Aus dem Reiche der Phantasie – Heft 1 – Der letzte Höhlenmensch – 8. Kapitel
Robert Kraft
Aus dem Reiche der Phantasie
Heft 1
Der letzte Höhlenmensch
Verlag H. G. Münchmeyer, Dresden, 1901
Gefangen
Die Freude Richards, mit dem wackeren Karak wieder vereint zu sein, wurde durch dessen eigene Aussagen sehr getrübt. Karak glaubte nicht mehr an eine Rettung. Ein Durchschlagen durch die Feinde war nach seiner Meinung unmöglich, das verhinderten schon die vielen Wölfe. Konnten sie alle mit einmal töten, wenn sich das Rudel auf sie warf?
Bald sah Richard die Hoffnungslosigkeit der Lage selbst ein, als die Farken mit ihren Hunden in weitem Kreis den ganzen Teich umringten, Feuer anzündeten, daran kochten und sich anscheinend zu einer anhaltenden Belagerung häuslich einrichteten.
In der Hütte befand sich zwar ein Kochherd, und auch Angeln waren vorhanden – aber es fing sich kein Fisch, und nachdem der Korb mit den Früchten geleert war, sah man dem Hungertod ins Auge.
»Wir versuchen uns dennoch durchzuschlagen«, entschied da Richard mutig, »und zwar heute Nacht noch, ehe uns der Mangel an Nahrungsmitteln geschwächt hat. Wenn wir nun einmal sterben müssen, so wollen wir als Männer fallen.«
Allein wunderbarerweise wollte der Höhlenmensch, der eben erst eine Probe seiner Kühnheit abgelegt hatte, nichts davon wissen. In finsterem Schweigen schüttelte er den Kopf. Er schien etwas anderes vorzuhaben, was er verheimlichte.
Die Nacht brach an, die Wachtfeuer flammten heller auf, es wimmelte daran von Kriegern und Hunden.
Da erhob sich Karak aus seiner Ecke, nahm zwei Stücke Holz und begann sie schnell zu reiben.
»Was willst du tun?«, fragte Richard verwundert.
»Sterben«, war die lakonische Antwort.
Auch Maka war aufgestanden, sammelte alles dünne Holz, das sie finden konnte, schnitzte Späne und verstreute sie am Boden der Hütte. Da ging Richard ein Verständnis auf.
»Du willst die Hütte anzünden, dich und deine Tochter selbst verbrennen«, rief er außer sich. »Nein, das tust du nicht!«
»Ich werde es doch tun!«, entgegnete Karak finster, ja drohend. »Meine Pfeile haben genug Farken getötet, ich bin gerächt. Soll ich den Göttern dieser Hunde als Opfer dienen? Nicht einmal meine Leiche darf ihnen in die Hände fallen! Und Maka stirbt mit mir.«
Vergebens versuchte es ihm der entsetzte Richard auszureden, Karak antwortete einfach nicht mehr, ebenso wenig Maka, und hindern konnte er sie nicht.
Nun warfen sie die Mumien ins Wasser, sie sollten die Flammen nicht verunreinigen, dann wurden glimmende Funken verstreut, und wenn auch auf der einen Seite Richard sie austrat, so leckte doch schon auf der anderen das nicht mehr zu dämpfende Feuer an dem ausgedörrten Holz hoch empor. Es war zu spät.
»So kommt, wir wollen uns im Wasser verbergen, die Farken sollen glauben, wir hätten uns hier verbrannt, komm mit mir, Maka!«, rief Richard noch einmal.
Doch es war alles vergebens! Das Mädchen hatte sich in der Mitte der Hütte neben dem Vater niedergekauert, der mit monotoner Stimme ein Sterbelied anstimmte, und dann weiter sang, seine Taten preisend und den Untergang seines Volkes beklagend.
Die Hitze wurde immer unerträglicher, sie versengte Richard schon Haut und Haare, und mit einem Satz, das Gewehr an sich pressend, sprang er ins Wasser.
Als er wieder auftauchte, brannte hinter ihm die Hütte lichterloh, und vor ihm ertönte das Geschrei der Farken und das Geheul der Wölfe.
Vom Mut der Verzweiflung gepackt, schwamm er in schnellen Stößen auf das Ufer zu. Nun mochte es kommen, wie es wollte – nun war es aus mit ihm, nur noch auf einen der Rundköpfe wollte er sein sicherlich durch das Wasser unbrauchbar gewordenes Gewehr zerschmettern.
»Dort schwimmt er – er hat die Feuerschleuder bei sich – die Hunde zurück – fangt ihn lebendig!«, tönte es damit gellendem Geschrei an sein Ohr.
Richard, der plötzlich Grund unter seinen Füßen fühlte, legte das Gewehr an und drückte ab, und als es versagte, riss er auch den Revolver aus dem Futteral, doch wenn auch von den sechs Schüssen vier los gingen und zwei Farken stürzten, so achteten die anderen trotzdem nicht darauf, sie fielen über ihn her. Noch einmal drehte Richard das Gewehr herum und schmetterte es auf einen schwarzhaarigen Kopf, sodass der Schaft zersplitterte, dann hatte man ihn gepackt!