möglich zu verüben. Sie riet ihm auch immer Lügen und Ausflüchte zur Täuschung seiner lieben Eltern. Jede müßige Stunde verlebte er bei seiner Amme, die ihn nach und nach mit allen Lastern und Verbrechen bekannt gemacht hatte.

Als der König diese Neigung seines Sohnes für die Amme desselben bemerkte, ließ er sie kommen und sagte zu ihr: »Liebe Eva! Ich sehe, dass Robert dich lieber hat als mich und seine Mutter. Benutze diese seine Liebe, ihm gute Lehren zur Besserung seines Lebenswandels zu geben, so oft er zu dir kommt. Zeigen sich die guten Früchte deiner Bemühung, dann will ich dich königlich dafür belohnen!«

»Ach! Allergnädigster König!«, erwiderte die Amme, indem sie sich auf ihr linkes Knie niederließ, was Ihr da mit väterlicher Sorgfalt von mir verlangt, hab ich bisher schon immer redlich getan, ihn zur Gottesfurcht, zum Fleiße, zur Tugend und zur kindlichen Liebe mit den inständigsten Bitten ermahnt. Allein die Jugend hat keine Tugend, wie das Sprichwort sagt, und muss austoben. Übertreiben darf ich es nicht, sonst bin ich keinen Augenblick meines Lebens sicher. Aber, nur Geduld! Es wird noch alles gut werden. Kommt Zeit, kommt Rat!«

»Ich habe deswegen schon auf alle Hoffnung Verzicht geleistet. Wenn dir Roberts Besserung nicht gelingt, weiß ich kein anderes Mittel mehr.«

»Ich schon, allergnädigster Herr!«

»Welches? Sag an!«

»Eine schöne und tugendhafte Gemahlin. Sie würde gewiss am meisten dazu beitragen können, Robert auf den Weg der Tugend und der guten Sitten zu führen. Die Liebe wirkt oft Wunder.«

»Ein guter Einfall! Wenn aber Robert keine Gemahlin will? Ich kann ihn doch nicht dazu zwingen!«

»Dass er eine Gemahlin will, dafür kann ich gutstehen.«

»Hat er sich bei dir vielleicht schon darüber geäußert?«

»Schon oft. Nur werden seine überspannten Forderungen aller möglichen Vorzüge seiner künftigen Gemahlin schwer zu befriedigen sein.«

»Das ist meine geringste Sorge. Er soll die vollkommenste Prinzessin, die jetzt auf Erden lebt, zur Gemahlin erhalten. Gott gebe seinen Segen dazu! Verschweig ihm vor der Hand meine Absicht, damit ich ihn mit der persönlichen Ankündigung desto angenehmer überraschen kann.«

»Euren Befehl, allgnädigster König, werde ich genau vollziehen.«

»Geh jetzt!«

Die Amme verneigte sich dreimal bis auf den Boden, ging zur Tür hinaus und dachte sich. Ist die tugendhafte Prinzessin, welche der König zur Gemahlin Roberts erwählt, nur einmal in Roberts Klauen, so will ich schon dafür sorgen, dass sie bald seiner würdig werden soll.

***

Die saubere Gesellschaft wartete schon seit anderthalb Stunden auf ihren Herrn und meister Robert, der sie zu einem großen festlichen Gelage auf sein Jagdschloss eingeladen hatte. 10 Uhr nachts sollte die Tafel beginnen, und die Schlossuhr hatte bereits 11 Uhr geschlagen und noch immer erschien Robert nicht, während er sonst bei solchen Gelegenheiten immer der Erste unter den Ankömmlingen zu sein pflegte. Die Galgenvögel waren gar zierlich nach der damaligen Mode gekleidet und sahen aus wie vornehme Herren und Damen. Die meisten von ihnen hatten mittags absichtlich gefastet, um es sich bei diesem Nachtschmaus desto besser schmecken zu lassen. Da konnte man goldene Ketten, Armbänder und Ringe sehen, welche sie unbesorgt zur Schau trugen, auf das Übereinkommen der Spitzbuben vertrauend, einander nicht zu bestehlen. Nur diesem aus gastlicher Schicklichkeit auch auf den Speisesaal ausgedehntem Ehrgefühl hatte auch das silberne Tafelgeschirr seine Sicherheit zu verdanken.

Die köstlichsten Weine von verschiedenen Farben schimmerten in altertümlich geformten Flaschen von geschliffenem Kristall. Die feinsten Torten lockten auf Tellern von chinesischem Porzellan. Die große Schlossküche wimmelte von Köchen und Küchenjungen, die vollauf mit Bereitung von Speisen beschäftigt waren und sich heimlich über das lange Ausbleiben Roberts nicht wenig ärgerten, weil dadurch ihre Kochkunst zuschanden werden musste. Wer es gewagt hätte, durch ein einziges lautes Wort den inneren Ärger zu verraten, würde sich der Gefahr ausgesetzt haben, bei der Ankunft Roberts sogleich an einen Bratspieß gesteckt und lebendig gebraten zu werden, was sich schon früher ein paar Mal ereignet hatte.

»Wo nur mein Robert so lange weilen mag?«, fragte Lucia.

»Dein Robert?«, erwiderte Atalie, »mach dich nicht lächerlich! Er gehört so gut mein wie dein und wie unseren anderen Freundinnen.«

»Er wird auf der Jagd sein«, bemerkte Klotar.

»So spät?«

»Es gibt Jagden zu allen Stunden des Tages und der Nacht«, äußerte Manfred spöttisch.

»Wenn ihm nur kein Unglück zustößt!«

»Dem Robert? Davon ist gar keine Rede. Wenn nur dem Unglück kein Robert zustößt, muss man sagen.«

»Es ist ganz finster draußen, er kann im Wald nichts mehr sehen.«

»Was er sehen will, sieht er doch!«

»Wie leicht könnten ihn Räuber überfallen!«

»Nun, die gefährlichsten sind jetzt nicht im Wald«, äußerte Manfred lächelnd.

»Er fürchtet sich wohl nicht«, fragte Lucia.

»Robert fürchtet weder Gott noch den Teufel auf freiem Feld und wär auch dessen Großmutter dabei.«

»Dort unten blitzt es tüchtig!«

»Man hört es auch schon donnern.«

»Das Gewitter kommt immer näher.«

***

Ein Diener Roberts öffnete ein Saalfenster und schaute hinaus. In diesem Augenblick fuhr ein Blitz wie eine gegliederte kette von geschmolzenem Erz aus den Wolken herab und schlug in eine Tanne ein. Fast auf der Stelle loderten die Flammen des harzigen Baumes lichterloh empor und erhellten die ganze Gegend. In den kurzen Pausen zwischen Blitz und Donner hörte man die eiligen Hufschläge eines Pferdes aus der Ferne, das man bald darauf mit reiterlosem Sattel im brausenden Galopp mit gesträubter Mähne durch die Pappelallee der Anfahrt torwärts sprengen sah.

»Das Pferd des Prinzen«, schrie der Diener voll Schrecken und eilte zu dem alten, halb tauben Torwächter. Dieser öffnete das Tor, und Roberts flinkstes Jagdpferd trabte schweißtriefend in den Schlosshof, wo es von den Stallwärtern abgesattelt und vom Kopf bis zum Schweif in Decken gehüllt umhergeführt wurde.

Dieses Ereignis gab den anwesenden Herren und Damen wieder neuen Stoff zu allerlei Bemerkungen. Möglich war es jedenfalls, dass Robert durch sein gewitterscheues Pferd abgeworfen und sein Kopf an irgendeinem Baumstamm zerschmettert wurde. Diese Befürchtung beunruhigte alle in hohem Grade, aber nicht aus uneigennütziger Anteilnahme für Robert, sondern in der vollen Überzeugung, dass sie ohne seinen Schutz schon längst gerädert, gehängt und geköpft, gevierteilt oder verbrannt worden wären, und dass sie nach Roberts Tod einem solchen Ende nicht lange entgehen würden.

Mit dem Glockenschlag um Mitternacht stürmte das wilde Heer, hoch in den Lüften aus der Richtung des Gewitters kommend, mit entsetzlichem Geheule heran, hielt einen Augenblick still oberhalb des Schlosstores und schrie allen anwesenden Gästen bei ihren Namen zu »Mit uns! Mit uns!«, nach welcher Einladung die wilden, scheußlichen Nachtgespenster mit höllischem Hohngelächter wieder von dannen tobten.

Wie verstockt auch die mord- und raubsüchtigen Herren und Damen im Saal sein mochten, der Zuruf einer solchen Genossenschaft durchdrang sie doch mit Grauen. Einige Minuten wurde die Torglocke dreimal heftig gezogen.

»Er ist’s! Robert ist’s! Das ist sein Zeichen!«, riefen alle freudig und getröstet und rannten zum Saal hinaus, ihn auf der Treppe zu empfangen, über welche Robert, ohne Hut und Mantel, das blitzende Schwert in seiner Rechten, heraufeilte.

»Ich grüße euch, liebe Freunde und Freundinnen!«, sagte er, in den Saal tretend und sein Schwert mitten auf die Tafel legend. »Aufgetragen! Ich bin voll Hunger und Durst und ihr werdet es auch sein. Ich habe euch lange warten lassen, werde euch aber nach der Tafel ein satanisches Abenteuer erzählen, dass meine Ankunft bei euch verzögert hat.«

Und nun begannen ein wildes Festgelage und ein scheußliches Treiben, vor dessen Schilderung der Anstand zurückbebt.

Fortsetzung folgt …

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