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Hessische Sagen 2

Götzenhain

Der Nachtwächter aus Götzenhain wollte einst in der Allerheiligennacht die zwölfte Stunde ausrufen. Am Ende des Dorfes angekommen, sah er in einem Garten ein Feuer brennen und bei demselben unkenntliche Gestalten. In der Meinung, es hätte sich eine Zigeunerbande da gelagert, schlich er dicht an die Hecken. Da sah er eine Vertiefung in der Erde, wie eine Höhle und ein Gefäß, aus welchem blaurote Flammen schlugen. Ganz im Innern standen ein goldenes Bild und ein Mann, welcher einen Speer in der Hand trug. Neben ihm lag ein Hund so groß wie ein Rind, dem eine lange blutige Zunge aus dem Halse hing. Er blieb einige Augenblicke wie angewurzelt stehen, dann aber fing er an zu laufen, was er konnte und wagte sich seitdem nie wieder an die Stelle, wo der Götze mit seinem Schatz begraben liegt.


Der Frauen-Holl-Stein

Bei Fulda im Wald liegt ein Stein, in dem man Furchen sieht. Da hat Frau Holl über ihren Mann so bittere Tränen geweint, dass der harte Stein davon erweichte.


Der Goldstein bei Rimbach

Im Walde bei Rimbach an der Fulda nach Wegfurt zu liegt ein Stein, der heißt der Goldstein. Als die Jungfrau Maria mit dem Kindlein Jesu einst in die Gegend kam, ruhte sie hier aus und wusch das Kindlein. Der Stein hat noch die Gestalt einer Lagerstätte, denn er erweichte, als sich die Jungfrau auf ihm niederlegte und neben demselben ist eine andere Stelle, wie ein Waschbecken gestaltet. Die Leute erzählen, einst hätten die Mönche in Fulda den Stein um schweres Geld kaufen wollen, doch man wäre nicht darauf eingegangen.

Ein Felsen in der Nähe von Eifa heißt der Goldkopf. Auf seinem Gipfel findet man Reste eines großen Ringwalls. Die Leute erzählen, da habe ehemals ein altes Raubschloss gestanden.


Die Zauberpfeife

In der Gegend von Lorsch, da wo jetzt der Seehof steht, lag vor Zeiten ein großer See. Die rings gelegenen Dörfer traf einst eine arge Plage, ein Emsenregen, der so dicht war, dass die Felder von Ameisen wimmelten und in wenigen Tagen kein grünes Hälmchen mehr zu sehen war. Die Bewohner wandten sich in ihrer Not an den Bischof von Worms, dass er durch seinen Segen und sein Gebet die Plage abwende. Der Bischof hieß sie in Prozession die Felder durchwandeln und Gott um Abwendung der Plage flehen. Dies geschah.
Als aber die Prozession in der Nahe des Sees an einem Feldaltar stille hielt, da trat ein Einsiedler in die Reihen und sprach: »Mich schickt der Herr zu euch, und wenn ihr gelobt, zu tun, wie ich euch sage, dann sterben die Emsen im nächsten Augenblick.

Gebt mir, jedes Dorf, welches die Plage traf, hundert Gulden. Ich werde davon dem Herrn eine Kapelle bauen.«

Das gelobten alle gern und willig und sogleich zog der Einsiedler ein Pfeifchen aus seiner Kutte und pfiff. Da flogen alle Ameisen herbei, sodass sich der Himmel von ihnen verdunkelte, und bald standen sie wie ein schwarzer Turm vor dem Einsiedler, der sie mit einem letzten Pfiff sämtlich im See versenkte. Als aber der Einsiedler zu den Gemeinden kam und den Gotteslohn verlangte, da schrien sie, er sei ein Zauberer und verdiene eher, verbrannt zu werden. So machten es alle zehn Dörfer, doch das schreckte ihn nicht.
Er sagte ihnen kurz, sie würden ihre Strafe schon erhalten.
Als er aber am letzten Hause des letzten Dorfes war, zog er sein Pfeifchen aus der Kutte und pfiff und siehe da, die Schweine der ganzen Gegend brachen unwiderstehlich aus Stall und Hof und folgten dem Einsiedler, der so rückwärts die Runde in den zehn Dörfern machte, ohne dass jemand gewagt hätte, ihn zu halten oder auch nur ein Wort an ihn zu richten. So führte er die Herde bis zum Lorscher See, wo er mit ihr verschwand.

Im nächsten Jahre verheerte ein Grillenregen die ganze Gegend. Da sahen die Bauern wohl ein, wie sehr groß ihre Sünde gewesen und sie wandten sich wieder an den Bischof von Worms um Rat und Tat, doch dieser wollte nichts mehr mit ihnen zu schaffen haben und sagte, sie hätten die Strafe wohl verdient.

Von Neuem gingen sie in Prozession durch die Felder, um durch Gebet den Zorn des Himmels zu versöhnen.

Als sie so am Lorscher See anlangten, da kam ein Köhler vom Gebirge daher, neigte sich tief vor dem Venerabile und sprach zu der Menge gewandt: »Die Strafe, die euch getroffen hat, wird alsbald von euch genommen sein, so ihr mir gelobt, dass jedes Dorf mir fünfhundert Gulden zum Bau eines Klosters zahle.«

Damit waren die Dörfer gern einverstanden und sie gelobten es feierlich.

Zugleich langte der Köhler ein Pfeifchen aus dem Sack und pfiff und überall erhoben sich die Grillen und folgten ihm nach dem Tannenberg, wo bald ein riesiges Feuer sie sämtlich verzehrte. Doch als der Köhler seinen Gotteslohn forderte, erging es ihm
in allen zehn Dörfern nicht besser wie dem Einsiedler. Er erhielt nicht einen roten Heller.

»Nun, wie ihr wollt«, sprach er ruhig und setzte sein Pfeifchen wieder an und hinter ihm her zog alles Wollenvieh der ganzen Gegend, und die Bauern standen wie gebannt, sodass keiner ein Wort wagte.

Er aber zog zum Lorscher See, wo er mit der Herde verschwand.

Das folgende Jahr kam und mit ihm ein solches Heer von Mäusen, als ob sie vom Himmel geregnet wären. Nun wo die Not wieder an Mann ging, konnten die Bauern auch wieder beten und bereuen und die Felder flehend und klagend durchziehen. Als die Prozession wieder am Lorscher See hielt, stand plötzlich ein Bergmännchen in ihrer Mitte, das sprach: »Ich will die Plage schnell von euch nehmen, aber dafür muss jedes Dorf mir tausend Gulden zahlen. Und wenn ihr denn euer Geld nicht Gott zu Lieb geben wollt, so gebt es wenigstens für euren eigenen Nutzen. Ich baue euch dafür einen Damm an der Bergstraße von Hendesheim (Handschuhsheim bei Heidelberg) bis Ramstadt, sodass die Gebirgswasser euren Fluren ferner nicht mehr schaden können.«

Wie schnell die Bauern wieder mit ihrem Eide waren!

Eben so schnell griff auch das gelbe Bergmännchen nach dem Pfeifchen und dem Pfiff folgten die Mäuse zu Millionen.

So ging’s nach dem Tannenberg, der sich öffnete und als er sich wieder schloss, war weder vom Bergmännchen noch von den Mäusen eine Spur zu sehen.

Aber Undank ist der Welt Lohn und den erntete das Bergmännchen nicht weniger als der Köhler und der Einsiedler. Doch ließ es wie jene die Strafe auch auf dem Fuße folgen und was war das für eine Strafe! Als es wieder pfiff, da folgten ihm alle Kinder selbst bis zu den Säuglingen, die sich von der Brust der Mütter losrissen und hinter ihm drein trippelten. Als der Zug am Tannenberg anlangte, öffnete sich ein großes Felsstück, das Bergmännchen trat in den Berg, die Kinder mit ihm und der Felsen schloss sich wieder und nie sah man mehr eine Spur von den Kindern. Da waren die Bauern mürb, sie trugen, um nicht im nächsten Jahre eine neue Züchtigung zu erfahren, schnell das Geld zusammen und schickten es dem Bischof gen Worms.
Seitdem erfuhren sie keine derartigen Plagen mehr.


Die Linde bei Nierstein

Wenn man von Nierstein gegen Schwabsburg hingeht, kommt man an einer schönen, großen Linde vorbei, bei der ehemals ein Kapellchen gestanden haben soll. Da holen die Frauen aus der ganzen Gegend die Kinder. Wenn man das Ohr an die Erde legt, hört man, wie die Kleinen unter der Erde jubeln und schreien. Andere sagen, man höre einen Brunnen in der Erde rauschen.


Brünnchen versiegt

Bei Bimbach in dem Grunde sprang ehemals ein Brünnchen, das hatte die Kraft, wenn unfruchtbare Frauen beim Vollmond daraus tranken, so blieb der Segen der Ehe nicht länger bei ihnen aus.

Diese Kraft erprobte einst eine Frau aus Bimbach an sich, aber statt das wunderbare Brünnchen dafür in um so höherem Ehren zu halten, trug sie ihres Kindes schmutzige Windeln dahin und wusch sie in dem heiligen Wasser. Die Strafe dafür ließ nicht auf sich warten. Der Brunnen versiegte zur Stunde und man zeigt nur den Ort, wo er einst sprang.


Kinderbrunnen

Im Bettengrund, nahe bei der Schießenburg (zwischen Gelnhaar und Berkheim in Oberhessen) liegt der Schwarzenborn, nicht weit davon der Erlenborn und der Königsborn. Im Ersterem holen die Frauen aus Gelnhaar die Kinder. Andere sagen, aus dem Schwarzenborn kämen nur die Knaben, die Mädchen hingegen aus dem Kästenborn, der gegenüber auf dem Betten entspringt.

Die Reichelsheimer Kinder kommen aus dem Ratzenbrunnen, der dem Reichenberger Schloss das Wasser liefert.

In Jugenheim holt man sie aus dem Brünnchen im Balkhäuser Tal, worin sie bei der Mutter Gottes und dem heiligen Johannes sitzen, welche mit ihnen spielen.

Bei Darmstadt, nach Reinheim zu, liegen die drei Brunnen, auch Milchbrunnen und Kinderbrunnen genannt. Daraus stammen alle Darmstädter.

Der Bensheimer Kinderbrunnen liegt in der Hasengasse und ist ein uralter Ziehbrunnen. Wenn eine Frau gern ein Kind hätte, lässt sie nur den Eimer herab und es wird ihr drunten hineingelegt.


Der Reiter auf dem Schnellerts

Ein Förster in Stierbach erwartete eines Tags seinen Vorgesetzten zu einem forstlichen Geschäft. Da tiefer Schnee lag und der Oberförster lang auf sich warten ließ, glaubte jener zuletzt, derselbe werde nicht kommen und ging aus dem Wald nach Haus.

Da schaute er noch ein paar Mal durch das Fenster, von dem aus man eine Seite des Berges übersehen konnte, und bemerkte endlich einen Reiter, welcher den gewöhnlichen Burgweg ritt. Im festen Glauben, das sei der Revierförster, warf er schnell die Büchse um und eilte dem Reiter entgegen, aber zu seinem größten Erstaunen fand er diesen nicht nur nicht, sondern auch nicht die leiseste Spur eines Pferdes im Schnee, sodass kein Zweifel blieb, es müsse der Berggeist gewesen sein.


Nächtlicher Reiter

Eine Frau aus der Haal, einem Hof in der Nähe des Schnellerts, ging abends spät noch außer dem Hause herum, da kam es ihr vor, als ob ein Mensch sie stark anhauche.

Als sie sich umschaute, sah sie, dass sie unter dem Hals eines Pferdes stand, auf dem ein Reiter saß. In ihrer Angst betrachtete sie weder jenes noch diesen näher, sondern lief in die Stube zurück.

Da sagten ihr die Leute, es habe eben dreimal an einen Pfosten geschlagen, dass die Fenster gezittert, welches der Schnellertsgeist stets zu tun pflegt, wenn er durch die Haal fährt.

In den Protokollen über des Geistes Erscheinen findet sich, dass die Mutter des dort wohnenden Bauern denselben Geist gesehen, wie er auf die Fenster zuritt, worauf es zugleich dreimal stark an dasselbe schlug. Als die Leute herausliefen, sahen sie wie gewöhnlich nichts, hörten aber am andern Morgen, wie der Geist vom Rodenstein kommend zurückfuhr.


Die Wilde Jagd auf dem Schnellerts

Simon Daum ging einmal oben am Waldsaum in der Nähe des Schnellerts herum, als er plötzlich wie ein vollkommenes Jagdgeschrei hörte, dazu Hundehetzen, Peitschenknall und Hörnerblasen. Es kam ihm befremdend vor, dass eine solche Jagd auf dem Berge gehalten werde, denn er dachte im Augenblick nicht an das Geisterheer.

Er sagte selbst einem armen Mann, der ihm begegnete und gerade nach Oberkainsbach ging, er solle den Weibsleuten sagen, dass sie den Hund einschlössen, indem derselbe bei dem Jagdgetümmel leicht totgeschossen werden könne. Bei seiner Rückkehr vernahm er aber zu seiner größten Verwunderung, dass man zwar in der ganzen Gegend den schrecklichen Lärm gehört, aber nirgendwo jemand gesehen habe, der auf den Berg oder heruntergegangen oder geritten sei.


Quelle:

  • J. W. Wolf: Hessische Sagen. Dieterichsche Buchhandlung, Göttingen, 1853.