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Jackson – Teil 37

Es lebt

Vor mir lag ein Monster. Keines im herkömmlichen Sinn, also weder eines mit zwei Köpfen, acht Fingern an der Hand oder Ähnlichem, dennoch ein Monster, jedenfalls in meinen Augen.

Es war sehr groß und hager, beinahe dürr, dabei aber fast doppelt so groß wie ich. Es besaß wie jeder andere Mensch zwei Arme und Beine, einen dazugehörenden, wenn auch schmalen Rumpf und einen Kopf. Bis auf einen weißen Stofffetzen, der seine Geschlechtsteile bedeckte, war es vollkommen nackt.

Dieses Ding, oder was immer es auch war, lag in einer Art überdimensionaler Badewanne, die in der Mitte des Labors in den Boden eingelassen war. Umspielt von einer milchig weißen Flüssigkeit wirkte es wie ein Albino, wobei dieser Eindruck durch die ungewöhnlich blasse Haut und das schlohweiße Haupthaar noch verstärkt wurde. Sein feminin geschnittenes Gesicht stand in krassem Gegensatz zu seinem riesigen, knochigen Körper. Obwohl es sich kaum von einem Menschen unterschied, strahlte es etwas Unwirkliches, Fremdes aus.

Vielleicht lag es auch an der Umgebung, an dem riesigen Labor oder an den vielen befremdlich aussehenden Gerätschaften um uns herum, von denen aus unzählige Kabel auf ihn zuführten, die seinen Oberkörper mit einem engmaschigen Netz aus roten, grünen und gelben Leitungen beinahe vollständig bedeckten.

Keine Ahnung.

Ich wollte mich jedenfalls gerade abwenden, der Anblick des Albinoriesen widerte mich allmählich an, als dieses Ding, das sie aus was für Gründen auch immer Adam nannten, plötzlich die Augen öffnete.

Neben mir begann Normann wie ein Jongleur mit Armen und Beinen zu rudern.

»Es lebt!«, keuchte er.

Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen tobte dabei in seiner Brust ein wahrer Orkan von Emotionen. Emma, Linda und Doc Sheridan sahen nicht besser aus, zusammen wirkten sie wie strenggläubige Kirchenbesucher, denen soeben der Allmächtige erschienen war.

Ich hingegen betrachtete die Sache etwas realistischer.

Die Tatsache, dass dieses Albinowesen tatsächlich lebte, löste in mir eher Abneigung aus.

Ich betrachtete ihn nämlich nicht aus der Sicht eines Wissenschaftlers, sondern als Sicherheitsagent und Mann, der hauptsächlich mit Mördern, Betrüger und Einbrechern zu tun hatte. Ein Blick in sein Gesicht genügte und mein Instinkt sagte mir, dass dieser Adam eine Gefahr darstellte. Auch wenn ich sie nicht näher beschreiben konnte. Es waren vor allem seine Augen, die mir unheimlich waren. Sie waren genauso milchig weiß wie die Flüssigkeit, in der er lag.

Dort, wo bei einem normalen Menschen die Iris die Pupille umschloss, gab es bei ihm nur haarfeine Blutäderchen. Dennoch hatte ich den Eindruck, dass er mich mit seinem Blick zu durchbohren schien.

Ich wusste nicht warum, aber irgendwie vermeinte ich zu spüren, dass etwas derartig Bösartiges von ihm ausging, war mir unvermittelt das Gefühl vermittelte, als ob eine eiskalte Hand über meinen Rücken strich.

Aber damit stand ich offensichtlich so ziemlich alleine da.

Als ich mich umblickte, erkannte ich, dass die meisten Menschen in diesem Labor ihre Arbeit unterbrochen hatten und stattdessen die Köpfe zusammensteckten und tuschelten. Norman und die anderen sprangen wie die Kastenteufel von einem der Geräte und Bildschirme zum anderen und stießen immer wieder abgehackte, mir unverständliche Sätze aus.

Aber ich sah auch noch etwas anderes.

Ich sah eine Gruppe von Männern, die sich rücksichtslos einen Weg durch das Labor bahnten.

Es mochten zehn, zwölf oder dreizehn an der Zahl sein, so genau zählte ich sie nicht, denn erstens bewegten sie sich ständig hin und her und zweitens verursachte mir die Tatsache, dass sie direkt auf uns zukamen, gelinde gesagt Bauchgrimmen.

Ich sah nur, dass sie alle schwer bewaffnet waren und blaue Phantasieuniformen trugen, die sie als Wachmannschaft auswiesen.

 

***

 

Ich zog mich so unauffällig wie möglich zurück.

Mit einem raschen Schritt zur Seite gelang es mir, gedeckt durch ein mannshohes Gebilde aus mehreren Monitoren und Computern, aus ihrem Sichtfeld zu kommen.

Obwohl mein Versuch, von hier zu verschwinden von vorneherein zum Scheitern verurteilt war, musste ich es trotzdem versuchen. Wenn mich die Uniformierten erst einmal gestellt hatten, war mein Leben keinen Pfifferling mehr wert. Nach all den Schwierigkeiten, die ich ihnen bereitet hatte, musste ich damit rechnen, dass sie mit mir kurzen Prozess machten, sollte ich ihnen tatsächlich in die Hände fallen. Ich musste ganz einfach von hier verschwinden, wollte ich meinen Kopf noch einmal aus der Schlinge ziehen.

Aber wie?

Ich wusste ja nicht einmal, wohin ich mich wenden musste, um ungesehen aus diesem Labor herauszukommen, geschweige denn, wie es danach weitergehen sollte.

Trotzdem schienen meine Chancen nicht so schlecht zu stehen. Das hatte zum einen mit der Existenz von Adam zu tun und mit der Tatsache, dass er ein Lebenszeichen von sich gegeben hatte. Kein Mensch hier hatte im Moment noch Augen für mich. Alles drängte sich um die Vertiefung in der Mitte der Laborhalle und starrte wie gebannt auf den Albino. Zum anderen sorgte das ungewöhnlich materialische Auftreten der Wachmannschaft dafür, dass hier alles plötzlich drunter und drüber ging.

Mit Stiefeltritten und den Kolben ihrer Gewehre bahnten sie sich einen Weg durch die Menge. Als die ersten Proteste mit wütenden Befehlen im Keim erstickt wurden, war es Zeit, mich endgültig zu verdünnisieren.

Ich wollte mich gerade abwenden, als mich eine herrische Stimme verharren ließ.

»Sind Sie Linda Fuller?«

Dabei wurde ein Gewehr repetiert, wie um die Wichtigkeit der Frage zu unterstreichen.

Ich zuckte zusammen.

Auch wenn Linda mich in letzter Zeit links liegen ließ und scheinbar eigene Pläne verfolgte, war sie immer noch die Person, der ich es zu verdanken hatte, dass ich hier in dieser verrückten Welt noch am Leben war. Dass wir beide miteinander in die Kiste gestiegen waren, spielte in diesem Moment nur eine untergeordnete Rolle.

Ich drehte mich langsam um und riskierte einen kurzen Blick aus meiner Deckung heraus.

Was ich sah, ließ mich die Luft anhalten.

Der Sprecher der Soldaten, seinen Abzeichen auf den Schulterklappen nach war er auch der Anführer, zielte mit dem Lauf seiner automatischen Waffe direkt auf Lindas Kopf.

»Mitkommen!«, bellte er.

Linda zuckte merklich zusammen. Panik lag in ihren Augen, als ihre Blicke zwischen Emma, Norman und Sheridan hin und her flogen. Bevor irgendeiner der Wissenschaftler reagieren konnte, handelte der Soldat.

Mit einem wütenden Grunzen stieß er den Lauf seines Gewehres nach vorne. Als sich die Mündung seiner Waffe in ihre Magengrube bohrte, klappte Linda zusammen wie ein Taschenmesser. Norman stieß einen wütenden Schrei aus, den ein anderer Soldat mit einem Schlag mit dem Handrücken beantwortete, der den Wissenschaftler mit voller Wucht auf den Mund traf.

Während Norman nach hinten taumelte, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Was zum Teufel war plötzlich in die Soldaten gefahren, dass sie sich aufführten wie die Axt im Wald?

Norman hatte sich inzwischen wieder aufgerichtet und wischte sich das Blut von der aufgeplatzten Oberlippe. Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen war er kurz davor zu explodieren.

»Wie … wie können Sie es wagen …«, stotterte er außer sich. »Wissen Sie überhaupt, wenn Sie vor sich haben?«

Obwohl es den Anschein machte, dass sich der Wissenschaftler durch den Schlag nicht hatte einschüchtern lassen, schien sich der Soldat einen Dreck darum zu scheren.

»Natürlich weiß ich, wer Sie sind, Professor. Aber soll ich Ihnen etwas sagen? Es interessiert mich einen Scheißdreck. Das Einzige, was mich interessiert, ist die Tatsache, dass sich hier auf dieser Ebene wahrscheinlich ein Saboteur aufhält, der mithilfe Ihrer Kollegin in dieses Areal eingedrungen ist.« Dabei zeigte er auf Linda, die immer noch mit den Nachwirkungen seines Angriffs zu kämpfen hatte. »Sie täten gut daran, Ihre feindselige Haltung uns gegenüber aufzugeben und stattdessen mit uns zusammenarbeiten. Es könnte sonst sein, dass dieser Saboteur Ihre Forschungsträume wie einen Luftballon platzen lässt.«

Der Wissenschaftler versteifte sich augenblicklich. Seine Blicke flogen zwischen Linda und dem Soldaten hin und her und ich konnte trotz der Entfernung deutlich sehen, wie es in seinem Gesicht zu arbeiten begann. Schließlich gab er sich einen Ruck, straffte die Schultern und stampfte auf Linda zu.

Ungeachtet ihres Zustandes baute er sich vor ihr auf, verschränkte die Arme vor der Brust und blaffte sie an. »Sie wissen hoffentlich, dass Sie hier erledigt sind, wenn die Anschuldigungen dieser Wache auch nur ein Fünkchen Wahrheit beinhalten. Ich warte also auf eine Erklärung.«

Linda wand sich wie ein Aal, während ihre Blicke durch die Halle flogen. Wahrscheinlich suchte sie mich.

»Was sollte ich machen?«, platzte es schließlich aus ihr heraus. »Er hat schließlich damit gedroht, mich umzubringen!«

Diese falsche Schlange, dachte ich noch.

Im gleichen Moment überschlugen sich die Ereignisse.

 

***

 

Der Grund war ich. Ich benahm mich wie ein Anfänger. Anstatt leise, still und heimlich den Rückzug anzutreten, wirbelte ich auf dem Absatz herum und suchte mein Heil in der Flucht. Mit dem Ergebnis, dass mein Ellbogen dabei einen der Bildschirme touchierte, dieser ins Wanken geriet, nach vorne fiel und dabei vier weitere durch Mehrfachstecker mit ihm verbundene Geräte nach unten riss.

Der Lärm war unbeschreiblich. Alle Augen gingen in meine Richtung. Die Soldaten feuerten sofort aus allen Rohren.

Ich blieb ihnen nichts schuldig, schließlich steckte noch die Waffe eines Wachsoldaten in meinem Hosenbund.

Ich warf mich zu Boden, wirbelte herum und feuerte.

Einmal, zweimal, dann versank die Welt um uns herum in einem Chaos aus schreienden Menschen, explodierenden Computern und belfernden Gewehren.

»Es lebt!«, hatte Norman noch vor wenigen Minuten gesagt, als Adam die Augen geöffnet hatte. Was er jetzt von sich gab, war in dem allgemeinen Chaos nicht mehr zu verstehen. Der Albinoriese hatte sich nämlich in seiner Badewanne aufgerichtet und zerrte knurrend und fauchend an den Kabeln, mit denen sein Körper bedeckt war. Dass die Geräte, von denen die Leitungen aus zu ihm hinführten, dabei in die milchige Brühe fielen, in der er lag, interessierte ihn nicht die Bohne. Ebenso wenig das Zischen, Blitzen und Krachen, mit dem diese elektronischen Apparaturen in der Flüssigkeit per Kurzschluss ihr Leben aushauchten.

Obwohl ich genug mit mir selbst zu tun hatte, sah ich mich in meinen Ahnungen bestätigt.

Diese Kreatur namens Adam war tatsächlich eine Gefahr.

Sie lebte nicht nur, sondern lief Amok.

Fortsetzung folgt …